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Erste Eindruecke aus Mailand, next try (fwd)



Fands gerade wieder auf einem alten Rechner und w/CCCCC:

---------- Forwarded message ----------
Date: Sat, 19 Jun 1999 17:38:07 +0200 (gmt)
From: Wau Holland <wau@ccc.de>
To: debate@fitug.de
Cc: mik@koma.free.de, postmaster@koma.free.de, wau@thur.de
Subject: Erste Eindruecke aus Mailand, next try


Aufgrund "frischer" Adresse hackmeeting.org wurde die Einsendung
von einigen Mailern abgelehnt, nun ein neuer Versuch.

Zeitungsbericht ueber das Meeting in Corriere dela Sera vom
19.6.99, bei www.rcs.it findbar, RAI/MTV.it u.a. wohl auch

---------- Forwarded message ----------
Date: Fri, 18 Jun 1999 22:30:52 +0200 (gmt)
From: utente <wau@norad.hackmeeting.org>
To: debate@fitug.de
Cc: mik@koma.free.de, wau@thur.de
Subject: Erste Eindruecke aus Mailand

"Wenn Du in Italien vor einer roten Ampel stehst, die gruen wird,
zaehle bis fuenf und fahre dann erst los --- aber dann pronto"
meinte ein Freund vor der Abreise. Das ist sinnvoll, denn bei ca. 
5 ist der bei ultradunkelgruen durchfahrende Querverkehr vorbei.

Ich bin mit der Bahn gekommen und war schon bei der Anreise
erstaunt, dass italienische Schaffner mehr Zeit an ihren Handys,
in Italien "cellular" genannt, verbringen als beim Kontrollieren
der Fahrkarten. Die italienische Cellularitis fuehrte zu mehr als
20 Millionen von diesen Geraeten. Fast jedes Kind hat eins am Ohr.
Angekommen in Milano Centrale wartete ich, abgeholt zu werden und
einer hatte drei Handys in der Hosentasche, waehrend sein Kumpel
mit einem weiteren telefonierte.

Abgeholt wurde ich von einem Motorrollerfahrer, der die Ampelphasen
erweiterte, indem er schon bei rot losfuhr, wenn kein Querverkehr
war. Ich habe meinen Motorradfuehrerschein gemacht, nachdem ich bei
den Pfadfindern lernte, dass man einen fahrenden Kaefer ueberholen
kann, indem man ueber ihn hinwegfaehrt. Man muss "nur" hinten an der
Stossstange des Kaefers den Lenker weit genug hochreissen und der
Rest geht von alleine, wenn man Gas gibt und gerade aus faehrt.

Ich bekam in Mailand auch einen eigenen Sturzhelm als Beifahrer,
aber der dortige Fahrstil in dichtem Innenstadtverkehr war mir neu.

Uebernachtet habe ich bei Freunden im Kinderbett, das fuer mich
ausreichend lang war. Am naechsten Morgen wurden erst noch, nach
einer weiteren Motorrollerfahrt, DV-Tapes gekauft und dann ging
es zur Edition ShaKe, einem Mailaender Hackerverlag.

Aus Mailand kenne ich einige seit ca. 1986, als DECODER, das Magazin
von ShaKE, mit mit ein Interview machte in Hamburg. Sie haben ca.
1996 eine italienische Version von Steven Levys Buch "Hackers"
herausgebracht und ueber 5000 davon verkauft. Ein Video mit Lee
Felsenstein ist in ihrem Sortiment sowie eine Diskussion ueber "Il
progretto GNU" mit Richard Stallman, den sie letztes Jahr nach Italien
eingeladen hatten. Interessant erscheint mir auch ihre italienische
Uebersetzung von Pierre Levy "L'intelligenza collettiva,
Per und'antropologia del cyberspazia."
Die vertreiben sie aber nur, sie ist bei Feltrinelli erschienen.
ShaKe ist kein Verlag, der viel Profit abwirft, sondern er wird
eher aus Interesse an der Sache gemacht.

In den Verlagsraeumen fiel mir gleich das Plakat "Discover
Cyberspace - From Psychedelics to Cybernetics" auf. Bei dieser
Veranstaltung in Hamburg, veranstaltet von Freibank und Electric
Chair, mit Tim Leary, waren ausser mir noch ein paar wenige andere
vom CCC zu Gast; auch das so ca. 1986. Bilder von Malcolm X und W.S.
Burroughs finden sich bei ShaKe auch. Weiter habe ich das Wort
"Analfabestia" dort heute morgen aufgesogen.  


Gefallen hat mir eine Skulptur im Verlag: eine Ritterinnenbueste
aus Metallteilen. Die Brueste waren Lampenabdeckungen aus Metall
und Glas, ein Arm aus Kabelbaeumen. Zwei weitere Kabelbaeume waren
auf dem Kopf verzwirbelt als zwei Hoerner. Auf die Frage, wer das
gemacht hat, erfuhr ich "Mutoid Waste Company". Die waren vor
etlichen Jahren in Italien bei einer grossen Strandparty mit dabei,
irgendwie hatten sie auch damit zu tun, dass ueber Nacht in Berlin
ein schrottreifes russisches Militaerflugzeug mitten in der
Innenstadt auf einem freien Platz mit der Schnauze gen Himmel
einbetoniert wurde und hinterher keiner wusste, wie so etwas
unbemerkt geschehen konnte mitten in der Zone, wo etliche Jahre
spaeter die hohe Politik angesiedelt werden sollte.

Meine Frage, ob die eine URL haetten, wurde verneint - Mutoid
Waste Company sei ein Stamm (tribe) und der sei eher telefonisch
erreichbar, wenn ueberhaupt.

Gegen Mittag ging es dann zum Sozialen Zentrum mitten in Mailand,
wo das Hackertreff http://www.ecn.org/hackit99/ vom 18. bis 20.6.
stattfindet. Am Eingang gab es Karten fuer Hacker (mit Urviech),
Camping (Zelt) und Presse (Stift), auf Selbstklebepapier.
Die Sticker der Crew waren in Plastik eingeschweisst.

Die Veranstaltung ist die zweite in Italien, hackit98 fand
letztes Jahr statt. Die Hackerszene in Italien ist nicht direkt
kriminalisiert wegen Hacking, aber durch die Verflochtenheit mit
der Hausbesetzerszene gibt es schon einige Probleme.
Hinzu kommen Bedaechtigkeiten von anderen.
So waren Vertreter der italienischen RedHat-Distribution geladen,
lehnten jedoch ab zu kommen, nachdem deren Website von Unbekannten
mit Webgraffitti verziert wurde.
Ich meinte, dass denen der Humor fehlt, wenn sie ihre Website
nicht dicht kriegen und auch die Website des CCC sei schon von
anderen Hackern gehackt worden.

Auf dem Treffen waren am heutigen Abend gut 200, evtl 300 Leute
anwesend. Das Gebaeude bietet deutlich mehr Platz als die Raeume
in Hamburg, wo der Chaos Communication Congress fuer mehr als ein
Dutzend Jahre stattfand. Hinter dem Haus ist Platz zum Zelten und
bis jetzt steht ein gutes Dutzend Zelte dort. Ich hatte schon eine
Reihe interessanter Gespraeche. Neben dem "ueblichen" Medienkram
wie MTV.it und Corriere de la Sierra war besonders interessant ein
Gespraech mit einer Spanierin, die sich auch bei GILC engagiert.

Ich habe hier einen Account an einem blauen Plastikeimer voll
Wasser, der an einen Computer zum Kuehlen angeschlossen ist und
auf der CPU sitzt ein Plexiglaswuerfel, an dem mit Heisskleber
zwei Schlaeuche befestigt sind, im Eimer haengt eine Pumpe fuer
ein Aquarium. Auch das ist eine Methode, um eine CPU ohne
Sicherheitsrisiken zu uebertakten und schneller zu arbeiten.

Das "Hackcenter" ist hier ueber etliche Raeume verteilt, es
sind derzeit irgendwie zwischen 50 und 100 Computer.

Heute fanden bereits einige Vortraege statt, nur der ueber
Quantenrechner fiel aus. Ein Referent meinte, im letzten Jahr
habe er nur ein paar, aber sehr interessierte Zuhoerer gehabt
und dieses Jahr waren es gut zwei Dutzend.

Das Vorab-Presseecho der Veranstaltung war recht interessant.
Mal sehen, was in den naechsten zwei Tagen geschieht.

wau


-- 
http://www.ecn.org/hackit99/ my current place
http://www4.iol.it/decoder/  Edition ShaKe




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