[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

heise online: ICANN eroeffnet Papierschlacht



Diese Meldung aus dem heise online-Newsticker wurde Ihnen
von "debate@lists.fitug.de" gesandt.
Wir weisen darauf hin, dass die Absenderangabe nicht verifiziert
ist. Sollten Sie Zweifel an der Authentizität des Absenders haben,
ignorieren Sie diese E-Mail bitte.
--------------------------------------------------------------------
ICANN eröffnet Papierschlacht

Die Schlacht um die Zukunft der Regulierung von Namen und Nummern im Netz
hat begonnen – in Form einer Papierschlacht. Mit allein drei Entwürfen zur
künftigen ICANN-Mission, Strukturanpassungen und Entscheidungsverfahren
liegt die von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers
(ICANN[1]) eingesetzte Arbeitsgruppe um Alejandro Pisantry derzeit vorn in
der Debatte – zumindest was die Quantität angeht. "Wer auf Transparenz
besteht, der darf 3000 Dokumenten lesen, um dann mitreden zu können,"
stöhnt Europas gewählter ICANN-Direktor Andy Müller-Maguhn. Noch ist der
ICANN-typische "Konsens durch Erschöpfung" allerdings nicht in Sichtweite.

In Sondersitzungen mühen sich aber derzeit neben dem Regierungsbeirat
(GAC), verschiedener Einzelgremien der ICANN, die Vertreter der
Länder-NICs, die sich eigens in Oxford trafen, die Regionalen
IP-Registries, die Stuart Lynn zur RIPE-Sitzung nach Amsterdam luden, und
auch die International Telecommunication Union (ITU) auf ihrer aktuellen
Tagung in Genf. Die EU-Kommission hat derweil, von der Öffentlichkeit
unbemerkt und mit reichlicher Verspätung, eine 200.000 Euro teure
EU-ICANN-Studie ausgeschrieben. Noch bis zum 24. Mai können sich Forscher
bewerben – ob nach den vorgesehenen acht Monaten Laufzeit ICANN in der
heutigen Form noch existiert, ist ungewiss.

Müller-Maguhn und seine vier gewählten Kollegen könnten ihrer
Sisyphos-Aufgabe bald ledig sein. At-large-Direktoren sind im neuesten
Papier[2] des Pisantry-Gremiums zur Besetzung der ICANN-Ämter gar nicht
mehr vorgesehen, zumindest nicht mehr als gewählte Vertreter der
Nutzerschaft. Vielmehr schlagen Pisantry und seine Kollegen vor, dass
künftig ein Nominierungskomitee aus ICANN-Direktoren und Vertretern von
Industrie, Universitäten und der Techniker-Gemeinde die Spitzenposten
besetzt. Die User sollen durch Verbraucherorganisationen vertreten sein.
Für eine direkte Beteiligung der Regierungen bei der Netzverwaltung hält
man dagegen die Zeit noch nicht für reif. Auch wird in nie dagewesener
Deutlichkeit eingeräumt, dass ICANNs Aufgabe wesentlich auch eine
politische, und nicht eine rein-technische Aufgabe ist.

Eine der zentralen Ideen für eine mögliche Reform ist daher die Abspaltung
einzelner Aufgaben der ICANN. Eine extreme Variante schlägt der aktuelle
ICANN-Feind Nummer eins, At-large-Direktor Karl Auerbach vor, der die
Organisation mit einer Klage wegen mangelnder Einsicht in die Finanzen
überzogen hat. Auerbach befürwortet eine völlige Zerschlagung[3] des
Zentralgremiums ICANN. DNS Root-Verwaltung, Vergabe von IP-Nummern und die
Aufsicht über neue Protokolle auf der administrativen Seite und
ccTLD-Politik, gTLD-Politik und IP-Vergabepolitik auf der anderen Seite
sollten bei den jeweiligen Organisationen angesiedelt werden.

Auch im ICANN-Papier wird die Aufgabe von Kompetenzen diskutiert: "Zum
Beispiel wäre es möglich, die Verantwortung ICANNs für die Beleihung und
Rücknahme von Länderadressen der US-Regierung oder einer internationalen
Organisation zu übertragen", so der Vorschlag im Papier zu den Kernaufgaben
der Organisation[4]. Der Vorschlag wirkt einerseits wie ein Seitenhieb auf
die ITU, die sich ICANN in ihrem Vorschlag bereits als Verbindung zur
internationalen Staatengemeinschaft angeboten hatte. Andererseits kann die
Gemeinde die Ansage, dass Kompetenzen im Zweifel einfach an die
US-Regierung zurückgegeben werden können, kaum anders dann als Drohung
verstehen: wenn ICANN scheitert, sitzt die US-Regierung am Hebel.

Diese könnte Ende September nach Ablaufen ihres Vertrages mit ICANN auch
tatsächlich ICANNs Aufgaben neu vergeben. Aber ob das ein attraktives
Szenario "vor allem angesichts gewachsener Befürchtungen hinsichtlich der
eigenen kritischen Infrastruktur in den USA ist", darüber streiten sich
unter anderem Mitglieder der Generalversammlung, des Quasiparlaments in der
ICANN. 

Die beiden deutschen Chefs des GA, Thomas Rössler und Alexander Svensson
sind skeptisch, dass eine Neuvergabe der ICANN-Aufgabe durch das
US-Handelsministerium mehr Mitsprache für Nutzer weltweit bedeuten kann.
Svensson setzt mit "Eurocann" lieber auf die unter anderem von Esther Dyson
geforderte Etablierung regionaler ICANN-Räte. Die Ex-ICANN-Chefin hat dafür
immerhin schon einmal 22.500 US-Dollar an Sponsorengeldern gesammelt.
(Monika Ermert) / (mw[5]/c't)

URL dieses Artikels:
 http://www.heise.de/newsticker/data/mw-11.05.02-003/

Links in diesem Artikel:
 [1] http://www.icann.org
 [2] http://www.icann.org/committees/evol-reform/working-paper-structure-09may02.htm
 [3] http://www.cavebear.com/rw/apfi.htm
 [4] mailto:mw@ct.heise.de

--------------------------------------------------------------------
Copyright 2002 by Verlag Heinz Heise

-- 
To unsubscribe, e-mail: debate-unsubscribe@lists.fitug.de
For additional commands, e-mail: debate-help@lists.fitug.de