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Re: =?ISO-8859-1?Q?Re:_L=E4ss t_sich_das_patentieren=3F?=



On Fri, Sep 19, 2003 at 09:29:49PM +0200, Axel H Horns wrote:
> die Frage des Skalierens von Patentaemtern ist sicher 
> hochinteressant. Man muss aber erstmal klaeren, was da wo skalieren 
> soll.
> 
> a) Die Anzahl der zu pruefenden Patentantraege:

nö, das skaliert fein..

> b) Die Anzahl der oeffentlich zugaenglichen Dokumente (im weitesten
>    Sinne), die den "Stand der Technik" bilden.
Bingo!
> 
>    Soweit das "Dokumente" im klassischen Sinne sind, die sich
>    bibliographisch verwalten lassen, sehe ich auch hier kein 
>    Skalierungsproblem.

Öffentlichkeit muss ein grösserer Personenkreis sein. W3C-Member reicht
z.B. aus. Das Patentamt kommt an diese Daten gar nicht dran. Der Glaube, die
Neuheit im Bereich Software durch ein Prüfverfahren herstellen zu
können, lässt sich meiner Ansicht nach nicht realisieren. Die verfügbare
Information ist zu gross und der Beamte hat nicht die Zeit zu googlen.
Google und alle Suchmaschinen zusammen erfassen auch nur 35% des Web. 
Man hat ein Informationsproblem. Deswegen kann eine Prüfung auf Neuheit
nicht skalieren und deswegen ist das Argument der Neuheit zum scheitern
verurteilt, es sei denn wir haben einen billigst-Prozess, der ein Patent
im Nachhinein in Frage stellen kann, wenn die Info verfügbar ist.
> 
> Aber auch bei Patenten auf computer-implementierte Erfindungen ist ja 
> nicht eine Software aus der riesigen Vielzahl von urheberrechtlichen 
> Schoepfungen der Schutzgegenstand, sondern eine abstrakte Idee (in 
> der Sprache der Urheberrechtler gesprochen; der Patentmensch wuerde 
> bestreiten, dass man "Ideen" patentieren kann - hier sind selbst 
> benachbarte Fachchinesisch-Idiome zueinander inkompatibel), eine 
> Funktionalitaet eben.

Die Anzahl der Ideen in Deiner Datenbank wird nur so gross sein wie die
Anzahl der braven Beamten, die das dort einfüllen. Damit wird ein
Ausschnitt zum Mass des Neuen. Die von Kris so beschriebene Technik eine
Best Practice zu patentieren wird so sicherlich nicht gebremst. 
> 
> Wieviele durch Software ausgedrueckte Funktionalitaeten gibt es?

Eben. Das ist potentiell nicht-endlich..
> 
> 
> Das Problem ist m.E. weniger, dass der Stand der Technik bei computer-
> implentierbaren Erfindungen steiler anwaechst als z.B. in der Chemie; 
> es ist vielmehr so, dass grosse Probleme entstehen, weil viel Wissen, 
> das im Prinzip der Offentlichkeit zugaenglich ist, "bibliothekarisch" 
> nicht erschlossen ist und daher extrem schwer auffindbar ist, wenn 
> man es braucht. Ich frage mich z.B. was wohl alles auf einer Standard-
> DVD mit einem SuSE-Linux alles an Stand der Technik drauf ist, wenn 
> man die Sourcen retrivalmaessig irgenwie sinnvoll erschliessen 
> koennte.

Du hast einen anderen Markt, der vollkommen atomistisch ist. Damit gibt
es eine sehr grosse Zahl von Akteuren. Damit ist das Ziel der
bibliothkarischen Erfassung kaum lösbar (Vielleicht mit dem Semantic
Web?) Es ändert aber nix an der Tatsache, dass ein aus mangelnder
Recherche zugelassenes Patent meine Working Group ein! Jahr aufs Eis
setzt, was Kosten von mehreren Mio Euro verursacht. Allerdings kann ich
mir diese Kosten nicht beim Patentamt wegen deren Schlamperei
wiederholen. Das ganze ist ein Pakt zu Lasten Dritter. Vielmehr kann in
der schnellen Welt die formale Position des (Trivial-)Patents zu
abenteuerlichem Missbrauch führen. Aber niemand ist dafür letztlich
verantwortlich. Der Patenthalter selbst ist dann irgendeine Furz-GmbH,
die bei Scheitern des Raubzuges in die Pleite verabschiedet wird.

> Ob sowas auf den Bereich der Patent auf computer-implementierte 
> Erfindungen uebertragbar ist (XML-Codiertes UML?) ist mir selber noch 
> erheblich unklar.

Klar, aber nur, wenn Du gleichzeitig eine Suchmaschine entickelst, die
die Semantiken versteht und den content im Web in Semantik umsetzt.

Warum nicht ein anderer Vorschlag, den Du gemacht hast: 

Es gibt die, die ein Patent-system wollen und die anderen wollen nicht.
Warum also nicht nur jene binden, die selbst am Patentsystem teilnehmen.
Wer je ein Patent angemeldet hat, ist an Patente gebunden ;) Wäre das
nicht oberböse ;)?
> 
> Im uebrigen ist ja auch nicht zu uebersehen, dass jede offengelegte 
> Patentanmeldung zu einer computer-implementierten Erfindung ein 
> bibliographisch genau erfassbares Dokument zum Stand der Technik 
> generiert. Bei zahlreichen derartigen Patentanmeldungen wird sich 

Damit werden eben nur die berücksichtigt, die teilnehmen. Die
Nicht-Teilnehmer am System werden diskriminiert, weil niemand nach ihren
Informationen schaut um den Stand der Technik zu definieren. Jedes
Patent zu Web Services müsste theoretisch nichtig sein, weil das einfach
RPC ist und RPC gibt es schon seit mehr als 20 Jahren. Rate 'mal wieviel
Patente zu Web Services im Moment erteilt werden...


> > D.h. der Fehler liegt im System. Es ist schlicht eine Illusion zu
> > glauben, man könne den Stand der Technik bei Software überprüfen.
> > Software ist wie Sprache in der Lage in kürzester Zeit eine
> > unglaubliche Menge an Iterationen zu produzieren. Das ist die Stärke
> > des ganzen. 
> 
> Nicht jede dieser linguistischen "Iterationen" traegt zum Stand der 
> Technik bei. Da liegen wohl Groessenordnungen dazwischen. Ich glaube 

Es wird dennoch zuviel ;)

> > sein, Alternativen aufzeigen zu können. Und wenn die ITAR 20 Jahre
> > vorsehen, dann müssen die ITAR bezüglich Software eben geändert
> > werden.
> 
> Nur ueber die Leiche der WTO, so wie ich die Lage einschaetze. Dann 
> muss man eben die WTO politisch auseinandersprengen, siehe kuerzlich 
> in Cancun, Mexico. Dann waeren wir aber wieder bei

Die Südafrikaner haben es geschafft mit den AIDS-Medikamenten. Warum
soll das für Software anders sein, wenn die Industrie es als sinnvoll
ansieht (und immer mehr kommen drauf)
> 
> --> man globalisierungskritik

Sorry, aber ich bin Globalisierer und muss nicht meinen Menschenverstand
an meiner Bürotüre abgeben. Ich muss nicht ATTAC sein, aber ich kann
manches trotzdem gut finden (contre la mal-bouffe!)
> 
> Viel interessanter ist m.E. die zukuenftige Ausgestaltung des 
> spannungsbehafteten Nebeneinanders von trans-, meta- oder 
> antikapitalistischen "Intellectual Commons" und globalisiert 
> marktwirtschaftlich-kapitalistischem proprietaerem Wissen. Ich 
> glaube, dass wir in der naechsten Zeit beide Bereiche brauchen, damit 
> sie sich gegenseitig in Schach halten.              ;-)

siehe Lessig und creative commons. Ein GNU-Patent ;) Das Problem ist,
dass das System zu teuer ist, um mit den open-source Leuten zu
skalieren.

> 
> Derzeit entwickeln beide Bereiche Ambitionen, die jeweilige andere 
> Seite moeglichst voellig aus der Welt schaffen zu wollen. 

Es gibt Mittelwege und eine Menge vernünftige Leute

=> siehe W3C Patent policy unter Mitwirkung von Microsoft _und_ der Free
   Software foundation entstanden.

> Was m.E. ansteht, waere daher, eine Grenzlinie auf der Landkarte zu 
> ziehen, die das Land so aufteilt, dass beide Bereiche leidlich stabil 
> nebeneinanderher existieren koennen, um sich gegenseitig anstacheln 
> und beschimpfen zu koennen ...
> 
> Die Spannungslage zwischen MS-Windows und Linux ist ja kein 
> Wettbewerb _in_ einem kapitalistischen Markt. Es ist eigentlich 
> vielmehr eine Auseinandersetzung _zwischen_ einem proprietaer-
> globalisiert-kapitalistischen Grundansatz und einem ich am anderen 
> Ufer des Flusses erstreckenden Landes, das auf einer vertraglich 
> regulierten Allmende-Wirtschaft aufbaut ...

Axel, hier liegst Du völlig daneben. Linux ist eine hoch-kommerzielle
Angelegenheit. Linux ist heute das, was es ist, weil IBM, HP und andere
eine Unmenge Geld in Form von Developer-manpower da reingesteckt haben.
Viele der erfolgreichsten Open-source Projekte nutzen eine andere Lizenz
als GNU, die auch kommerzielle Nutzungen im closed source zulässt. (z.B.
Apache, Mozilla) Stallman würde die gern eingemeinden, klar, bloss
schafft er das nicht. Also steht er da und wettert und die Karawane
zieht weiter. 

Das Gemecker kommt daher, dass Patente in der derzeitigen Ausformung in
allen Lagern zuviel Schaden anrichten können, weil sie dem Arbeitszyklus
nicht mehr entsprechen.

> 
> Diese von mir angesprochene Grenzlinie zieht man aber nicht durch 
> Herumschrauben an den materiellrechtlichen Kriterien der 
> Schutzvorausetzungen (sowohl im Urheber- als auch im Patentrecht!), 

Du solltest auch nicht so unklug sein und jedes Schrauben an den
Voraussetzungen weit von Dir zu weisen. Ich denke schon, dass man da
noch was schrauben kann. Aber bisher ist die Diskussion halt bipolar und
wenig innovativ.

> sondern in beiden (!) Bereichen durch Adjustieren der Rechte aus dem 
> Schopefungsakt (Schrankenbestimmungen des Urheberrechtes) bzw. aus 
> dem Erfindungsakt (Schrankenbestimmungen des Patentrechtes). Deshalb 
> geht auch der Art. 6a in der JURI-Fassung in die richtige Richtung, 
> wenngleich mir die dortige Formulierung etwas reichlich offen und 
> unbestimmt vorkommt. Das frueher hier mal diskutierte 
> Quelltextprivileg geht in dieselbe Richtung.  

Ich kenne das und finde es innovativ. Dennoch führt das nicht
automatisch dazu, dass ich nicht mehr über materielle Voraussetzungen
des Patents diskutieren darf. Eine Möglichkeit Patent-Massen zu
vermeiden wäre z.B. explizit eine Hardverdrahtung zu fordern. Dann
skalieren bestimmte Dinge wieder. (und man kann nachweisen, das es
funktioniert ;)

Gruss

Rigo


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