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Fw: AN.ON gewährleistet auch weiterhinAnonymität




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Date: Tue, 19 Aug 2003 12:20:34 +0200
From: ULD SH <mail@datenschutzzentrum.de>
To: k.raven@freenet.de
Subject: AN.ON gewährleistet auch weiterhin Anonymität


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  P R E S S E M I T T E I L U N G

AN.ON gewährleistet auch weiterhin Anonymität

Der AN.ON-Dienst ermöglicht Nutzern das anonyme Websurfen, indem die
Kommuni-kation über anonymisierende Zwischenrechner, sog. Mixe,
geleitet wird. Die neue Version der Mix-Software enthält eine
Funktion, mit der Zugriffe auf einen bestimmten Webserver
protokolliert werden können. Dies hat bei vielen zu Irritationen
geführt. Angesichts der Vielzahl der in diesem Zusammenhang an die
Mitarbeiter des Forschungsprojektes an der TU Dresden bzw. FU Berlin
sowie an das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz
Schleswig-Holstein (ULD) herangetragenen Anfragen erklärt das ULD zum
Hintergrund der Implementierung dieser Funktion Folgendes:

Im Rahmen eines konkreten Strafermittlungsverfahrens des
Bundeskriminalamtes _ nicht gegen das ULD, wie fälschlich gemeldet -
erging an das ULD ein richterlicher Beschluss des Amtsgerichts
Frankfurt am Main, durch den die Mitarbeiter des Forschungsprojektes
AN.ON verpflichtet wurden, die Zugriffe auf eine bestimmte
IP-Adresse, hinter der offenbar strafbare Inhalte veröffentlicht
wurden, für einen definierten Zeitraum zu speichern und über die
gespeicherten Daten Auskunft zu erteilen.

Da es grundsätzlich nicht zulässig ist, Informationen über laufende
Ermittlungsmaßnahmen zu veröffentlichen, sind die Projektpartner nach
Erhalt des richterlichen Beschlusses zunächst nicht an die
Öffentlichkeit gegangen. Auf Grund der Tatsache, dass die entwickelte
Software seit Beginn des Open-Source-Projektes im Quellcode
veröffentlicht wird, wurde selbstverständlich auch die implementierte
Funktion zur Aufzeichnung veröffentlicht. Die Projektpartner haben
die Probleme unterschätzt, die der Spagat zwischen den
Geheimhaltungspflichten im Rahmen eines konkreten
Ermittlungsverfahrens und ihrem eigenen Anspruch auf Transparenz mit
sich bringt. Sie wollten sich nicht dem Vorwurf der Beihilfe oder
Strafvereitelung aussetzen und damit vermeiden, dass AN.ON
kriminalisiert wird. Da es die erste richterliche Anordnung dieser
Art war, verfügten sie auch über keinerlei einschlägige Erfahrungen.
Wegen der in diesem Zusammenhang aufgetretenen Verunsicherung bei
vielen Nutzern von AN.ON sehen sich die Projektpartner jetzt
allerdings veranlasst, öffentlich Stellung zu dem Fall zu nehmen.

Der richterliche Beschluss hat nach Auffassung des ULD in den
zitierten Rechtsvorschriften der Strafprozessordnung keine
Rechtsgrundlage. Die Rechtsauffassung des ULD wird durch die
herrschende Kommentarliteratur sowie die Amtliche Begründung des
Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren zu den jeweiligen
Rechtsvorschriften gestützt. Ein Auskunftsanspruch der
Strafverfolgungsbehörden kann sich nach den vom BKA und vom
Amtsgericht zugrunde gelegten Rechtsvorschriften der §§ 100g und h
Strafprozessordnung, die als Nachfolgevorschriften zu § 12
Fernmeldeanlagengesetz zum 1. Januar 2002 in Kraft getreten sind,
nämlich nur auf diejenigen Daten beziehen, die seitens der
Diensteanbieter auf Grund bestehender Regelungen zulässigerweise
erhoben und gespeichert werden. Durch den Anonymisierungsdienst
werden allerdings, wie der Name schon sagt, keine Daten erhoben und
gespeichert, die Rückschlüsse auf Nutzer zulassen könnten. Dieses
wäre nach den Regelungen des Teledienstedatenschutzgesetzes (TDDSG)
auch unzulässig. Die Anordnung einer Aufzeichnung von Daten wird
durch die vom Amtsgericht zugrunde gelegten Rechtsvorschriften gerade
nicht gedeckt, so dass der gerichtliche Beschluss nach Auffassung des
ULD offenkundig rechtswidrig ist.

Die Anordnung einer Aufzeichnung von Daten ist nach der
Strafprozessordnung ausschließlich in eng begrenzten Fällen zulässig.
Hierfür muss der Verdacht einer Straftat vorliegen, die in dem
Katalog des § 100a Strafprozessordnung explizit aufgeführt ist. Einen
Beschluss auf der Grundlage von § 100a Strafprozessordnung hat die
Polizei gerade nicht beantragt, möglicherweise weil die
Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.

Das ULD hat gegen den Beschluss umgehend das förmliche Rechtsmittel
der Beschwerde eingelegt. Da diese Beschwerde keine aufschiebende
Wirkung hat, d. h. der Inhalt des Beschlusses bis zu einer anders
lautenden Gerichtsentscheidung umzusetzen ist, obwohl dagegen eine
Beschwerde eingelegt worden ist, haben die Entwickler im
AN.ON-Projekt eine derartige Funktion programmiert und in die
aktuelle Version der Mix-Software implementiert.

Mit dieser Funktion ist es bei einer Kooperation der Mixe möglich,
die Zugriffe auf eine vorher anzugebende IP-Adresse ausschließlich
für die Zukunft mitzuloggen: Die IP-Adresse des Anfragers, der
Request und Datum und Uhrzeit werden protokolliert. Alle anderen
Webseiten und alle anderen Nutzer des AN.ON-Dienstes bleiben davon
aber selbstverständlich unberührt! Auch die JAP-Software an sich, die
alle Nutzer des AN.ON-Dienstes installieren müssen, enthält keine
Protokollierungsfunktion. Das letzte, obligatorische Update der
Clientsoftware JAP hat nichts mit dieser Funktion zu tun.

Das ULD weist ausdrücklich darauf hin, dass nur Zugriffe auf die
IP-Adresse, die in dem richterlichen Beschluss genannt ist,
protokolliert werden. Die Betreiber des AN.ON-Dienstes stehen dafür
ein, dass auch in Zukunft ohne richterlichen Beschluss keine Zugriffe
protokolliert werden. Der AN.ON-Dienst wird in jeder Hinsicht in
Einklang mit den geltenden Gesetzen betrieben, so dass generell eine
Erhebung und Speicherung von Nutzerdaten juristisch unzulässig wäre
und demnach auch nicht vorgenommen wird. Die Bindung an Recht und
Gesetz bedeutet auf der anderen Seite auch, dass eine richterliche
Anordnung nicht einfach ignoriert werden kann.

Die Ermöglichung der Überwachung der Zugriffe auf eine bestimmte
IP-Adresse, hinter der strafbare Inhalte steckten, ist daher
keinesfalls gleichbedeutend mit einer Überwachung aller Nutzer des
Dienstes. Ausschließlich im Einzelfall und nur bei Vorliegen aller
juristischen Voraussetzungen, d.h. eines zwingenden richterlichen
Beschlusses, wird der AN.ON-Dienst Zugriffe auf eine vom Richter
präzise bestimmte IP-Adresse mitloggen.

Der Schutz der Anonymität der Nutzer ist und bleibt, von dem
vorstehend beschriebenen Ausnahmefall abgesehen, die zentrale
Garantie von AN.ON. Die Betreiber von AN.ON warnen deshalb davor,
diesen Einzelfall zu verallgemeinern und den Anonymitätsdienst
generell in Frage zu stellen. Anonymität im Internet macht auch dann
noch Sinn, wenn in einem kurzen Zeitraum auf Anordnung eines Gerichts
Zugriffe auf eine einzelne Website mit strafbarem Inhalt
aufgezeichnet werden.

AN.ON war von Anfang an dem Argwohn und der Skepsis vieler
Mitarbeiter von Sicherheitsapparaten im In- und Ausland ausgesetzt.
Dies führte dazu, dass AN.ON nicht nur in polizeilichen Publikationen
angegriffen wurde, sondern einzelne Mitarbeiter der TU Dresden sogar
von der Polizei zur Vernehmung vorgeladen wurden. Die Betreiber haben
sich dem polizeilichen Druck nicht gebeugt, eine richterliche
Anordnung haben sie aber so wie jedermann in einem Rechtsstaat zu
beachten. Gewisse Sicherheitskreise würden sich vermutlich am meisten
freuen, wenn die Betreiber von AN.ON jetzt resignieren würden und die
Garantie des anonymen Internetzugriffs einstellen würden. Diesen
Gefallen wollen die Betreiber von AN.ON den Kritikern nicht tun.
Deshalb wird AN.ON weiterlaufen. Diejenigen, denen die Anonymität im
Internet wirklich ein Anliegen ist, sollten sich kritisch mit dem
polizeilichen Vorgehen auseinandersetzen und AN.ON unterstützen,
statt den _Hauptgegner_ geradezu in den Betreibern von AN.ON zu
sehen. Nicht AN.ON gefährdet die Anonymität, sondern rechtlich
fragwürdige polizeiliche Eingriffe in den Betrieb von AN.ON. Zu
hinterfragen wäre auch, wieso eine Entscheidung über die Beschwerde
des ULD nun schon über sechs Wochen auf sich warten lässt.

Wir sind davon überzeugt, dass das Recht auf Anonymität vom
Grundgesetz geschützt ist. Es ergibt sich außerdem ausdrücklich aus
dem Teledienstedatenschutzgesetz. Alle, die dieses Recht so wie das
ULD verteidigen wollen, sollten AN.ON und das ULD unterstützen. Wir
sind uns unserer Verantwortung gegenüber den Nutzern von AN.ON
jedenfalls bewusst.

Informationen über die Arbeit des ULD unter:

Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz
Schleswig-Holstein
Holstenstraße 98 / 24103 Kiel
Telefon: 0431/988-1200 / Telefax: 0431/988-1223
E-Mail: mail@datenschutzzentrum.de
Homepage: http//:www.datenschutzzentrum.de

Informationen über AN.ON erhalten sie unter:

www.anon-online.de

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Ciao
Kai

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