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[FYI] (forw) BigBrotherAward für die Bayer AG auf der Aktionärshauptversammlung



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From: "padeluun c/o FoeBuD e.V." <mail@foebud.org>
Subject: BigBrotherAward für die Bayer AG auf der Aktionärshauptversammlung
Organization: Art d'Ameublement + FoeBuD e.V.
Date: Thu, 24 Apr 2003 23:58:40 +0200
Message-ID: <1854523893.20030424235840@bionic.zerberus.de>
To: bba-text@ml.foebud.org

BigBrotherAward für die Bayer AG auf der Aktionärshauptversammlung

Pinkelprobe für Auszubildende bringt Datenschutz-Negativpreis

 Im  Oktober  2002 wurde der Bayer AG der deutsche BigBrotherAward der
 Kategorie   "Arbeitswelt"   zuerkannt  für  die  demütigende  Praxis,
 Auszubildende vor der Einstellung einem sogenannten "Drogenscreening"
 zu  unterziehen.  Diese  Urintests  sind nicht nur fehleranfällig und
 unzweckmäßig,  sondern auch entwürdigend und ein schwerer Eingriff in
 die Privatsphäre der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

 Mit den BigBrotherAwards werden jedes Jahr die Firmen, Organisationen
 und   Personen   "ausgezeichnet",   die   in   besonderer  Weise  die
 Privatsphäre von Menschen verletzen. BigBrotherAwards gibt es bereits
 in  14  Ländern;  sie  wurden  ins  Leben gerufen, um die öffentliche
 Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz zu fördern.

 Die  Bayer AG hat es - anders als andere BigBrotherAward-Kandidaten -
 nicht  für nötig gehalten, zur Preisverleihung zu erscheinen und sich
 der  Diskussion  zu  stellen.  Auf Einladung der Kritischen Aktionäre
 wird  der  Geschäftsleitung  von  Bayer  der  BigBrotherAward  nun am
 Freitag,  25.4.2003 auf der diesjährigen Aktionärsversammlung in Köln
 überreicht.

  Begründung der Jury:

Die  Bayer  AG  zwingt  Bewerberinnen und Bewerber, die im Unternehmen
eine  Ausbildung  machen wollen, zu einem Drogentest. Dafür müssen die
Betroffenen  eine  Urin-Probe  abgeben.  Formal haben sie die Wahl und
könnten  den  Drogentest  auch  ablehnen  -  faktisch  kann  hier  von
"freiwilliger  Zustimmung" keine Rede sein. Denn allen Beteiligten ist
klar:  wer  den  Drogentest  verweigert,  hat schlechte Karten bei der
Vergabe der Ausbildungsplätze.

Die  Schweigepflicht  der  - wohlgemerkt - "Werks- oder Betriebsärzte"
ist zwar offiziell gewährleistet, denn die Details der Test-Ergebnisse
dürfen  der Firmenleitung nicht mitgeteilt werden. Stattdessen gibt es
den  Vermerk "Bewerber/in geeignet" oder "nicht geeignet". Ein Etikett
mit weitreichenden Folgen auf wackeliger Grundlage.

Als   Begründung  für  die  Drogentests  wird  die  Arbeits-Sicherheit
angeführt  -  auch  wenn es bislang noch keine Studien über die Folgen
von  illegalem  Drogenkonsum  am  Arbeitsplatz  gibt. Nach Angaben der
Deutschen  Hauptstelle  gegen die Suchtgefahren e.V. geht jeder dritte
bis  vierte  Arbeitsunfall  auf  die  legale  Droge "Alkohol" zurück -
Alkohol wird aber bei diesen Tests gar nicht geprüft.

Fest  steht:  Die Urintests dienen der Selektion der Auszubildenden im
Vorfeld.  Damit  zeugen  die Tests von einem grundsätzlichen Mißtrauen
einer  Unternehmensleitung  gegenüber  den  potentiellen Mitarbeitern.
Generalverdacht für alle, statt Unschuldsvermutung, wie sie in unserem
Rechtsstaat eigentlich üblich ist. Und: Kontrolle statt Beratung.

Urintests  sind entwürdigend. In Gegenwart eines möglichen zukünftigen
Kollegen  eine Pinkelprobe abgeben zu müssen, ist eine Demütigung. Mit
einem  solchen  Drogentest  muß  man  auch  sein Privatleben und seine
Freizeitgewohnheiten  dem  Konzern  gegenüber  offenlegen - und das im
immer  häufiger schon im Vorfeld, noch bevor man bei einem Unternehmen
in Lohn und Brot steht.

  "Du wirst keine Geheimnisse vor uns haben"

So  haben  Urintests  vor  allem den Effekt, neue Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter  einzuschüchtern  und  ihnen die Macht des Unternehmens zu
demonstrieren,  indem  sie  sprichwörtlich  am eigenen Leibe erfahren,
dass  Menschenwürde  und  Privatsphäre hinter den Fabriktüren nur noch
eingeschränkt  Gültigkeit  haben. Barbara Ehrenreich schreibt in ihrem
Buch  "Arbeit  poor",  für  das  sie  im Selbstversuch Erfahrungen mit
Einstellungstests  bei  us-amerikanischen  Billig-Jobs  gesammelt hat:
"Ich  bin  mir  sicher,  dass  der eigentliche Sinn dieser Tests darin
besteht,   nicht   etwa  dem  Arbeitgeber,  sondern  dem  potentiellen
Angestellten   bestimmte   Informationen   zu   übermitteln.  Und  die
wichtigste  Information  lautet  stets: Du wirst keine Geheimnisse vor
uns haben."

Bei all diesen "Nebenwirkungen" sind die Urintests zudem fachlich auch
noch  ausgesprochen  unzuverlässig. Die Fehlerquellen sind vielfältig:
Genuß   von  Mohnkuchen  z.B.  kann  tatsächlich  zu  einem  positivem
Opiatergebnis  führen.  Passivraucher  oder  Müsli-Esser  können  sich
plötzlich   und   unerwartet   mit   einem   positiven   Cannabis-Wert
konfrontiert   sehen.  Grenzwerte,  wieviel  einer  Substanz  im  Urin
gefunden werden darf, sind unklar.

Und  die  Nachweiszeiten  der  verschiedenen  Substanzen  sind äußerst
unterschiedlich:  Gefährliche  Drogen  wie Kokain, Extasy, Alkohol und
Amphetamin  sind  nur 1 bis 4 Tage nachweisbar, während Marihuana, das
vergleichsweise  harmlos  und  mittlerweile  gesellschaftlich  weithin
akzeptiert  ist,  mehrere  Wochen  lang  im  Urin  zu  finden ist. Das
bedeutet: Im Urin sind die Stoffe auch dann noch nachweisbar, wenn der
Rausch  längst  verflogen und die betreffende Person voll arbeitsfähig
ist.

Die  Bayer  AG  ist exemplarisch nominiert - Drogentests werden in den
letzten  Jahren bei immer mehr Unternehmen in Deutschland zur gängigen
Praxis  bei  der  Bewerberauswahl,  insbesondere  bei  der  chemischen
Industrie.  In den USA führen inzwischen über 80 % der umsatzstärksten
Unternehmen  "drogenscreenings"  durch.  Entsprechend blüht in den USA
der   Markt   mit  Medikamenten  zum  Ausschwemmen  der  nachweisbaren
Substanzen.  Sogar Proben von garantiert drogenfreiem Fremd?Urin (à 69
Dollar)  kann  man dort erwerben. Die Arbeitsicherheit ist durch diese
Tests   übrigens  nicht  nachweisbar  verbessert  worden.  Sie  dienen
vielmehr   der  Gängelung  der  Arbeitnehmerinnen.  Bezeichnenderweise
werden   Drogenscreenings   vor  allem  bei  den  unteren  Lohnklassen
durchgeführt - Ingenieuren, Programmiererinnen und Managern wird diese
Prozedur nicht zugemutet.

  Bürgerrechte werden nicht beim Pförtner abgeben

Ganz  nebenbei sind dem Mißbrauch der Tests im Unternehmen Tür und Tor
geöffnet:  Nicht zuletzt kann der für einen Drogentest abgegebene Urin
einer Bewerberin auch auf eine etwa bestehende Schwangerschaft geprüft
werden.  Das  ist  illegal.  Aber  wer  überprüft,  ob das Verbot auch
eingehalten  wird?  Und  wer  weiß, wie lange das Verbot noch gilt? Es
steht  zu  befürchten,  dass  auch  genetische Tests für Bewerber bald
hoffähig werden, wenn Urintests stillschweigend akzeptiert werden.

Weder  ein  Mehrheitsbeschluß  des  Betriebsrates  noch die erzwungene
Zustimmung  der  Betroffenen  können  dieses  Vorgehen  der  Bayer  AG
rechtfertigen, wo Arbeitnehmer/innen Menschenwürde und Bürgerrechte an
der Pförtnerloge abgeben müssen, wenn sie die Firma betreten.

|  Wir fordern, dass die Bayer AG die Drogenscreenings für
|  Auszubildende wieder abschafft.

Oder  wir  fragen  ersatzweise,  wann  ein Test auf Alkohol und andere
Drogen    vor    allen   wichtigen   Entscheidungen   auch   für   die
Geschäftsleitung der Bayer AG eingeführt wird ;-)





Weitere Informationen über die BigBrotherAwards: 
www.bigbrotherawards.de und www.foebud.org

FoeBuD e.V.
Ansprechpartner/in: Rena Tangens & padeluun
Marktstr. 18
33602 Bielefeld
Tel: 0521 175254
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