Oliver Gassner schrieb am Tue, 22 Apr 2003 21:47:30 +0200: > >On Tue, 22 Apr 2003 21:22:00 +0200, Holger Voss <hvoss@muenster.de> >wrote: >> >>[...] > >D.h. Du findest es also auch falsch 'einfach' dei in einem Spam >beworbene Firma zu bestrafen stattd es aussenders? Natürlich soll niemand für etwas bestraft werden, das er/sie nicht (mit-)verursacht hat. >Und Du bist dafür, dass bestehende Möglichkeiten, den aussender zu >lokalisieren nicht abgeschafft werden? Wo steht das? Ich habe mich (zumindest war das meine Absicht) gar nicht dazu geäußert, wie Spam sinnvoll bekämpft werden kann. Ich habe allerdings festgestellt, dass beim juristischen Vorgehen gegen Spam a) längst nicht alle vorhandenen Daten verwendet werden und b) verdachtsunabhängige Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten meiner Einschätzung nach wenig Hilfe gegen Spam-Mails bietet. >Oder hast Du ein Modell, wie das _ohne_ IP-/Dialin-Logs gehen soll? Vorweg (s. o.): Ich kümmere mich gerade um Datenschutz und die (imho wichtige) Möglichkeit von anonymer/pseudonymer Kommunikation. Spam ist nicht mein primäres Thema. Ich habe weder Modelle, wie Spam-Bekämpfung mit den umstrittenen Logs funktioniert, noch Modelle, wie Spam-Bekämpfung ohne die umstrittenen Logs funktioniert. Aber 'ne Gegenfrage: Derzeit (also obwohl zumindest T-Online noch protokolliert) kriegst Du doch nach eigener Aussage massenhaft unerwünschte Spam-E-Mails. Warum kannst Du gegen die Verantwortlichen nicht erfolgreich vorgehen? Verschicken die alle ihre E-Mails über Dialin-Connections bei ISPs, die nicht mitprotokollieren? Welche Protokollierung wäre für Dein Interesse (effektive Spam-Bekämpfung) nötig? Wie wäre diese Protokollierung mit anderen Interessen (Möglichkeit von Anonymität/Pseudonymität, Datenschutz, Recht auf Privatsphäre, Fernmeldegeheimnis usw.) vereinbar? >>Ob wegen des Verdachts auf Versenden von Spam tatsächlich der >>richterliche Beschluss ergehen soll, sämtliche Internetverbindungen >>eines Unternehmens auf entsprechende Mails zu untersuchen, ist mir >>zumindest zweifelhaft. Natürlich lassen sich MitarbeiterInnen des > >Das ist ja nicht nötig, wenn man Zeit und IP des Absenders hat. Bei dynamisch vergebenen IPs müssten dazu sehr weitreichend Grund- bzw. Menschenrechte ausgehebelt werden: Insbesondere die Unschuldsvermutung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (das sich laut BVG direkt aus der Würde des Menschen, Art. 1 GG ableitet, wenn ich das Volkszählungsurteil richtig im Kopf habe). Du befürwortest sehr massive Einschnitte in Rechte, die Menschen hierzulande (zumindest in der Theorie) gegenüber dem Staat haben. Wegen ein bisschen Wettbewerbsrecht willst Du ein grundlegendes Persönlichkeitsrecht einschränken, das ansonsten nur bei schweren Straftaten und in wenigen, einzeln geprüften Verdachtsfällen eingeschränkt werden darf. >> Mir persönlich erschiene das als "mit Kanonen auf Spatzen >schießen":>völlig unverhältnismäßig. Aber noch unverhältnismäßiger >fände ich, ohne>begründeten Anfangsverdacht Kommunikationsdaten zu >protokollieren. > >Auch nicht für 50-100 Stunden? Ist das ein Bestechungsversuch? Abgelehnt. >Bei Nicht-Flachratten muss man es ja eh. Nein. Auch bei Menschen ohne Flatrate ist es weder zur Aufrechterhaltung des Dienstes noch für Abrechnungszwecke nötig, die jeweils vergebene IP-Adresse mitzuprotokollieren. Anders als bei Flatrate-Nutzung ist es bei zeitabhängigen Tarifen für Abrechnungszwecke allerdings nötig, Verbindungszeiten in diesem Rahmen aufzuzeichnen. >> Sagen wir: die 0190-Sex-Rufnummer, die ja offenbar mit einem >>BRD-Unternehmen (Telekom) abgerechnet werden kann. (Über skandalös >viele>Untervermieter, aber dieses System abzuschaffen würde ich >durchaus>begrüßen.) >> Oder die us-amerikanische Online-Apotheke, von der ich eine >>Bankverbindung habe? > >Egal. Wenn jeder in seinem Garten = Land kehrt ist das *mehr* als >ausreichend. (Naja, ausser in Liechtenstein oder so ;) ) In meinem ersten Beispiel geht es um eine in der BRD registrierte (+49) und über die BRD abgerechnete (Telekom) 0190-Nummer. Warum verweist Du auf andere Staaten? Im übrigen hilft es natürlich nicht, zu erwarten, dass alle Staaten ein Wettbewerbsrecht in Deinem Sinne a) einführen, b) durchsetzen und c) ggf. international Rechshilfe leisten. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass dieser Fall bald eintritt. Solche Unterschiedlichkeit in den Gesetzen ist wesentlicher Bestandteil des Internet seit seiner Existenz und voraussichtlich noch sehr lange. Und so lange das Internet nicht durch ein Germany-LawAndOrder-Net ersetzt wird, wirst Du auch Mails aus Regionen bekommen, in denen weniger gegen Spam vorgegangen wird. >>>Bist Du argumenationsresistent oder tust Du nur so? >> >>Hervorragendes Argument! Unwiderlegbar und bewundernswert! > >Nein, das war ne Frage. Es war keine ergebnisoffene Frage. Und jetzt komme mal von Deinem hohen Ross herunter. Ok? >IP-Protokollierung ist Dener Ansicht nach nicht schön, weil man >dadurech in so unangenehme Situiationen kommen kann wie Du. Falsch. Ich wäre - da ich mit Realname unterschrieben hatte - vermutlich auch sonst in die gleiche Situation gekommen. Ich bin gegen die Speicherung unnötiger Kommunikationsdaten, weil das meines Erachtens einen Dammbruch gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und zugunsten einer sehr weitgehenden staatlichen Überwachung bedeuten würde. >Das ist sicher unschön. dennoch fidne ich, dass jeder das verantworten >muss, was er im Netz tut. Heisst "jeder", dass auch die KommunistInnen, SozialdemokratInnen, AnarchistInnen, ChristInnen und JüdInnen, die im Nationalsozialismus wegen ihrer Weltanschauung ermordet wurden, Deiner Meinung nach Ihre Kommunikation hätten vertreten müssen? Ich denke, jedeR muss vor sich selbst verantworten, was er/sie tut. Aber es ist sehr, sehr wichtig, dass Möglichkeiten bleiben, etwas gegen den Willen der jeweils herrschenden Autoritäten (Staat, Kirche usw.) zu tun, ohne dafür bestraft zu werden. Wer Kommunist oder Kommunistin war - gerne auch freiheitsliebend und anti-stalinistisch -, musste in "Demokratien" wie den USA oder der BRD damit rechnen, den Beruf und damit die wirtschaftliche Existenz zu verlieren. Deshalb war und ist es zu begrüßen, dass es auch in solchen Staaten Vermummung, Untergrundzeitschriften usw. gab und gibt. Wer sich gegen eine ausbeuterische Globalisierung engagiert hat, muss in der BRD damit rechnen, an einer Reise - auch in andere EU-Staaten - gehindert zu werden. (Ja, auch, wenn er/sie dabei nie eine Straftat begangen hat.) Auch kurzfristige Freiheitsberaubungen (maximal 48 Stunden - dann sollte die HaftrichterIn eine Freilassung anordnen) sind erlaubt und kommen vor, wenn Leute in entsprechenden Datenbanken eingeordnet sind. Telefone werden ohne brauchbare Kontrolle abgehört (vgl. etwa http://www.kontraste.de/0301/manuskripte/txt_telefon.html), mit dem §129a StGB werden massenhaft Grundrechte ausgehebelt, obwohl es fast nie zur Verurteilungen kommt - das Gesetz dient primär der Schaffung von Schnüffelmöglichkeiten. Niemand sollte vor einem Staat - sei es Hitler-Deutschland, Stalin-UdSSR, Hussein-Irak, Bush-USA, Berlusconi-Italien oder KohlSchröder-BRD - alles verantworten müssen, was er/sie tut. Es ist essistenziell wichtig, dass (System-)Opposition arbeiten kann, ohne sich permanent mit den Folgen von Repression zu beschäftigen. Das hat im Grundsatz auch "der Gesetzgeber" der BRD erkannt. Deshalb gibt es im Datenschutzgesetz den Grundsatz, Anbieter von Telediensten sollten (wenn vom Aufwand her verhältnismäßig und möglich) eine anonyme / pseudonyme Nutzung von Telediensten ermöglichen und die KundInnen darüber auch informieren (§ 4 Abs. 6 TDDSG, § 3a BDSG). Du forderst, alle sollten sich für ihr Tun im Netz verantworten. Damit forderst Du unverblümt einen Überwachungsstaat. Wenn Du bei dieser Meinung bleiben solltest, hätten wir damit wohl keine Diskussionsgrundlage mehr. Holger
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