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Re: [FYI] Stoiber will Gewalt in Computerspielen verbieten
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- Subject: Re: [FYI] Stoiber will Gewalt in Computerspielen verbieten
- From: Tim Schlotfeldt <ml4@tfly.toppoint.de>
- Date: Mon, 6 May 2002 07:29:35 +0200
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Joerg-Olaf Schaefers wrote:
> Tuesday, April 30, 2002, 10:26:55 AM, Peter wrote:
>
>> Hi Liste,
>
>> gibt es nicht auch den Aspekt, daß Gewalt durch Abreagieren an Sandsäcken,
>> Joysticks... abgeleitet wird, bevor sie, durch eine restriktive Umgebung
>> aufgestaut, sich viel gefährlicher "in der Realität" entlädt?
>
> Sicher, das gilt auch als Normalfall.
Nein, dass gilt nur für Freudianer. Nach Freud gibt es den
Katharsiseffekt. Allerdings konnte dieser Effekt nicht festgestellt
werden, sondern eher das /Gegenteil/.
> Gleichwohl ist man sich in der
> Mediennutzungsforschung nicht einig, wie gross der Einfluss von Ge-
> waltkonsum wirklich ist. Konsens besteht eigentlich nur in einem
> Punkt, bei entsprechend veranlagten Menschen kann Gewaltkonsum wie
> ein Katalysator wirken - was eigentlich eine Nullaussage ist. Das
> entsprechend veranlagte Menschen sich in ihrer Freizeit mit Dingen
> beschaeftigen, deren Gewaltlevel ueber dem Durchschnitt liegt, ist
> eine weitere Binsenweisheit. Interessant ist hier allenfalls der
> Umkehrschluss, der ist so ohne weiteres naemlich nicht moeglich.
>
> Ob Gewaltkonsum generell auch als Ursache von Gewalttaten herhal-
> ten kann, ist heftig umstritten. Sicher, es gibt einige Studien,
> mit denen man es zu belegen versucht. Allerdings gibts es auch
> viele, die genau das Gegenteil aussagen.
,----
| "Liebert und Baron[1] ließen eine Gruppe von Kindern eine Folge
| der [für damalige Verhältnisse -ts] extrem gewalttätigen
| Krimiserie "Die Unbestechlichen" sehen. in einer
| Kontrollbedingung sahen vergleichbare Kinder ein ebenso
| langes, extrem actionreiches Sportereignis. Anschließend ließ
| man die Kinder in einem anderen Raum mit einer weiteren Gruppe
| Kinder spielen. Kinder, die die gewalttätige Krimiserie
| gesehen hatten, verhielten sich den anderen Kindern gegenüber
| sehr viel aggressiver als Kinder, die die Sportveranstaltung
| gesehen hatten.
|
| Ross Parke und seine Kollegen[2] konnten diese Ergebnisse in
| einer natürlichen Umgebung bestätigen. Sie zeigten den Jungen
| in einigen Häusern von Jugenstrafanstalten in den USA und in
| Belgien gewalttätige Filme, un den Jungen in andern Häusern
| dieser Einrichtungen gewaltlose Filme. Sowohl während als auch
| nach der Filmwoche verhielten sich die Jungen, die die
| aggressiven Filme sahen, den anderen Jungen gegenüber
| körperlich und verbal aggressiver. Weiter Studien zeigten,
| dass dieser Effekt schon durch das Anschauen eines /einzigen/
| Films enstehen kann und dass die Aggressionssteigerung bei
| denjemigen Jungen am ausgeprägesten war, die ursprünglich
| /geringe/ Aggressivität gezeigt hatten. Leonar Eron und
| Rowell Huesemann[3] stellten in einer Längsschnittuntersuchung
| bei achtjährigen Jungen eine hohe Korrelation zwischen dem
| Fernsehkonsum von Gewalt und eigenem aggressiven Verhalten
| fest. Etwa elf Jahre später führten sie mit 211 dieser Jungen
| eine Nachuntersuchung durch. Die Neunzehnjährigen, die im
| Alter von acht Jahren viel Gewalt im Fernsehen gesehen hatten,
| waren aggressiver als diejenigen, die dies nicht getan hatten.
| Außerdem wurde ziemlich deutlich, dass Fernsehen aggressiv
| macht (und nicht umgekehrt), da die Neunzehnjährigen, die im
| Alter von acht Jahren viele gewalttätige Sendungen gesehen
| hatten, sich jetzt nicht unbedingt viel Gewalt im Fernsehen
| anahen. Kurzum, Gewaltdarstellungen im Fernsehen im Alter von
| acht Jahren anzuschauen erwies sich als ein Prädiktor für
| späteres aggressives Verhalten, während aggressives Verhalten
| im Alter von acht Jahren kein Prädiktor für spätern Konsum von
| gewalttätigen Sendungen war. Neuere Längsschnittuntersuchungen
| haben diesen Zusammenhang sowohl in den Vereinigten Staaten
| als auch in Finnland nachgwiesen.
|
| [...]
|
| In ähnlicher Weise haben Margaret Hanratty Thomas und ihre
| Kollegen[4] gezeigt, dass Gewalt im Fernsehen nachfolgend die
| Reaktionen von Menschen abstumpft, wenn sie im wirklichen
| Leben mit Agressionen konfrontiert sind. Thomas ließ eine Reihe
| von Kinder entweder einen gewalttätigen Krimi oder aber ein
| aufrgendes (aber gewaltloses) Volleyballspiel ansehen. Nach
| einer kurzen Pause beobachteten die Kinder eine verbal und
| physisch aggressive Interaktion zwischen zwei
| Vorschulkindern. Die Kinder, die den Krimi gesehen hatten,
| reagierten weniger emotional als die Kinder, die das
| Volleyballspiel gesehen hatten. Die anfängliche Beobachtung
| von Gewalt /desensibilisiert/ also die Kinder für weitere
| gewalttätige Handlungen -- sie regten sich nicht mehr über
| einen Vorfall auf, der sie eigentlich hätte aufregen müssen.
| Eine solche Reaktion mag uns zwar psychologisch vor den
| schädlichen Auswirkungen wiederholter Gewalterfahrung
| schützen, doch sie verhärtet auch unsere Gefühle gegenüber den
| Opfern von Gewalt, und sie macht es uns vielleicht auch
| einfacher, selbst gewalttätig zu werden.
|
| [...]
|
| Phillips untersuchte beispielsweise in einer Studie[5], welche
| Auswirkungen eine spezielle Art von Gewalt in den Medien, die
| Ausstrahlung von Profi-Boxkämpfen, auf gewalttätiges Verhalten
| hat. Er entschied sich gerade deshalb für solche Boxkämpfe,
| weil es sich hier um eine echte, interessante und weithin
| akzeptierte und belohnte Form von Gewalt handelt. Zudem werden
| die Akteure dieser Sportveranstaltung so dargestellt, als
| wollten sie ihr Opfer verletzen.
|
| Die Ergebnisse von Phillips Untersuchung sind ernüchternd. in
| den Tagen nach der Ausstrahlung eines Schwergewichts-Boxkampfes
| verzeichnete man in den USA einen Anstieg an Mordfällen, und
| zwar sowohl, wenn der Kampf in den USA selbst ausgetragen
| wurde, als /auch/, wenn er in Übersee stattfand, so wie der
| weithin übertragene Kampf zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier
| ("the Thrilla in Manila"). Überraschender ist, dass die
| Rassenzugehörigkeit der "Verlierer" in diesen Profi-Kämpfen mit
| der Rassenzugehörigkeit der Mordopfer nach den Boxkämpfen
| korrespndierte: Nachdem weiße Boxer einen Kampf verloren
| hatten, nahmen die Morde an weißen, aber nicht an schwarzen
| Männern zu. Wenn dagegen schwarze Boxer einen Kampf verloren
| hatten, nahmen die Morde an schwarzen, aber nicht an weißen
| Männern zu."
|
|
|
| [1] Liebert, R. & Baron, R.: Some immediate effects of televised
| violence on children's behavior. In: Developmental Psychology
| 6(1972).
|
| [2] Park, R. et. al: Some effects of violent and nonviolent movies
| on the behavior of juvenile delinquents. In: Berkowitz, L.
| (Hg.): Advances in experimental social psychology. New York
| (Academic Press) 1977.
|
| [3] Eron, L. & Huesmann, R.: Adolescent aggression and television.
| In: Annals of the New York Academy of Science 347 (1980).
|
| [4] Thomas, M.H. et al: Desensitization to portayals of real-life
| aggression as a function of exposure to television violence.
| In: Journal of Personality and Socail Psychology 35(1977).
|
| [5] Drop that gun, Captain Video. In: Newsweek (10. März 1975).
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-Tim
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Tim Schlotfeldt, Kiel/Frankfurt, FRG
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