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Re: [FYI] Es wird Ernst mit den Jugendschutzbestimmungen im Internet, ICRA als Pilotprojekt fuer "Filtering" nach dem JMStV?



On 25 Oct 2003 , Alvar Freude wrote about Re: [FYI] Es wird Ernst mit
den Jugendschutzbesti:
> Wie gesagt: die Medienwissenschaftler und ähnliches in den
> Landesmedienanstalten und in den entsprechenden Kommissionen sehen Internet
> als eine weitere Stufe des Rundfunks an. OK, da gibts halt mehr Sender als
> beim Rundfunk, vielleicht auch noch ein bisschen "Interaktivität" -- aber
> das ist schon der wesentliche Unterschied.

Wenn man jetzt nicht an ein kommerzielles Programm, sondern z.B. an
die offenen Kanäle denkt, ist der Unterschied tatsächlich nicht so
groß. Wie werden denn die reguliert?

> Zudem geht es nicht nur um jugendgefährdene und
> entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte. Laut Ring spielt auch der
> *Erwachsenenschutz* eine Rolle, denn der Staatsvertrag heisst im Volltext:

Dann soll man doch bitte das so angehen, dass die Impressumspflicht
durchgesetzt wird, und dann verbotene Inhalte verfolgt werden. Mit
ein bisschen internationaler Anstrengung ist das leicht zu schaffen;
und selbst lokal gedacht, kann man sicher darauf verzichten, deutsche
Inhalte zu filtern, die ein Impressum mit deutscher Adresse
enthalten, da der Betreiber dann im Falle von Verletzungen
strafrechtlich greifbar ist. Das Impressum darf ja ruhig
automatisierbar sein - ein spezielles impressum.RDF im Toplevel einer
Domain oder in den Verzeichnissen machte es möglich,einen "Anzeigen"-
Button in die Browser zu bauen, und gut.

Wenn man aber an das deutsche Internet ungefiltert herankommt, aber
an das ausländische nicht, stellt man sich dann auf eine Stufe mit
Regimes wie China etc. - läßt sich das durchsetzen?

Ein Selbstrating muß ohnehin durch eine überprüfbare Signierung des
gerateten Inhalts abgesichert werden; sonst laufen halt die
Schmuddelsites verteilt auf den gehackten Rechnern (das Verfahren,
das die Spammer derzeit nutzen), raten sich selbst als jugendfrei,
und niemand kann gegriffen werden, der verantwortlich wäre.
Oder es wedren einfach vorhandene Sites gekapert.

> B: Das Schmuddel-Netz:
> ======================
>
> Auf speziellen Antrag kann jeder über 18 mit persönlicher Identifizierung
> und Altersnachweis eine PIN-Nummer und eine Chipkarte erhalten, mit denen
> er sich bei ausgewählten Providern authentifizieren kann.

So. Jetzt stell Dir mal das Familien-Netz vor, wo 3 PCs per NAT an
einer Strippe hängen. Sobald Papi von seinem Rechner aus eingeloggt
ist, hat Junior vollen Zugang. Schon ist die zentrale Filterung
ausgehebelt. Diese technische Lösung kann nicht leisten, was sie
verspricht; frühestens dann, wenn NAT durch Verbreitung von IPv6 aus
dem Fenster geflogen ist ("2008"?).

Die Überwachungsprobleme sind nicht zu lösen, wenn man bedenkt,
wieviele Dienste es gibt und wieviele noch erfunden werden können.
Rückkehr zu den Mailbox-Netzen? mit WLAN-Vernetzung?

Die Portzensur bewirkt ja auch, dass das Internet als
nichtöffentliches Medium für Verbindungen von privat zu privat (z.B.
für Computerspiele) erstmal unbrauchbar wird. Sollte es das nicht
werden, dann tritt das Problem auf, den neuesten Filesharing-Client
(oder die Anonymisirere-Verbindung nach Übersee) von einem
Computerspiel zu unterscheiden.

Wenn die Redefreiheit auf einem Dienst zensiert werden sollte und auf
einem anderen nicht, dann ist wohl so auch nicht verfassungskonform -
wenn es das überhaupt je sein kann.

> Das System schafft es gleichzeitig auch, bedenkliche Inhalte von
> Erwachsenen fern zu halten: Standardmäßig gibt es nur die stark gefilterte
> Variante, für den Rest sind die meisten erstmal zu faul. Oder es ist ihnen
> zu peinlich, eine persönliche identifizierung ist ja nötig.

Das ist der Sprung zu digital signierten Emails; diese Anwendung ist
problemlos sinnvoll begründbar.

> Schwarzmalerei. Ausser, dass es die *einzige* Möglichkeit ist die
> derzeitigen Vorstellungen der Jugendmedienschützer umzusetzen, ist es auch
> etwas, was viele in der Öffentlichkeit akzeptieren würden. "Was ist denn
> daran so schlimm" und "Jugendschutz ist wichtig, wir müssen was da tun"
> sind klare Positionen, die von vielen vertreten werden.

Von denen, für die die Alternative "Eltern kümmern sich um ihre
Kinder" nicht mit der Leistungs- und Spaßgesellschaft harmonisiert.

Es geht hier darum, beim Betrachten der Ferkelbildchen das Gewissen
zu beruhigen, dass auch die eigenen Kinder sowas sehen könnten - das
moderne Analog dazu, die Pornoheftchen auf dem Schrank zu verstecken
(wo sie die Junioren sowieso entdecken, aber ohne Wissen des Papas -
so werden Tabus propagiert).

> Ja: natürlich ist Jugendschutz wichtig. Nur mit verlaub: ich sehe sehr
> vieles viel gefährlicher an als die potentielle Möglichkeit, dass Kinder
> durch Eingabe der entsprechenden Adresse sich eben Ferkelbilder besorgen
> können. "Entwicklungsbeeinträchtigend" sind da wohl eher RTL II und der
> Bertelsmann Clan.

Das hängt davon ab, was als Entwicklungsziel angesehen wird. Wenn Du
angepasste Gesellschaftsmitglieder erzeugen willst, baust Du am
besten so viel Systeme wie möglich, die eine Durchmogelei zulassen
und so echte Wertentscheidungen zugunsten eines materialistischen
Egoismus verdrängen. Ich will das nicht, aber ich habe oft das
Gefühl, ich bin in der Minderheit.

Michael Mendelsohn
--
The beginning starts in the middle, and the end suddenly stops.
"Der Anfang fängt in der Mitte an, und das Ende hört plötzlich auf."
  -- zitiert auf http://www.meocom-online.de/home/sabseb/zl.html


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