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2002-06-13 Brüssel: Eiertanz um EPA-Ermächtigungsgesetz




Uns vorliegenden Informationen zufolge äußerten bei einer Sitzung der
Arbeitsgruppe "Geistiges Eigentum und Patente" im Ministerrat der
Europäischen Union am 13. Juni die Vertreter Frankreichs, Belgiens,
Italiens, Spaniens und einiger anderer Länder mehr oder weniger
deutliche Kritik an dem mangelnden Klarheit des Richtlinienvorschlags  
über die Grenzen der Patentierbarkeit von Softwareinnovationen.

Die Vertreter der Europäische Kommission erklärten, die Industrie,
vertreten durch UNICE, wolle den Status Quo, während die Anhänger der
freien Software grundsätzlich gegen das Patentwesen seien.  Auch
darüber hinaus verbreiteten die Vertreter der Kommission allerlei
Falschinformationen. 

Im Verlaufe der Diskussionen aufgrund kritischer Rückfragen
insbesondere der Franzosen, Belgier und Italiener stellte sich gerade
durch die Antworten der Europäischen Kommission immer deutlicher
heraus, dass dieser Vorschlag alle über den Universalrechner
umgesetzten Organisations- und Rechenregeln, einschließlich
Geschäftsmethoden, patentierbar macht.

Der österreichische Vertreter ebenso wie der britische und irische
Vertreter gratulierten indes wiederholt der Kommission für die
"großartige Leistung".  Der österreichische Vertreter trug ferner noch
Kritik der Industrieverbände (d.h. der Patentanwälte, welche die
Arbeitskreise jener Verbände beherrschen) vor, wonach die Richtlinie
bei der Sicherstellung der grenzenlosen Patentierbarkeit noch nicht
weit genug geht.  Ähnlich äußerte sich auch der bundesdeutsche
Vertreter.  Er pflichtete den Ausführungen des britischen Vertreters
bei, wonach wörtliche Ansprüche auf Informationsgegenstände
(Computerprogrammprodukt, Computerprogramm, Datenstruktur) nötig sind,
um zu verhindern, dass verletzende Programmtexte ins Ausland
exportiert werden.  

Im allgemeinen pflichtete der BMJ-Vertreter zwar den Stellungnahmen
der Patentmaximalisten bei, ließ aber dissonante Töne mit einfließen,
in denen sich die derzeitige Zerrissenheit der Bundesregierung
wiederspiegelt.  Z.B. erwähnte der BMJ-Vertreter, dass eine
volkswirtschaftliche Studie (offensichtlich die von Fraunhofer-ISI
http://swpat.ffii.org/papiere/bmwi-fhgmpi01/) ergeben habe, dass die
KMU in Deutschland Ängste vor Patenten hegten und dass eine zweite
Studie geplant sei, um zu ermitteln, in wieweit die Befürchtungen der
KMU aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit den EPA-Patenten wirklich
gerechtfertigt seien.

Keiner der Vertreter äußerte Zweifel an dem Ansatz, in einem Gebiet,
wo alle europäischen nationalen Gesetze einander seit den 70er Jahren
gleichen, also bereits vollständig harmonisiert sind, mit einer
widersprüchlichen europäischen Richtlinie Uneinheitlichkeit zwischen
unterschiedlichen nationalen Umsetzungen zu schaffen und zugleich
dort, wo die Gesetze heute unterschiedlich sind (z.B. beim
Verletzungsverfahren), nichts zur Vereinheitlichung zu unternehmen.

Fast alle Vertreter akzeptierten implizit die Aussagen der Kommission,
wonach die Rechtslage uneinheitlich und Harmonisierung erforderlich
sei, die bisherigen wirtschaftswissenschaftlichen Studien nichtssagend
(inconclusive) seien und daher vom "Status Quo" = Praxis des
Europäischen Patentamtes auszugehen sei.  Der deutsche Vertreter merkte
immerhin an, dass nicht nur die nationalen Rechtsprechungen sondern
auch die Praxis des EPA Gegenstand der Harmonisierung sein müsse.  Was
er genau damit meinte, erklärte er dann nicht.  Möglicherweise blieb
ihm das Wort im Hals stecken.  

Das offene Geheimnis des ganzen Manövers ist ja: es geht einzig und
allein darum, das EPA ein für alle mal vom Stigma des Rechtsbruchs
reinzuwaschen und die dort tonangebenden Patentjuristen (Vertretern
von Großunternehmen wie IBM, Siemens etc im EPA-Beirat SACEPO) von
lästigen Gesetzen und peinlichen Diskussionen zu befeien.  Es handelt
sich nicht um eine Harmonisierungs-Richtlinie sondern um ein
Ermächtigungsgesetz, und unser BMJ-Vertreter muss um seine Karriere
fürchten, denn zu Ermächtigenden haben wesentlich größeren Einfluss
auf die Karriere eines BMJ-Patentjuristen als die Bundesregierung oder
gar das Wahlvolk.

-- 
Hartmut Pilch, FFII e.V. und Eurolinux-Allianz            +49-89-12789608
Innovation vs Patentinflation                       http://swpat.ffii.org/ 
120000 Stimmen 400 Firmen gegen Logikpatente    http://www.noepatents.org/




 



















 

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