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Re:  [FYI] MONITOR:Datenschützer bezeichnen CDU-Wahlkampfmethoden als "illegal"





Alvar Freude schrieb:

>
>
> >>   - Darf ein wirtschaftliches Unternehmen mein Einkommen, das Auto
> >>     das ich fahre, die Partei die ich wähle usw. auswerten und
> >>     speichern?
> >
> > Es gibt ausreichend "freie" Kategorien, die man für Zwecke des
> > Direktmarketings wie Farben einer Palette zu allen möglichen
> > Kundenpräferenzen mischen kann.
>
> meines Wissens -- korrigiere mich wenn ich falsch liege -- darf trotzdem
> ohne Zustimmung nicht z.B. das Einkommen gespeichert werden.
>

Ich sage das ohne Ironie und ehrlich mit allem Respekt: das ist Halbwissen.
Ich selbst bestehe aus Halbwissen - abgesehen von ein paar echten
Expertisen. Das Problem ist in der Informationsgesellschaft nur, daß jeder
meint, echte Zusammenhänge kennt sowieso niemand, also komme ich mit meinem
Halbwissen und verallgemeinere es. Aber dann entscheidet der Zufall, wer
zuerst mit seinem Halbwissen kommt und es verallgemeinert. Das ist im Recht
ganz besonders so. Wenn ein Verbraucherschützer meint:"Das Internet ist kein
verbraucherschutzrechtsfreier Raum!" und entsprechende - einseitige -
Anforderungen an die Strukturen und Akteure des Internet stellt, dann kommt
vielleicht gleich danach - oder gleichzeitig oder vor dem
Verbraucherschützer oder nach dem Datenschützer oder welchem Spezialisten
auch immer - der Strafrechtler und sagt:"Das Internet ist kein
strafrechtsfreier Raum!" und ... genau. Wenn das Recht das Internet
gestalten will, dann kann es das nur abgestimmt, dh unter Berücksichtigung
aller Rechtsgebiete und deren Logik und Interdependenz.

Du hast Dich speziell auf das Datenschutzrecht bezogen. Hier wird weiter zu
problematisieren sein, daß auch innerhalb eines Rechtsgebietes (hier:
Datenschutzrecht) unterschiedliche Präferenzen der Menschen bestehen. Wenn
Du nicht willst, daß Dein Einkommen öffentliches Wissen oder privates Wissen
anderer wird - und auch hier sind eben auch noch differenzierte Präferenzen
möglich -, muß man fragen, welchen Wert der Gesetzgeber dieser Deiner
Präferenz zuweisen soll. Das ist nicht zuletzt eine Frage der
Gesellschaftsordnung, in der wir leben, und des Menschenbildes. Diesen
beiden grundsätzlichen Fragen kann man nur dann ausweichen, wenn man die
Hypothese aufstellt und halten kann, daß sowieso alles anonym sein sollte.
Diese Hypothese der VOLLSTÄNDIGEN Anonymität ist unhaltbar, aber
Grundprämisse des deutschen und europäische Datenschutzrechts. Diese
Prämisse wird durch viele, viele Ausnahmen selbst zur Ausnahme gemacht. Das
Ergebnis ist, daß im Datenschutzrecht die Systematik und Abstimmung fehlen,
also genau der Zustand, der auch sonst im gegenwärtigen "Internetrecht"
fehlt, s.o.

Um das zu illustrieren: Du kannst nicht durch die Londoner Innenstadt gehen,
ohne 500mal photographiert oder gefilmt zu werden; in Deutschland geben
Postboten ihre Eindrücke ("heruntergekommen", "wohlhabend", etc.) von den
Wohnungen, an die sie zustellen, an Direktmarketingunternehmen weiter;
etcetc.

Meine bottom line ist diese: es ist in jedem Fall gerechtfertigt, für sich
Privatheit zu verlangen. Die Frage ist nur, welche anderen gerechtfertigten
Ansprüche dem gegenüberstehen und welche Gesellschaftsordnung und welches
Menschenbild dem Gesetzgeber bei dieser Abwägung und Abgrenzung eine
Orientierung bieten - oder ob der Gesetzgeber selbst keine Orientierung hat
oder an andere delegiert, die ihrerseits keine Orientierung an
Gesellschaftsordnung oder Menschenbild haben.

Und die Gesellschaftsordnung ist hier sehr klar, denn laut GG wirken die
Parteien an der politischen Willensbildung mit. Tun sie das durch
Direktmarketing? Natürlich. Ist eine solche Mitwirkung an der politischen
Willensbildung erforderlich? Angesichts des Schadens, den Schröder
angestellt hat und noch anstellen wird: leider. Widerspricht es dem
Menschenbild, einzelnen Menschen eine verantwortliche politische
Entscheidung zu ermöglichen? Wohl kaum.

Gegen eine Meinungsdiktatur sowjetischen Stils und ein "Mundtotmachen" im
wörtlichen Sinn scheint hier übrigens niemand etwas zu haben.




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