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Re: Stand der Dinge in Sachen Softwarepatente



> > > Aber warum hat sich denn der Gesetzgeber die Muehe gemacht, extra
> > > einen neuen Absatz (3) im Gesetz (§ 1 PatG) dafuer zu spendieren,
> > > wenn es "keine in sich geschlossene semantische Einheit ist und die
> > > spitzfindigen Definitionsdebatten daher gegenstandslos sind"?
> >
> > Er wollte der (in München 1973 durch Gezeter von FICPI und
> > UK-Delegation hochgespielten) Befürchtung vorbeugen, dass durch
> > formalistische Auslegung Gegenstände als Nicht-Erfindungen angesehen
> > werden, die eigentlich gar keine bloßen mathematischen Methoden,
> > Programme etc sind.
> >
> > S. dazu die Konferenzakte
> >
> >  http://swpat.ffii.org/papiere/muckonf73/
> >
> > Es handelte sich hier um den erlösenden Kompromissvorschlag der
> > deutschen Delegation, der alle glücklich machen sollte.
>
> Ein Formelkompromiss eben, dessen Bedeutung oder Nicht-Bedeutung
> keiner der Akteure richtig verstanden hatte. Die Bewaehrungsprobe
> fuer diese Formulierung kam ja auch erst Jahrzehnte spaeter, und
> jetzt merken wir, dass der Formelkompromiss nicht wirklich traegt.

Nein: eine Klarstellung gegenüber einem vorgebrachten Einwand angeblich
drohender Fehlauslegung.

> Das bedeutet aber nicht, dass wir heute einfach Art. 52 (3) EPÜ
> einfach ohme weiteres weglassen duerfen.

Die Klarstellung änderte damals nichts und kann auch heute nichts ändern,
es sei denn man will hinnehmen, dass der ganze Art 52 zu Begriffsschrott
wird.

> Man muss die Frage auf der
> politischen Ebene noch einmal aufrollen, und das war mit dem Versuch
> der Revision des Art. 52 EPC auf der ersten Diplomatischen Konferenz
> beabsichtigt.

Dort wurde versucht, das zu erreichen, was UK und FICPI schon 1973 nicht
durchsetzen konnten und dann sich über die EPA-Rechtsprechung teilweise
erschlichen haben.

> Die Gemengelage ist inzwischen ziemlich unuebersichtlich geworden:
>
> 1. ffii und EUROLINUX wollen im Grunde genommen nur in Ruhe gelassen
> werden: Niemand soll mit dem Patentrecht irgendwie auf den
> Softwaremarkt und ueberhaupt auf die Modalitaeten der
> Softwareerstellung und -distribution einwirken koennen. Das ist der
> Kern des Protestes von EUROLINUX.

Ja, wobei diese Position von noch weiteren Kreisen als den genannten
vertreten wird.

> 2. Merkwuerdigerweise versteift sich EUROLINUX nun aber darauf,
> dieses Ziel nicht nur in seiner Allgemeinheit politisch zu vertreten,
> sondern gibt auch Instrumente vor, mit denen das durchgesetzt werden
> soll: Eine Modifikation der materiellen Erfordernisse der
> Patentierbarkeit.

Nein, eine Durchsetzung des geltenden Rechts gegen die
Änderungs-Erschleicher.
Grrr, schon wieder diese Status-Quo-Rechthaberei.

> 3. Nachdem EUROLINUX einige einfachere Kochrezepte vorgeschlagen hat,
> musste man dort bemerken, dass man sich damit in die "Niederungen"
> des Patentrechtes begeben hat: Wer konkrete gesetzestechnische
> Vorstellungen hat, darf sich nicht wundern, dass er sich im Detail zu
> der Funktionsweise eben dieser Vorschlaege befragen lassen muss. Aber
> im Kern interessiert sich EUROLINUX ja gar nicht fuer Details wie
> "Technizitaet" etc. pp; das einzige, was diese Gruppe zusammenhaelt,
> ist die unter 1 angegebene Wirkungs-Forderung.

Nein, Eurolinux und Freunde haben sehr klare Aussagen zu diesen Begriffen
gemacht.  S. u.a.

	http://swpat.ffii.org/papiere/eubsa-swpat0202/appell/index.de.html

> 4. Im konkreten Fall haben zahlreiche Stellungnahmen, darunter auch
> das Lutterbeck-Gutachten, klargestellt, dass es kein einfaches Mittel

Die Rechtsstandpunkte des Lutterbeck-Gutachtens stammen von Axel Horns und
niemand anders.  Und klarstellen tun sie gar nichts.

> gibt, um auf der Seite der materiellen Patentierungsvoraussetzungen
> einen "sauberen Schnitt" machen zu koennen, der das oben unter 1
> genannte Ziel erreicht, ohne das Patentsystem als Ganzes in Frage zu

Das ist FUD der Marke Horns, sonst nichts.

Der von Eurolinux u.a. vorgeschlagene Schnitt führt zu einer Beseitigung
von 3-5% der derzeitigen EPA-Patente.  Nach (FUD-verdächtiger Einschätzung
des britischen Patentamtes sind es 15%.  Aber auch 15% stellen nicht das
Patentwesen als ganzes in Frage.

Andererseits stellt m.E. Horns mit seiner Behauptung, ein klarer Schnitt
sei nicht möglich, das Patentwesen als ganzes in Frage.  Ein System, das
nicht klar abgegrenzt werden kann, ist als ganzes untragbar.  Diese
Untragbarkeit des Patentwesens postulieren aber nur A. Horns und ganz
wenige andere nicht allzu seriöse Diskutanten.

> stellen (abgesehen von der im ganzen natuerlich sowieso umstrittenen
> Frage, ob die Forderung 1 unterstuetzenswert ist; die Mittel- und
> Grossunternehmen in der Branche haben da ja eine deutlich andere
> Optik als EUROLINUX). Eine ernstzunehmende fachliche Eroertrung
> dieser Beitraege findet bei EUROLINUX allenfalls in Ansaetzen statt,
> da man sich ja ueberwiegend nicht zu Patentexperten weiterbilden
> will, sondern eigentlich nur seine Ruhe beim Programmieren (siehe 1
> oben) einzufordern gedenkt. Entsprechend unproduktiv sind dann
> "bottom line" die daraus resultierenden Debatten.

> 5. Die primitivste Loesung fuer dieses Problem, auf das die EUROLINUX-
> Koalition wohl zurueckzugreifen gedenkt, besteht darin, im Zweifel
> einfach das gesamte Patentsystem zur Diposition zu stellen oder
> jedenfalls grosse Teile desselben, und z.B. de facto alle
> Erfindungen, die in irgeneiner Art und Weise mit
> informationstragenden Signalen in Zusammenhang stehen, vom
> Patentschutz auszunehmen, funktionale Merkmale in Patentanspruechen
> zu verbieten usw. usf.  Eine derartige Haltung stellt jedenfalls
> sicher, dass die Forderung unter 1 erfuellbar erscheint.

Purer FUD von Horns.
Man lese selbst den Eurolinux-Appell.
Er liest sich wie eine Abschrift aus dem Patentrechtslehrbuch von Kraßer
1986 und eine Sammlung von Binsenweisheiten, die jeder ordentlich in der
Lehre der Technischen Erfindung ausgebildeter Patentprüfer auswendig
kennt.

> 6. Auf diese Art und Weise entsteht zielgerichtet ein argumentatives
> Tohuwabohu auf mindestens drei Ebenen:

Das Tohuwabohu gibt es bei Axel Horns und einigen anderen
lernunwilligen Patentanwälten, karikiert in

	http://swpat.ffii.org/analyse/epue52/moses/

> (a) auf der Ebene des begrifflichen Verstaendnisses der politischen
> EUROLINUX-Forderungen (was konkret heisst "keine SWPAT", was steckt
> hinter dem Begriffspaar "SWPAT"./."CII" usw. usf.);

Für uns gibt es kein solches Begriffspaar.  Das sind typische von Horns
geschaffene Scheinprobleme.

> (b) auf der Ebene der konkreten EUROLINUX- Gesetzesvorschlaege
> (Diskussion von deren Bedeutung, beabsichtigte / hingenommene
> Nebenwirkungen usw.); und

Minderung der Zahl der Patente um 3-5%

> (c) auf der Ebene der Bewertung der "Kollateralschaeden" der diversen
> EUROLINUX-Vorschlaege (Das Patentrecht wird beschaedigt -na und? Wozu
> brauchen wir ueberhaupt ein Patentsystem? Markooekonomische Theorien
> usw. usf.).

Das Patentsystem wird nicht beschädigt sondern repariert.

Eine Minderheit von Patentanwälten, die sich auf Software spezialisiert
haben, arbeitet allerdings seit Jahrzehnten daran, das Patentwesen
nachhaltig zu beschädigen.  Hierzu gehört auch Axel Horns.

> Die Fragen auf jeder dieser Ebenen sind fuer sich genommen
> diskutabel, aber die extrem geringen juristischen Fachkenntnisse der
> breiten "Basis" der Proponenten der EUROLINUX-Forderungen ueber die
> Funktionsweise des Patentrechtes machen eine geordnete Diskussion
> sehr schwierig. Haeufig schmeckt eine Art von Stolz durch, eben von
> der verhassten Patentmaterie keine Ahnung zu haben.

Oder eine Art Arroganz derer, die ihr formaljuristisches Wissen verwenden,
um eine geordnete Diskussion zu erschweren.

> Fuer EUROLINUX ist das aber noch kein Problem; auch sich im Kreise
> drehende Nonsense-Diskussionen machen noch genuegend Publicity.
>
> Die Politik (Abgeordnete, Ministerialbeamte, CEC etc. pp.) stehen
> ratlos vor dieser geschaeftigen Nicht-Kommunikation und holen
> kopfschuettelnd heimlich ihren Wuerfelbecher heraus, um mangels
> tiefergehender Einsichten dann eben einfach auszuwuerfeln, ob sie den
> Argumenten der EUROLINUX-Lobby oder lieber denen der Mittel- und
> Grossbetriebe folgen sollen.

Den Argumenten der Softwarebranche oder denen der Patentbranche, wobei
letztere z.T. im Namen großer und mittlerer Unternehmen zu sprechen
in der Lage ist.

> Verstanden hat keiner nichts.
>
> Die Wahrscheinlichkeit, dass da was Vernuenftiges 'rauskommt, ist
> eher gering. Wahrscheinlich wieder ein politischer
> "Formelkompromiss", der an der Realitaet scheitern muss.

Das mag sein.
Es war schon immer sehr schwierig, in der gesetzgebenden Öffentlichkeit
Interesse für dieses Thema zu wecken.  Deshalb blieb es lange eine Domäne,
in der in wenigen Hinterzimmern Gesetze beschlossen, gebrochen und wieder
geändert wurden.  Vielleicht bleibt das auch noch weiterhin so.  Es liegt
an uns.

-- 
Hartmut Pilch, FFII e.V. und Eurolinux-Allianz            +49-89-12789608
Innovation vs Patentinflation                       http://swpat.ffii.org/
120000 Stimmen 400 Firmen gegen Logikpatente    http://www.noepatents.org/





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