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Re: [FYI] SZ: Ein Staat mit tausend Augen



Moin!

On 3 Jan 2004 , Kai Raven wrote about Re: [FYI] SZ: Ein Staat mit
tausend Augen:
> siehe
> Telepolis: Bestimmen dürfen, wer was wann weiß
> http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16326/1.html

> bestreichen kann. In Island hat der Bürgermeister von Reikjavik ein
> städtisches CCTV-TV-Programm gestartet, wo die Bürger den ganzen Tag
> mit Aufnahmen"ihres" Videoüberwachungsnetzwerkes versorgt werden -
> teilweise können die Leute sehen, dass der Nachbar gerade in der Küche
> am frühstücken ist.

> die Boulevardpresse verhökert. Es geht *nicht* um öffentliche Plätze,
> worunter Du vielleicht den Marktplatz, den Platz vorm Rathaus oder der
> Kirche meinst. CCTV-Überwachung bekommt nur einen Sinn, wenn sie
> möglichst flächendeckend und absolut ist - sonst stellt sich das

Öffentliche Plätze waren früher anders überwacht - der Schupo, der an
der Ecke steht, ist selber im Auge der Öffentlichkeit; die Nachbarn,
die uns ins Fenster hineinsehen, müssen sich das selbst auch gefallen
lassen.

Moderne Kommunikationstechnik macht aus dieser zweiseitigen Beziehung
eine einseitige; deshalb ist es auch witzlos, die Aufnahmen der
Überwachungskameras im Fernsehen zu senden; was ich sehen will, ist
eine Aufnahme vom Überwachungsraum, ich will sehen, wer die Bilder
sieht, ich will den Staat überwachen können, wie er mich überwacht.
(Man stelle sich vor, Kameras auf allen Fluren des
Abgeordnetenhauses). Wer bekommt meine Daten? Was weiß ich über
den/die? Wenn ich diese Informationen haben, wenn ich Schutzmann
Schmitz kenne, dann fühle ich mich sicher (und bin es auch).

Frau Albers fordert im oben zitierten Telepolis-Interview genau diese
Transparenz. Wenn man die Entwicklung bei der Telefonabhörung
betrachtet, sieht es im Moment leider eben nicht so aus, als bekämen
wir sie.

Die Videoüberwachung dient in ihrer Einseitigkeit der
Machtkonzentration, und in ihrer Langweiligkeit entzieht sie sich der
wirksamen Kontrolle. Das ist ja auch die grundsätzliche Problematik
des Datenschutzes. In einem politischen System, was die Macht die
Volke zuspricht, Insitutionen zu schaffen, die mehr Kontrolle über
das Volk haben als das Volk über sie, ist einfach nicht
wünschenswert.

Mal ernstgenommen: gäbe es wirklich Gründe, CCTV-Überwachung gegen
Straftäter einzusetzen, dann könnte man sie entweder punktuell
einsetzen (wie z.B. mobile Radaranlagen in der Verkehrsüberwachung),
oder aber zumindest den Bürgern erklären, wie sie dieses
Kommunikationsmittel nutzen können: wenn die Rechner Gesichter und
Kennzeichen erkennen können, welche Geste schaltet dann "meine"
Kamera auf einen Bildschirm, den auch ein Polizist sieht (weil mir
die Situation brenzlig vorkommt)? Die Technik ist da; dass es nicht
so gemacht wird (oder doch?), ist für mich Indiz, dass die
Systementwickler weniger die Hilfe bei Straftaten als die Kontrolle
über die potentiellen Straftäter im Blick hatten. Bäh!
(Und da die Straftäter sich der Kontrolle entziehen, kontrolliert die
teure Apparatur die "Normalbürger". Sehr sinnig!)

Warum nicht ein paar Jahre warten und den Bürgern Kameras in die Hand
geben, deren Bilder drahtlos an die Obrigkeit gesendet werden? Bleibt
die Kamera in der Tasche, sieht die Obrigkeit nichts; die
Systemlosigkeit der Datensammlung macht eine Recherche schwierig;
zugegeben, Gewalt gegen Sachen wird man so nicht beikommen können,
aber gegen Gewalt gegen Personen (womit ja wohl meist argumentiert
wird, wertvolle Sachen kann der Besitzer selbst überwachen) sollte
davon auch abgeschreckt werden. So ein System hätte eine starke
Komponente der Kontrolle durch die Bürger, und wenn die von der
Springer-Presse verängstigte Oma sich drei von Dingern umhängt, wenn
sie ausgeht, soll's mir auch recht sein.

Michael "mendel" Mendelsohn
--
The beginning starts in the middle, and the end suddenly stops.
"Der Anfang fängt in der Mitte an, und das Ende hört plötzlich auf."
  -- zitiert auf http://www.meocom-online.de/home/sabseb/zl.html


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