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Fwd: [DAVID] TELEPOLIS: Nordkorea, Iran, Deutschland
Eine Reaktion, wie man sie leider erwarten musste. Schade eigentlich.
Quelle: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/14511/1.html
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Date: Wednesday, April 2, 2003, 12:31:32 AM
Subject: [DAVID] TELEPOLIS: Nordkorea, Iran, Deutschland
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Nordkorea, Iran, Deutschland
Stefan Krempl 02.04.2003
Das Bundespräsidialamt weist in einem Schreiben an Telepolis alle
Vorwürfe weit von sich, mit der Unterstützung der rheinischen
Websperren einem Zensurstaat in die Hände zu arbeiten
Dr. Manfred Fischer hat keinen leichten Job: Ihm obliegt es, die vielen
Briefe und Zuschriften so gut wie möglich zu beantworten, die bei
unserem Bundespräsidenten Johannes Rau täglich ins Schloss flattern.
Dabei muss er sich etwa mit auf die Verfassung pochenden
"Kanzlerwanderern" [1] oder den Befürwortern echter
Vielsprachigkeit [2] der Homepage des ranghöchsten Politikers
Deutschlands herumplagen. Seit einem knappen Monat kommen nun auch noch
Netzbürger dazu, die sich über den Fortbestand der Informationsfreiheit
im kommenden "Deutschland-Net" sorgen. Für sie hat die wandelnde
Schnittstelle des Bundespräsidenten nun einige beruhigende Worte.
"Erschrocken und enttäuscht" hatten Zensurgegner Mitte März eine
Stellungnahme [3] Raus zu den von der Bezirksregierung Düsseldorf
angeordneten [4], heftig umstrittenen [5] Websperrungen in
Nordrhein-Westfalen aufgenommen. Derartige Maßnahmen würden "die
Demokratie beschädigen", schrieb sich der Informatiker Volker Birk in
einem Offenen Brief [6] den Ärger von der Seele.
Die Heranziehung der Internet-Zugangsprovider, die letztlich nur Daten
übertragen würden, zur Bekämpfung rechtsextremer Inhalte sei eine
"verfassungsrechtlich mehr als bedenkliche Beschränkung der
Informationsfreiheit der Bürger." Sie stelle Deutschland in eine Reihe
mit ebenso verfahrenden, nicht gerade für ihr starkes
Demokratieverständnis bekannte Staaten wie Iran, China, Nordkorea und
weitere "alte Bekannte". Es könne nicht angehen, dass eine
Regionalbehörde den Nutzern vorschreiben könne, was diese im Internet
sehen dürften und was nicht.
Just am 1. April ereilte Telepolis, das den Streit um die technisch
wenig sinnvollen Webblockaden ( Netzsperre für Fritzchen Doof [7]) seit
langem kritisch verfolgt, nun eine ebenso offene Antwort des
Bundespräsidialamts auf die Beschwerdebriefe aufgesetzt ( Brief des
Bundespräsidialamts [8]).
Mit dem Schreiben will Raus PR-Mann Fischer die "Auffassung des Herrn
Bundespräsidenten" zum Thema Sperrung rechtsextremer Seiten
"niederlegen". Angesichts des hochgesteckten Ziels ist es allerdings
misslich, dass in dem "Verteidigungsbrief" allein die bereits in
zahlreichen Pressemitteilungen und Klageschriften wiedergegebenen
Auffassungen des Düsseldorfer Regierungspräsidenten und
nordrhein-westfälischen Medienwächters Jürgen Büssow (SPD)
wiedergegeben werden. Eine eigenständige Meinung und eine ernsthafte
Auseinandersetzung mit den potenziellen und von Kritikern bereits in
allen multimedialen Formen ausgebreiteten Folgen [9] der heutigen
Websperrungen fehlt völlig.
Es könne "keine Rede davon sein, dass mit dem Vorgehen der
Bezirksregierung Düsseldorf Zensur-Zustände wie in Nordkorea oder Iran
eingeführt werden sollen", heißt es in dem Brief beispielsweise. Das
zeige sich schon darin, dass die Bezirksregierung zunächst alles
versucht habe, "die Provider zu einer nachhaltigen freiwilligen
Verbesserung der angebotenen Inhalte zu bewegen."
Das ist die gängige Argumentationsschiene Büssows. Sie lässt allerdings
vollkommen offen, ob die Zugangsanbieter hierzulande oder die
eigentlichen Inhalteanbieter und Host-Firmen jenseits des Atlantiks
"nachhaltig" bearbeitet worden sein sollen. Nur letzteres wird von
Experten als erfolgsversprechend angesehen, da sonst auch bald
Briefträger und Telefonfirmen für die von ihnen übermittelten
Kommunikationsformen zur Rechenschaft gezogen würden. Doch über den
Kampf Büssows gegen Neonazi-Strukturen in den USA oder Kanada, wo ein
weiteres Verständnis von Meinungsfreiheit herrscht als hierzulande, ist
bislang nichts dokumentiert.
Statt sich mit den Ursachen des Rechtsextremismus auseinanderzusetzen
und das Übel an der Wurzel zu packen, verweist auch der Schreiber des
Bundespräsidenten lieber schlicht darauf, dass die vom Grundgesetz
garantierte Informationsfreiheit hierzulande keineswegs schrankenlos
sei und der Staat daher einzuschreiten habe. Die "großen
Internet-Anbieter" - erneut stellt sich die Frage, ob damit nun die
Access- oder die Content-Provider gemeint sein sollen - müssten etwas
gegen den Missbrauch des Netzes tun. "Selbstdisziplinierung", so
Fischers Formulierung, sei nötig.
Derlei Hinweise landen aber nur bei den Inhalte-Anbietern an der
richtigen Adresse. Die von den Büssowschen Sperrungsverfügungen
betroffenen Zugangsanbieter sehen sich dagegen in internationalen
Selbstregulierungsgremien schon nach Kräften engagiert und als die
falschen Ansprechpartner in reinen Inhaltsfragen.
Sackgasse
Das Schreiben aus dem Hause Raus belegt damit einmal mehr, dass die
Debatte um Website-Sperrungen in einer Sackgasse angelangt ist und
beide Seiten seit über einem Jahr mit den immer gleichen, höchstens
variierten Argumenten aneinander gnadenlos vorbei reden. Die Äußerungen
von Rechtsexperten [10], Konferenzen und Gegenkonferenzen [11],
Demos [12] und Bundestagsdebatten [13] haben bisher nicht einmal dazu
geführt, dass die beiden Seiten über das Thema in eine "geglückte", von
rein sachlichem Verständnis geprägte Kommunikation eingestiegen sind.
Ganz zu schweigen davon, dass sich eine von beiden Seiten getragene
Einigung abzeichnen würde. Stattdessen bieten die unzähligen in dem
Rechtsstreit bislang abgesonderten Stellungnahmen eine Fundgrube für
Psychologen für Forschungen im Bereich pathologischer Kommunikation.
Ginge es nur um die zwei einzelnen Nazi-Seiten, die nach einer
taktischen Streichung der mit teilweise unappetitlichen Bildern
aufwartenden Seite rotten.com von Büssows erster Schwarzen Liste übrig
geblieben sind, hätte das ganze Hin und Her längst schizophrene Züge
angenommen. Vertreter der für eine weit gehende Informationsfreiheit
eintretenden Nutzerfraktion haben jedoch bereits ausführlich dargelegt,
dass es dabei nicht bleiben wird.
Imageschäden für den Internet-Standort Deutschlands sind jedenfalls
schon heute zu verzeichnen: So schneidet die Bundesrepublik etwa im
aktuellen Netz-Monitor [14] des World Economic Forums bei den Punkten
Netzregulierung und Informationsfreiheit ähnlich schlecht ab wie China
oder Singapur. Chinas Netz-Zensoren verweisen sogar inzwischen auf die
längst "fortschrittlicheren" Vorbilder im tiefen Westen.
Der Fall Büssow ist damit zu wichtig, um ihn allein Richtern zu
überlassen, die im Zweifelsfall - genauso wie Raus
Öffentlichkeitsarbeiter - nur auf das gute "Briefing" der Düsseldorfer
Bezirksregierung zurückgreifen ( 1:0 für Büssow ? [15]). Die Nutzer
selbst sind weiter gefragt, sich in den Streit mit ihren Briefen,
Forumsbeiträgen und anderen Aktionen einzubringen. Die "Antwort" aus
dem Bundespräsidialamt beweist hier zumindest, dass die Stimmen
wahrgenommen werden. Und auch den eher auf Bundes- als auf Landesebene
zu findenden "Netzpolitikern" bleibt wenig anderes übrig, als bei ihren
Kollegen und Genossen weiter Aufklärungsarbeit rund um ein globales
Kommunikationsmedium zu betreiben.
Links
[1] http://www.bfed.de/bfed/bfedprog.htm
[2] http://www.weisse-liga.de/07texte/Der%20Bundespraesident.html
[3] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-10.03.03-004/
[4] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-08.02.02-011/
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/konf/13273/1.html
[6] http://www.fitug.de/debate/0303/msg00110.html
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11175/1.html
[8] http://www.heise.de/tp/webseite/Brief.pdf
[9] http://www.heise.de/ct/aktuell/data/jk-28.01.03-010/
[10] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11864/1.html
[11] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/konf/13273/1.html
[12] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/12262/1.html
[13] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-14.06.02-012
[14] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-19.02.03-006
[15] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/14452/1.html
Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/14511/1.html
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