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c't: Ganz im Vertrauen



Gerald Himmelein

Ganz im Vertrauen


Berliner Symposium zu Trusted Computing

Am 2. und 3. Juli diskutierten knapp zweihundert Teilnehmer im Ministerium 
für Wirtschaft und Arbeit über die Risiken und Vorteile des 
Industrie-Sicherheitsstandards TCPA.


Wäre Trusted Computing kein kontroverses Thema, hätte das zweitägige 
Symposium "Trusted Computing Group" (TCG) im Bundesministerium für 
Wirtschaft und Arbeit wohl kaum stattgefunden. Wie lautstark die Skepsis 
gegenüber der Sicherheitsinitiative allerdings bisweilen geriet, 
überraschte die anwesenden Vertreter der TCG dann doch - Buhrufe und 
Hohnlacher untermalten die oft hitzigen Diskussionen am Ende der Vorträge.

Für die TCG sprachen Dr. Michael Waidner von IBM, Bob Meinschein von Intel 
und Thomas Rosteck von Infineon. Microsoft verteidigte seine auf TCG 
aufbauende Sicherheitsinitiative gleich mit drei Mann.

Das Lager der Kritiker vertraten der britische Mathematiker Ross Anderson 
sowie Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club (CCC). Ihm zur Seite 
stand der Kryptograph Rüdiger Weis von den Cryptolabs Amsterdam. Der 
Jurist Prof. Dr. Christian Koenig referierte über die 
wettbewerbsrechtlichen Aspekte.

Das Industriekonsortium TCG unterstrich seine Selbstdarstellung als 
neutrale Organisation, die sich ausschließlich auf einen 
plattformunabhängigen minimalen Sicherheitsstandard konzentriert - derzeit 
in Form des Sicherheits-Chips TPM (Trusted Platform Module), Waidner 
betonte weiterhin, dass Datenschutz ein wesentlicher Schwerpunkt aller 
Entwicklungen sei. Die Aufgabe des TPM beschränke sich auf den Schutz von 
kryptographischen Schlüsseln und vor Software-Angriffen.

Das Publikum begegnete den Reden vom Publikum mit spür- und hörbarer 
Skepsis. Auf viel Beachtung stieß die Dreiklassengesellschaft der TCG, in 
der ein höherer Mitgliedsstatus mit entsprechenden Gebühren erkauft werden 
muss. Auch das Lizenzmodell der TCG kam unter Beschuss, das nur 
Mitgliedern einen freien Lizenzaustausch garantiert. Allerdings erwähnte 
Dr. Waidner, dass man derzeit zwei beitragsfreie Kategorien erarbeite, um 
auch Universitäten und anderen gemeinnützigen Organisationen den Zugang zu 
ermöglichen.

Ross Anderson, dessen FAQ im Sommer 2003 die Diskussion um Trusted 
Computing erstmals auf Touren gebracht hatte [1], begann mit einem 
versöhnlich klingenden Vorschlag für ein gemeinsames Kürzel: Die TCPA 
spreche von "Trusted Computing", Microsoft nenne es "Trustworthy" und 
Richard M. Stallman "Treacherous" (heimtückisch) - das neutrale Kürzel TC 
bringe alle Interpretationsmöglichkeiten unter einen Hut.

Ansonsten demonstrierte Anderson schon visuell Kompromisslosigkeit: Er 
warf mit einem Tageslicht-Projektor handgeschriebene Folien auf Leinwand - 
alle anderen Teilnehmer projezierten ihre digitalen Präsentationen auf 
einen großen Schirm am Kopf des Raumes.

Dramatisch beschwor Anderson in seinem Vortrag eine ethische Krise in der 
Kryptographie: Verschlüsselung diene mittlerweile häufig dazu, Produkte 
aneinander zu binden - so geschehen bei Spielekonsolen, Handyakkus und 
Druckerpatronen. Darin bestehe eine Gefahr: Wenn alle Dokumente einer 
Firma erst einmal Microsofts System zur digitalen Rechteverwaltung nutzen, 
wird die Migration zu einem Konkurrenzprodukt fast unmöglich. Die 
potenziellen Vorteile von Trusted Computing stünden in keinem Verhältnis 
zu den Risiken des Missbrauchs. Einen Nutzen von TC sieht Anderson 
bestenfalls in Nischenmärkten.


Chaos gegen Vertrauen

Der Vortrag des Chaos Computer Clubs beschränkte sich im Wesentlichen auf 
eine Wiederholung der Forderungen, die der Verein auf der CeBIT der IBM 
übergeben hatte - Details dazu ab Seite 21. Fairerweise ergänzte Andy 
Müller-Maguhn sie um IBMs Antworten, die ihn aber nur teilweise 
zufriedenstellten.

Auf die von der Industrie erbetene Trennung von TCG und Palladium ließen 
sich weder Anderson noch die anderen Kritiker ein - so mussten sich die 
Vertreter von Intel und IBM zahlreiche Vorwürfe anhören, die bestenfalls 
für Microsoft gelten. Konkrete, auf den Punkt gebrachte Kritik war eher 
rar.

Am zweiten Tag stellte Bob Meinschein das LaGrande-Projekt von Intel vor, 
das auf einem TPM aufbaut und die Grafikkarte, den Speicher sowie den 
Prozessor absichert. Damit würde LaGrande zum betriebssystemunabhängigen 
Hardware-Pendant von Microsofts Palladium-Initiative.

Auf die Frage, wie die TCPA auf Ansprüche von Strafverfolgungsbehörden 
oder Geheimdiensten reagieren werde, verstummte Meinschein für eine knappe 
Minute. Dr. Waidner sprang in die Bresche und erklärte, dies könne kein 
Problem darstellen. Bis jetzt habe sich noch keine Regierungsstelle bei 
ihnen gemeldet, doch würde sich eine solche Intervention unübersehbar im 
Standard niederschlagen. Da die TCPA-Spezifikation offen liege, müsse eine 
Hintertür für Geheimdienste konsequenterweise ebenfalls offen gelegt 
werden.

Der letzte Vortrag beleuchtete die wettbewerbsrechtlichen Probleme der 
TCG. Das Kartellverbot im Artikel 81 des EG-Vertrags verbietet 
Wettbewerbsbeschränkungen selbst durch wohlgemeinte Standards. Dass die 
Satzung der TCG nur Mitgliedern einen frühzeitigen Zugang zu den Standards 
ermöglicht, benachteilige kleine und mittlere Unternehmen. Bei Palladium 
ergeben sich zusätzliche Probleme, da Microsoft sowohl Betriebssysteme als 
auch Anwendungen herstelle und zudem Märkte jenseits des PC bediene, so 
Koenig. Damit forciere Palladium eine vertikale Integration und schaffe 
neue Abhängigkeiten.

Der Organisator TimeKontor AG will alle Vorträge in Kürze in einem Band 
sammeln, der möglicherweise online gestellt wird. Bis September will Dr. 
Ulrich Sandl vom BMWA die Ergebnisse der kritischen Diskussion zudem in 
einem speparaten Bericht zusammenfassen. (ghi)


Literatur

[1] Die TCPA FAQ von Ross Anderson: www.cl.cam.ac.uk/~rja14/tcpa-faq.html
[2] Michael Plura, Der PC mit den zwei Gesichtern, TCPA und Palladium - 
Schreckgespenster oder Papiertiger?, c't 24/02, S. 186

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