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Re: Loeschung aus dem debate-Archiv



On Mon, Sep 30, 2002 at 07:54:49PM +0200, Heiko Recktenwald wrote:
> > Was zur Folge hat, dass jeder hier ein eigenes komplettes Archiv fuehren
> > muesste - zum kotzen, das ist nicht im Sinne der Erfindung. Ein
> > zentrales Archiv...
> 
> Du darfst aber nicht vergessen, dass es in erster Linie um die Freiheit
> des Autors geht.
> 
> Wundere mich, wie hier Technik ueber die Freiheit des Einzelnen gestellt
> wird. Wenn erst nicht will, dann muss man das akzeptieren.

Freiheit ist ein Recht, welches keinen Anspruch begruendet, wenn
Dritte (hier die Besitzer einer Mailingliste) involviert sind.

Der Autor hat die Freiheit, auf einer Mailingliste zu posten oder
es zu aber lassen, wenn ihm die dortigen Bedingungen
(Veroeffentlichung, Archivierung, etc.) nicht passen. Mit der
Veroeffentlichung auf einer solchen Mailingliste hat er bereits
von seinem Recht der freien Rede auf dem oeffentlichen
Marktplatz Gebrauch gemacht. Wenn auf dem Marktplatz Mikrophone
oder Kameras stehen, dann soll er gefaelligst das Maul halten, 
wenn es ihm nicht gefaellt, dass sie seine Rede aufzeichnen
<einschub>es kommt noch hinzu: es mag einem ja schon mal 
irgendwelcher Unsinn ueber die Lippen kommen, den man 
hinterher bereut - dies kann aber beim Posten, d.h. 
Schreiben formell nicht passieren, weil durch das Ausformulieren 
des Gedankenganges in schriftlichen, zusammenhaengenden Saetzen 
eine deutlich laengere Zeit fuer einen Denkprozess zur Verfuegung 
steht - eine Affekthandlung waere damit etwa nicht anzunehmen.
Schriftliche Beleidigung in einem Posting waere damit etwa
Vorsatz</einschub>.

Mit dem Posten hat er konkludent den dortigen Benutzerregeln
zugestimmt. Es wird ja keiner gezwungen, seinen Senf an so eine
Mailingliste zu schicken (ebensowenig wie einen Leserbrief an
eine Zeitung). Das Recht, seine Aussage zurueckzuziehen, hat man
im taeglichen Leben auch nicht (von etwa Beleidigungsaeusserungen
und resultierenden -klagen sollen gerade Juristen gar nicht mal
so schlecht leben...).

Und es ist auch nicht so, dass jetzt erst ploetzlich die Rede
von Archivierung oder Zugaenglichmachung einer -unbekannten-
Benutzergruppe ist.

Wer ist denn alles auf debate? - das koennte ja durchaus die gesammte 
Internet-Community sein; dass das in der Realitaet nicht der Fall ist,
bedeutet, dass Du Dich gerade auf technische Unzulaenglichkeiten
(d.h. Unmoeglichkeit, alle User anzuschreiben) berufst, die Du oben
als Gegenargument heranziehen willst. Konsequenterweise erreicht
andererseits auch ein Archiv, selbst wenn vergooglet, nicht *alle*
Internet-Nutzer. 

Eine offene (i.S. von "jeder kann subscriben") Mailingliste ist 
"offen"; wer dorthin postet, muss sich im Klaren sein, dass er 
damit auch Leute erreichen kann, von denen er es gerade
nicht wuenscht. Insofern ist eine Veroeffentlichung in einer
Mailingliste exakt dasselbe wie das Nageln desselben Textes
auf eine Webseite: allerdings, bei einem eigenen Web-Blackboard
kann man den Zettel jederzeit selbst wieder entfernen. Die
Mailingliste gehoert aber nicht den Postern, sondern den Listownern.
Sie ist aber auch kein "geliehener" Platz fuer eigene Veroeffent-
lichungen mit vollem Recht des Zurueckziehens der Veroeffentlichung
bei Bedarf (das ist kein Webspace, fuer den man 9,99 Fragezeichen
pro Monat loehnt und damit ein Recht erwirbt, Inhalte abzulegen).

Dennoch liegt eine Vereinbarung vor:
1. Der Listowner sagt: "was Du mir schickst, wird in bestimmter
   Weise an Dritte weitergegeben"; ueblicherweise ist der Kreis
   der Dritten bei einer offenen Mailingliste weder bekannt noch
   beschraenkt; genausowenig wie weitere Verwertungsrechte
   typischerweise eingeschraenkt sind.
2. Der Autor sagt: "ich schicke Dir was", und damit willigt er
   ein, dass das "was" an Dritte weitergegeben werden kann und
   auch weiter verwertet werden kann.

Er haette ja auch sagen koennen: "ich schicke Dir nichts".

Das Urheberrecht, wie auch das Patentrecht, krankt, wie man immer mehr 
feststellt, an dem Spagat zwischen "diese Idee gehoert mir" und "diese
Idee ist (ver-)oeffentlich(-t)". Das Rechtswesen hat sich IMHO bislang
nicht vom materiellen Denken ("Das ist ein Gegenstand, dem bijektiv
eindeutig Ort, Zeit, Besitzer zuzuordnen ist") geloest. Die Versuche,
das auf immaterielle Entitaeten zu erweitern, sind allesamt Kruecken
(etwa "Stromdiebstahl" - welche Elektronen habe ich denn geklaut; ich
habe sie doch alle zurueckgegeben? oder "Raubkopieren" - hat denn
der Besitzer oder Rechteinhaber noch die Musik oder nicht, und
klaue ich sie nicht ebenso, wenn ich sie mit meinen Ohren anhoere?).

Holger

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