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Fwd: Re: OT: DRM



Auf der suse-linux@suse.com Liste fand eine überraschend konstruktive 
Diskussion um DRM statt. Jetzt hat sich einer der Teilnehmer sogar die Mühe 
gemacht, eine Zusammenfassung zu schreiben.

Kristian


----------  Forwarded Message  ----------

Subject: Re: OT: DRM
Date: Sunday 14 December 2003 11:17
From: Thorsten Haude <linux@thorstenhau.de>
To: suse <suse-linux@suse.com>

Moin,


diese Sache ist mir wichtig genug, um allen nochmal auf den Geist zu
gehen, um eine Abschlußbetrachtung zu posten. Bitte beachtet bei
Antworten die Umleitung.

Gleichzeitig wäre ich dankbar für Hinweise auf ein besseres Forum.


Es gibt eine Reihe von Aspekten, die Du außer Acht läßt. Von diesen
Aspekten liegen einige deutlich innerhalb der Logik des Kapitalismus,
der von Dir als Erklärung herangezogen wird.

1. Das jetzige System der Rechteverwertung stellt keinen wirklichen
Kapitalismus dar, sondern eine staatliche durchgesetzte
Monopolwirtschaft. Dabei will ich nicht beurteilen, ob das in diesem
Fall eine angemessene Lösung ist, sondern nur darauf hinweisen, daß
sich der Kapitalismus als Wirtschaftsform nicht ganz so deutlich
aufzudrängen scheint wie Du annimmst.

2. Ein Zusammenhang zwischen dem massenhaften Kopieren von
Musikdateien und den Rückgängen der CD-Verkäufe ist unbewiesen.
Tatsächlich hatten Tonträgerverkäufe ihren Höhepunkt als Napster den
seinen hatte. Gerade heute wird berichtet, daß unerwünschtes Kopieren
den heimischen Musikmarkt in Neuseeland fördert.

3. Der Musikmarkt wird zur Zeit von fünf, bald von vier Konzernen
beherrscht, von denen gerichtsbekannt ist, daß sie den Markt illegal
manipulieren. Ein Wettbewerb über Preis oder Qualität findet nicht
statt, solange alternative Systeme per Gesetz vom Markt genommen
werden.

4. Bereits jetzt wird man durch DRM-Systeme faktisch enteignet. In
Zukunft kann man vielleicht einem Freund nur dann ein Musikstück
vorführen, wenn dieser vorher bezahlt. Andere Dinge, die heute noch
weit verbreitet sind, werden ebenfalls Geld kosten. Hier wird also per
Gesetz ein Markt für Dinge geschaffen, die bisher frei erhältlich
waren.


Allerdings bin ich völlig anderer Meinung, soweit es darum geht, daß
der Kapitalimus nun mal gesiegt hat und man nun alles hinnehmen muß,
was er so bringt.

5. Unsere Wirtschaftsform insgesamt stellt keinen Kapitalismus dar.
Nader nennt es treffenderweise Unternehmenssozialismus, denn mehr und
mehr werden Gesetze so gestaltet, daß es Unternehmen gut geht, auch
wenn sie falsche Entscheidungen treffen.

6. Die breite Einführung von DRM-Systemen hat eine ganze Reihe von
gravierenden Nachteilen in kultureller, gesellschaftlicher und
wirtschaftlicher Hinsicht. Die Vorteile beschränken sich darauf, einer
bestimmten Gruppe von unproduktiven Mittelsmännern das Einkommen zu
sichern.

7. Mit DRM-Systemen wird schon heute der Vorrat an Wissen manipuliert,
der den Menschen zur Verfügung steht. Für mich ist klar, daß man in
Zukunft nicht nur für gute Lehrer zahlen soll, sondern auch für Fakten
an sich. Die Folgen für die ärmeren Länder sind gerade mal wieder
durch den WSIS ins Bewußtsein gerückt.

8. Selbst wenn DRM-Systeme nur wirtschaftliche Konsequenzen hätten,
solange sie in freien Gesellschaften angewendet werden, sieht es doch
anders aus, wenn die Gesellschaften unfrei sind. Der Fritzchip ist
natürliche Konsequenz der jetzigen Systeme und würde es Staaten wie
China erlauben, alle mißliebigen Gedanken von Computersystemen zu
verbannen.

9. Für besonders fragwürdig halte ich die Ansicht, daß man selbst dann
noch kapitalistisch wirtschaften sollte, wenn die Vorraussetzung
(Resourcenknappheit) nicht mehr gegeben ist. Das stellt die Grundlage
des Kapitalismus auf den Kopf und macht aus ihm nicht mehr als eine
weitere Wirtschaftsform, die aus lediglich ideologischen Gründen
aufrechterhalten wird.


Von diesen Nachteilen betroffen sind natürlich auch Menschen, die
keine DRMten Medien kaufen. Ein Boykott ist sicherlich eine
naheliegende Sache, reicht aber angesichts der starken Aktivität der
Medienkonzerne bei weitem nicht aus. Gegen die zu erwartenden weiteren
Anwendungsbereiche (zB. Schulbücher) kann man nicht erst vorgehen,
wenn diese eingeführt sind.


There has grown in the minds of certain groups in this country the idea that
just because a man or corporation has made a profit out of the public for a
number of years, the government and the courts are charged with guaranteeing
such a profit in the future, even in the face of changing circumstances and
contrary to public interest. This strange doctrine is supported by neither
statute or common law. Neither corporations or individuals have the right to
come into court and ask that the clock of history be stopped, or turned back.
    - Robert Heinlein, Life-Line


Thorsten
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It is exactly because markets are amoral that we cannot
leave the allocation of resources entirely to them.
    - George Soros

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