[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [FYI] Bundesweite Patienten-Datenbank geplant




Axel H Horns wrote:
URL dieses Artikels: http://www.netzeitung.de/deutschland/293941.html

Bundesweite Patienten-Datenbank geplant
02. Jul 2004 11:51

Jeder Kassenpatient soll künftig eine eigene elektronische Arznei-
Akte bekommen. Die Daten sollen laut einem Pressebericht bundesweit abrufbar sein.
Hausärzte, Kassen und Apotheken planen den Aufbau einer bundesweit abrufbaren Patienten-Datenbank. Das berichtet die «Bild»-Zeitung. Demnach sollen die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen vom kommenden Jahr an jeweils eine eigene elektronische Arznei-Akte bekommen.
In der Datenbank sollen dem Bericht zufolge alle verschriebenen und rezeptfrei gekauften Medikamente gespeichert werden. Auch Unverträglichkeiten des Patienten sollen demnach vermerkt werden.
Wie der Hausärzteverband in «Bild» erklärte, könnten Patienten mit Hilfe des neuen Systems beispielsweise am Urlaubsort gezielter von ortsansässigen Medizinern behandelt werden. (nz)
Bisher hat die Verwaltung des einzelnen Versicherten im bundesdeutschen GKV-System 150 Euro pro Jahr gekostet. Durch die oben genannte Maßnahme erhöhen sich die Verwaltungskosten innerhalb Jahresfrist auf 300 Euro pro Jahr. Die müssen zur Stabilisierung der Krankenkassenbeiträge an anderer Stelle natürlich wieder eingespart werden...

Ich habe mir die Reaktion auf diese Meldung in dieser Liste ganz bewußt ruhig angesehen. Nachdem jetzt aber 1 Woche lang nichts mehr gekommen ist, werde ich doch einmal ein paar Dinge dazu sagen.

Die Krankenakte eines Menschen ist mindestens genauso delikat wie ein über Mobilfunk- und Kreditkartensysteme oder IP-Daten erstelltes Bewegungsprofil eines homo telecommunicans oder homo oeconomicus. Wir werden auf lange Sicht mit mindestens zwei Problemen zu tun bekommen:

die Sicherstellung des Zugriffs nur für Befugte, sprich Ärzte und in einem gewissen Ausmaß Apotheker (die Krankenkassen bekamen bis Anfang diesen Jahres bis auf einige wenige Ausnahmen immer nur anonymisierte Daten zu sehen), und die vielen neu entstehenden Begehrlichkeiten von außen. Bestes Bespiel ist ja Toll Collect, dessen Datenschutzklausel in der Praxis meines Wissens keine 14 Tage Bestand hatte.

Vielleicht die einfachste neue Begehrlichkeit: beim Einstellungsgespräch nach der "Gesundheitskarte" gefragt zu werden.


Die Sicherung des Zugriffs ist in diesem Fall von folgenden Zahlen abhängig:


Es gibt in Deutschland etwa 50 - 60 000 Zahnärzte, etwa 200 000 weitere Ärzte und einige zehntausend Apotheken. Zu jedem Arzt und jeder Apotheke sind im Durchschnitt zwischen 2 und 5 Helferinnen und Angestellte hinzuzuzählen, die ebenfalls im Rahmen ihrer Tätigkeit Zugriff auf diese Daten haben. Böse hochgerechnet sind das etwa 1 Million Sicherheitsrisiken auf zwei Beinen. Dazu kommt, daß viele "Chefs" in diesem Metier von EDV keinerlei Ahnung haben, dafür ist ja der Computerfachmann zuständig. Aus dem Bereich des Versicherungswesens weiß ich aber, daß private Krankenversicherungen für eine Kopie der Festplatte eines Praxisrechners pro Fall, sprich Krankenakte, 150 DM zahlen. Für den Computerladen um die Ecke ein nettes kleines Zubrot bei 1000 bis 6000 und manchmal wesentlich mehr Fällen, die im Schnitt auf so einem System gespeichert sein können. Zusätzlich besteht das Risiko, daß per Data-Mining in dieser gigantischen Datenbank bei der Suche nach "Erkenntnissen" betreffend die "Volksgesundheit" der Nachweis der Erbgesundheit für den Ariernachweis, wie ihn unsere Großeltern vor der beabsichtigten Eheschließung über sich ergehen lassen mußten, ein recht kleines Übel gewesen ist, da aus solchen "Erkenntnissen", die sehr von ihrem ideologischen Ansatz abhängig sein können, manche Versicherungen für ihren Kunden Verpflichtungen ableiten, die zutiefst in seine persönliche Lebensführung eingreifen können, um nicht von entsprechend fehlgeleiteten Therapieansätzen, wie zum Beispiel die im letzten Jahr dann nach langer Zeit doch noch gestoppte Hormonersatztherapiestudie für Frauen in den Wechseljahren, zu sprechen.

Mit freundlichen Grüßen


R. Lemke


--
To unsubscribe, e-mail: debate-unsubscribe@lists.fitug.de
For additional commands, e-mail: debate-help@lists.fitug.de