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Re: spiegel.de goes rotten.com



Peter Ross:
> On Tue, 5 Aug 2003, Dietz Proepper wrote:
> > Inwiefern wer wie zu Widerstand moralisch verpflichtet oder in der Lage
> > gewesen wäre ist natürlich nochmal eine ganz andere Fragestellung. Nur,
> > das "wir haben alle nix gewußt und sind aus allen Wolken gefallen" ist
> > nach meiner Quelle nicht glaubwürdig.
>
> Ich habe gestern geschrieben, dass ich Verwandte hatte, die einen
> Wehrmachtsdeserteur versteckt haben.

Gelesen.

> Hier war von Goldhagen die Rede. Ich muss gestehen, dass Buch nicht
> gelesen zu haben, sondern lediglich Rezensionen und Bezuege darauf.

Ich hab' ihn seit einigen Jahren im "zu lesen"-Regal stehen ;).

> Dabei ist (auch bei der Bemerkung hier auf der Liste) der Eindruck
> entstanden, Goldhagen schlaegt noch einmal tief in die Kerbe der
> Kollektivschuld "der Deutschen".

Und ich halte die Kerbe, zumindest für die damalige Generation, durchaus nicht 
für vollständig unzutreffend. Gut, Kollektivschuld ist ein komischer Begriff, 
Verantwortung des Einzelnen gefällt mir da schon bessen.

> Dabei wird u.a. unterschlagen, dass Widerstand nicht gerade ungefaehrlich
> war.

Nun jaaa. Widerstand kann sehr verschiedene Formen annehmen. Z.B. ein 
Disponent (nennt man die so? Die Zugplaner halt) der Reichsbahn hätte 
angeblich mit sehr geringem persönlichen Risiko Transporte Richtung Osten (wo 
die eigentlichen Endlösungslager in der Überzahl angesiedelt waren) verzögern 
können. Eigenverantwortlich, ohne wirkliche Gefahr ernsthafter Konsequenzen.

> Was meinst Du, wieviele Menschen von dem versteckten Wehrmachtsdeserteur
> wissen? Ich glaube, weniger als ein Dutzend.

Die Tatsache daß Deine Verwandten und der Deserteur überlebt haben spricht 
dafür. 

> Das Fehlen von Spuren solcher Geschehnisse duerfte auch zu einem Zerrbild
> beitragen.

Unwahrscheinlich. Nach dem was ich so gelesen habe hat bestenfalls jeder 
1000-te Zeitgenosse Anstand in der von Dir angedeuteten Art gezeigt. Nimmt 
man deutsche Nutznieser aus vielleicht jeder 5000te. (Nein, habe leider keine 
Quelle zur Hand).

> Parallel laeuft auf einer technischen Mailingliste gerade eine Diskussion
> ueber das Verwenden von Realnames in Mails an die Liste.
>
> Was da an Bemerkungen kommt, dass man sich nicht traue, eine Mail an eine
> technische Mailingliste oeffentlich zu schreiben, weil man Angst hat, der
> Arbeitgeber koenne sie per Google finden...
>
> .. nun ja, laesst bei mir auch Zweifel aufkommen, dass wir es heute mit
> mutigeren Menschen zu tun haben.

Anzunehmen. Womit ebenfalls belegt wäre daß bald 60 Jahre "Nachkrieg" leider 
im Wesentlichen rein garnix geändert haben hierzuland.

Dietz

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