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Re: [suchfibel] Suchmaschinen sollen gemeinsame Filterlisteerstellen



Hallo Stefan,

bevor ich explizit auf deinen Beitrag antworte, möchte ich nur kurz
betonen, dass ich es gut und produktiv finde, dass wir hier miteinander
über dieses Thema diskutieren und ich hoffe, dass wir es alle schaffen,
sachlich zu bleiben -- was bei den Themen um die es geht ja nicht immer
einfach ist. Kritik also bitte nicht persönlich nehmen und im
Zweifelsfall mich ein wenig bremsen. :-)


Antworten bitte auch an die im Cc stehenden Listen, Mails von extern
kommen durch.


-- Stefan Karzauninkat <stefan.karzauninkat@kazmedia.net> wrote:

> Der Heise Artikel beleuchtet den Sachverhalt leider wenig umfassend. Vor
> allem der letzte Absatz ist wenig erhellend. 

Ich finde es durchaus "erhellend", wenn ein Richter des
Bundesverfassungsgerichtes Bedenken an halbstaatlicher und privater
Zensur äußert. Was genau hast du denn an dem letzten Absatz auszusetzen?

Im Heise-Artikel wurde zwar der Hinweis vergessen, dass das
Suchmaschinen-Filter-Kartell nur nach 2/3-Zustimmung aller Mitglieder
neue Mitglieder zur "Abwehr unzulässiger Fundstellen" aufnehmen will,
genauso wie der Vorschlag von Friedemann Schindler, gleich ganze Domains
zu sperren, wenn auf einer Unterseite etwas strafrechtlich relevantes
befände; aber diese Hinweise kann ich bei einem ersten Bericht durchaus
verschmerzen. 


> Kein Sender wird Tierpornos ausstrahlen und Nazipropaganda machen. 

Das Internet ist nicht Rundfunk. Und es sollte sich schon lange
herumgesprochen haben, dass es ein Mythos ist, dass das Kinderzimmer von
klein Erna automatisch mit lauter Pornos und Nazis überflutet wird, wenn
sie den Computer einschaltet. Solche Angstmacherei bringt uns nicht
wirklich weiter.


> Warum also von Suchmaschinen
> verlangen, dass Tier- und Kinderporno Seiten angezeigt werden? Ist das
> nicht absurd?

Abgesehen davon, dass Suchmaschinen keine Inhalte anzeigen, sondern nur
Quellenangaben auf Suchanfragen liefern:
Welche Suchmaschine hat jemals Kinderpornos angezeigt? Und seien es nur
Links zu Kinderpornos?

Bitte nenne mir doch eine Suchmaschine, Suchwort und die entsprechende
URL, bei der das möglich ist. Ich habe bisher nichts derartiges finden
können. Also bitte nicht den Mythos von den überall herumlungernden
Kinderpornos aufwärmen.


In dem Zusammenhang möchte ich doch nochmal aus dem Protokoll des
Treffens in Hamburg mit den Suchmaschinen zitieren:


  "Insbesondere bei Suchanfragen aus dem (kinder-)pornographischen 
   und rechtsextremistischen Spektrum kommt es zu problematischen 
   Verknüpfungen zwischen Suchanfragen und angebotenen 
   'Dienstleistungen'. 
   Wenn z.B. nach 'Kinder ficken' gesucht wird, erscheinen 
   Werbebanner, die eine 'versandkostenfreie Zustellung' anpreisen 
   oder den Nutzer auffordern, es bei Beate-Uhse doch 'mal härter' 
   zu versuchen: 'Yellow out vermittelt Ihnen zu Kinder ficken die 
   Dienstleistungen, die Sie suchen.' Die Anleitung zum 
   'Kinder ficken' gibt es bei BOL, die Spiele zum 'Kinder ficken' 
   bei Toy's R Us und die zu fickende Kinder selbst werden bei 
   eBay versteigert."

Dieses Zitat zeigt nicht nur die völlige Merkbefreitheit des Autors,
sondern auch eine völlig oberflächliche Betrachtung der Fakten. Das Zitat
suggeriert Menschen mit wenig bis gar keiner Internet-Erfahrung, man
würde mit einer simplen Suchanfrage bei Suchmaschinen auf Kinderpornos
stoßen; und die Werbepartner der Suchmaschinen würden Kinderpornos
verkaufen. Wenn dem so wäre, dann wäre dies ein Fall für den
Staatsanwalt. Und auch Friedemann Schindler wäre ein Fall für den
Staatsanwalt, denn er würde sich damit wohl der Strafvereitelung (§ 258
StGB) schuldig machen.


Was schließen wir daraus? Computer sind dumm. Wenn man nach
"Hutzenwicht", nach "Krzlfpx" oder nach "Tötet Helmut Kohl" sucht, immer
kriegt man entsprechende Links angeboten, die nach dem gleichen
Suchstring bei BOL, eBay und anderen suchen. Ob und was dort gefunden
wird, ist das Problem der entsprechenden Seite. Aber nur daraus, dass ein
Computer dumm ist zu schließen, dass irgendetwas illegal ist, das ist
falsch.
Wenn Amazon aber "Best of Kinderficker" mit entsprechendem Bildmaterial
verkauft, dann ist als allererstes der entsprechende Staatsanwalt zu
informieren.


Die Aufgabe von Suchmaschinen ist meiner Ansicht nach, ein Verzeichnis
möglichst aller vorhandenen Informationen zu bilden. Sei es die
Bibliotheks-Suchmaschine, die Informationen über alle Bücher enthält,
oder eben die Web-Suchmaschine. 
 
 
> Zeitungen und Zeitschriften selektieren sehr viel differenzierter und
> veröffentlichen Artikel fast immer auf irgendeine Weise tendenziös.
> Keiner regt sich darüber auf, dass manche Verlage eher
> rechtskonservativ, andere liberal oder linksliberal sind. Und vor
> allem, dass keine zerstückelten Leichen auf der Titelseite abgebildet
> werden. Ist das auch Zensur?

Äpfel und Birnen! Zeitungen und Zeitschriften müssen natürlich auch mit
Online-Zeitungen und Online-Zeitschriften verglichen werden. Nicht mit
Suchmaschinen. Und ich habe noch nie eine Suchmaschine gefunden, die mir
auf der Startseite zerstückelte Leichen anzeigte. Du?


> Sie wollen auch
> nicht, dass auf dem ersten Suchergebnis zu „Gaskammern“ eine Hakenkreuz
> Abbildung prangt und womöglich ein Nazi-Song losdudelt.

Ich erwarte bei jeder Suche von einer Suchmaschine, also einer Maschine,
nicht einem redaktionell betreuten Katalog, dass sie mir relevante
Suchergebnisse liefert. Zu Gaskammern wäre das beispielsweise:

  http://www.wsg-hist.uni-linz.ac.at/Auschwitz/HTMLd/Gaskammern.html
  http://www.todesstrafe.de/inhalt/geschichte/gaskammer/
  http://www.h-ref.de/dk/vern/gaskammer/arbeitsb.shtml
<http://www.auschwitz-muzeum.oswiecim.pl/html/de/historia_KL/krematorium_
komora_1_ok.html>


Wenn bei einer Suchmaschine auf Platz 1 bei einer harmlosen Suchanfrage
"eine Hakenkreuz Abbildung prangt und womöglich ein Nazi-Song losdudelt",
dann macht sie etwas falsch. Technisch. Dies sollte dann auch technisch
behandelt werden.


Ja, und bei entsprechender Suchanfrage erwarte ich auch revisionistisches
Material. Es gibt viel mehr Gründe dafür als dagegen.
Oder willst Du etwa der Welt suggerieren, es gäbe kein revisionistisches
Material?

 
> Was ist dagegen zu sagen, wenn ein Betreiber sagt: „Den Schmutz will ich
> nicht haben“.

Wenn jemand nur eine Selektion des echten Internets haben will, dann soll
er eben einen redaktionell betreuten Katalog erstellen.


> Dazu kommt, dass Suchmaschinen ein finanzielles Interesse daran haben,

Ah, hier kommen wir zu dem Kernpunkt.

Woebei das für Suchmaschinen nur äußerst eingeschränkt gilt: das
Primär-Interesse ist, durch anständige Suchergebnisse Kunden zu gewinnen.
Oder irre ich?

Interessanter sind da die Medienkonzerne. Sie möchten das Netz in einen
sauberen Distributionskanal für ihre Produkte ummodeln. Da ist es
störend, wenn der Eindruck entsteht, dass das Internet voll ist mit
Schund und Schmutz. Nur ist das eben noch lange nicht alles. Denn genauso
ist den (Medien-) Konzernen keineswegs hilfreich, wenn es viele freie,
offene und abseits des Mainstreams schwimmende Inhalte im Netz gibt. Denn
dies sorgt ja nur dafür, dass sich mehr diesen Nischen zuwenden und immer
weniger sich für den Einheitsbrei der Großen interessieren. Ein
Internet-Nutzer der sich bei http://www.assoziations-blaster.de/ oder
telnet://uni.mud.de (http://uni.mud.de) aufhält, der kann nur schwerlich
gleichzeitig konsumieren. Und seien es nur Werbebanner.


Übrigens haben die Läden, die während der Nazi-Herrschaft "Für Juden kein
Zutritt" durchführten, auch nur daran orientiert, was zu ihrem
finanziellen Vorteil war ...



Die öffentliche Stimmung geht, geschürt durch entsprechende
Öffentlichkeitsarbeit von Konzernen wie Bertelsmann, in die Richtung, im
Internet gäbe es vor allem Schund und Schmutz, der einfach so auf einen
hineinprasselt. So verdreht Bertelsmann zum Beispiel Fakten, indem aus
13% von Lehrern, die sich Internet-*Kompetent* fühlen mit einmal
abgeleitet wird, dass 87% der Lehrer sich im Internet *unsicher* fühlen
würden. Vgl. http://odem.org/insert_coin/medien/at-bombe.html -- dort
fallen übrigens auch ein paar Sätze zu (D)einem besonders schaurigen
Suchmaschinen-Vergleich in Tomorrow ...


Hart ausgedrückt: Ist die Bevölkerung ersteinmal infiziert, lässt sich
sich leichter von so unsäglichen Machwerken wie dem "Leitfaden zur
Internetnutzung an Schulen"
http://www.internet-verantwortung.de/leitfaden.pdf beeinflussen.


Ein anderes Bertelsmann-Beispiel, nur am Rande:
Die Stadtbücherei Bochum hat von Bertelsmann Fördergelder erhalten, um
die Zentrale und die Zweigstellen umzugestalten; Bertelsmann (bzw. die
Stiftung) hat eigens auch Personal gestellt; in den Verträgen wurde
Bertelsmann das letzte Wort bei der Umstellung eingeräumt ...
Eine der Umstellungen war, dass Stadtteil-Bibliotheken zu
"Familien-Bibliotheken" umgestellt wurden. Das heisst: weg mit
politischen, gesellschaftlichen und ähnlichen Büchern, im Wesentlichen
wurde bzw. sollte auf seichte konsumorientierte Themen umgestellt werden.



Zu dem Kinder-Argument: Kinder haben nicht alleine und unbetreut vor dem
Computer und dem Internet zu sitzen. Zumindest nicht so lange sie nicht
geistig reif genug sind. Punkt.

Letztendlich geht es doch darum, dass wenn man sich als Jugendschützer
tarnt, inzwischen praktisch bestimmen kann, was die gesamte Bevölkerung
sehen bzw. lesen darf und was nicht. Man hat in einer zukünftigen
"Wissensgesellschaft" also die direkte Kontrolle über das Wissen einer
großen Zahl von Menschen.

Folglich geht es um Macht. Und Macht ist Geld.

Leider lassen sich immer mehr Menschen von den entsprechenden
Interessengruppen vor den Karren spannen. Das ist traurig.



> Alvar, ich würde gerne wissen, woher Du Deine Informationen hast und
> auch die Protokolle, von denen Du behauptest, dass sie Dir vorliegen.

Wieso sollte ich meine Quellen offen legen? Oder anders gesagt: nenne mir
einen oder mehrere gewichtige Gründe, die mich überzeugen, warum ich das
tun sollte ...



Zu den anderen Punkten möchte ich der Einfachheit halber noch aus einer
Mail von Lutz Donnerhacke zitieren, die soweit ich das mitgekriegt habe
nicht in die Suchfibel-Liste durchkam:


=== Lutz Donnerhacke Zitat ============================================

>Wenn jemand sich entscheidet, einen Artikel oder Beitrag oder Link nicht 
>zu bringen, dann ist das genau dasselbe, was alle Sender, Zeitungen, und
>Zeitschriften jeden Tag tun und hat nichts mit Zensur zu tun.

Nein. Kataloge und Indexe haben andere Pflichten. Vollständigkeit gehört
dazu.

>Die Information selber bleibt davon unberührt und wer Quellen studieren 
>will und kann, der soll das auch tun.

Wie bitte soll ich denn an die Quellen rankommen? Mit einer halbjährlichen
Suche über zufällig ausgewählte IP Bereiche? Meine Güte, dann baue ich mir
doch eine Suchmaschine daheim nochmal auf! Und warum? Weil irgendjemand in
seiner politisch korrekten Blindheit meint, er müsse mir den Blick auf die
Welt vorschreiben! Das kann es nicht sein.

>Es macht wenig Sinn, dann "Zensur" zu schreien, wenn die Quellenwahl des
>einen nicht mit der eines anderen übereinstimmt.

Es wird auf diese Weise praktisch unmöglich, überhaupt noch von Quellen zu
sprechen. Ich dachte eigentlich, daß das Zwangsguggen der Aktuellen Kamera
und das von Schnitzlersche Antennenabsägen gegen Ende der 80er Jahre
vorbei
gewesen sei. Scheint es aber nicht.

=== ENDE ZITAT ========================================================


Ciao
  Alvar


-- 
** Das neue Surfgefühl:   HTTP-Proxy: proxy.odem.org, Port 7007 
** Internet-Zensur?       http://www.odem.org/informationsfreiheit/
** Das freieste Medium?   http://www.odem.org/insert_coin/
** Blaster:               http://www.assoziations-blaster.de/



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