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Re: [FYI] SZ: Ein Staat mit tausend Augen



Hallo Hartmut,

On Fri, 2 Jan 2004 18:09:48 +0100 (CET) you wrote:

> > Ich werde sehr sauer, wenn ich gegen meinen Willen photographiert
> > werde. Und erst recht werde ich sauer, wenn ich gleichzeitig
> > lediglich kraft meiner Existenz und Anwesenheit verdächtig bin,
> > etwas verbrochen zu haben.
> 
> Wen sollen diese Säuerungsreaktionen interessieren?

All diejenigen, die auch etwas gegen Vorverdächtigungen und die Erosion
der Unschuldsvermutung haben.

> Sie sind wohl kaum naturgegeben sondern hängen mit persönlichen 
> Einstellungen und vielleicht mit momentanen Launen zusammen.

siehe
Telepolis: Bestimmen dürfen, wer was wann weiß
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16326/1.html

Allein der Titel ist eigentlich Antwort genug. Ich habe ein *Recht*
darauf, darüber zu bestimmen zu können oder wenigstens zu wissen, wann
von wem unter welchen Umständen zu welchem Zweck Aufnahmen von mir in
der Öffentlichkeit gemacht werden.
Ist dieses Recht in einer Stadt wahrzunehmen, die ein
CCTV-Überwachungsnetz aus Hunderten von Kameras besitzt (siehe England),
deren Systeme mit biometrischen und verhaltensanalytischen
Erkennungsalgorithmen ausgestattet sind, die mein Bild u. U. mit einem
bestimmten Tag versehen in irgendeiner Datenbank abspeichert?
Persönliche Einstellungen und Launen nennt man das? 

> Der Rückzug auf das Subjektive in diesen Sätzen könnte als
> Diskursverweigerung oder auch Drohung verstanden werden.  Überzeugen
> tut das jedenfalls kaum.

Ja, hoffentlich als Drohung, notfalls die Videokameras zu zerstören.
 
> Es geht hier um Überwachung öffentlicher Plätze, nicht um den
> Supergroßen Lauschangriff oder dergleichen.

Informiere Dich besser mal, was in einigen Städten in Großbritannien
oder in Reikjavik los ist und welche Bereiche man mit Kameras
bestreichen kann. 
In Island hat der Bürgermeister von Reikjavik ein
städtisches CCTV-TV-Programm gestartet, wo die Bürger den ganzen Tag mit
Aufnahmen"ihres" Videoüberwachungsnetzwerkes versorgt werden - teilweise
können die Leute sehen, dass der Nachbar gerade in der Küche am
frühstücken ist.
In England ist das Netz teilweise so dicht, dass die Kameras ins
Wohnzimmer hineinstarren können, Aufnahmen aus den Netzen gelangen aus
den Zentralen und werden teilweise an das TV oder die Boulevardpresse
verhökert.
Es geht *nicht* um öffentliche Plätze, worunter Du vielleicht den
Marktplatz, den Platz vorm Rathaus oder der Kirche meinst.
CCTV-Überwachung bekommt nur einen Sinn, wenn sie möglichst
flächendeckend und absolut ist - sonst stellt sich das angesprochende
Problem der Verdrängung und Verlagerung an. Deshalb kann man die
Formulierungen der "öffentlichen Plätze und Räume" eigentlich auch nur
als Kampfbegriff verstehen, der dazu dient, erst einmal das Klima für
eine flächendeckende Videoüberwachung zu schaffen. Die
"CCTV-Einstiegsdroge" sozusagen ;)

-- 
Ciao
Kai

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