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RE: Frage des konkreten Fortschritts der Verhandlungen



Auf http://www.ffii.org stehen Informationen von einer Vereinigung von
Softwarepatente-Gegnern.

Der Inhalt des Richtlinien-Entwurfs vom Mai 2004 ist so umschrieben: Auf den
ersten Blick wird die Patentierung von Software verboten, auch auf den
zweiten und dritten.  Wenn man es aber genauer liest, stellt man fest, dass
letztlich auch reine Programmlogik patentierbar wird, sofern sie Teil einer
"technischen Erfindung" ist, und in der Richtlinie wird nicht klargestellt,
dass z. B. Datenverarbeitung kein Gebiet der Technik (im Sinne des
Patentrechts) sein soll und dass die Kontrolle von Naturkräften ein
notwendiges Kriterium für die Patentierbarkeit einer Erfindung ist.

Somit bleibt es dann den Patentämtern und -gerichten überlassen, selbst
"Technik" zu definieren, und deren Sichtweise ist seit vielen Jahren
bekannt: Fortschrittsbalken ist technisch, weil damit der begrenzte Platz am
Bildschirm besser genutzt wird, und der Bildschirm ist ja ein technisches
Gerät.  Zahlungsverkehr im Internet ist technisch, weil Internet-Server,
Client-Rechner etc. schnell eine technische Vorrichtung darstellen.

Die Patentbefürworter, und dazu gehörte am 18. Mai im EU-Rat auch die
deutsche Bundesregierung, wollen nicht ausdrücklich Softwarepatente
zulassen.  Sie wollen nur die Patentierbarkeit so schwammig definieren, dass
am Ende auch Software weiter fleißig patentiert wird (wie seitens des
Europäischen Patentamtes schon ca. 30.000x geschehen).

Nun muss man noch wissen, dass am 18. Mai nicht förmlich im EU-Rat
abgestimmt wurde.  Es war eine Probeabstimmung, wobei es aber diplomatischen
Gepflogenheiten entspricht, in der formalen Abstimmung dann nicht dagegen zu
sein, wenn die Probeabstimmung eine qualifizierte Mehrheit hatte.  Das dient
zur Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren, denn ansonsten müssten
die Minister wohl jeden Monat zwei Wochen lang diskutieren und abstimmen;
wird etwas aber von den Beamten vorher geklärt, steht es nur als "A item"
auf der Tagesordnung und wird normalerweise ohne Debatte durchgewunken.

In diesem Fall ist es nicht mehr sicher, dass ein Durchwinken erfolgt, da
einige Länder im Nachhinein irritiert waren.  In den Niederlanden fasste die
Zweite Kammer (vergleichbar mit unserem Bundestag) eine Resolution, wonach
die niederländische Regierung ihre am 18. Mai gegebene Zustimmung zu diesem
Entwurf zurückziehen sollte.    Voraussichtlich am 24. September wird sich
der EU-Wettbewerbsrat treffen, und man wird sehen, was dann passiert.

Selbst im schlechtesten Fall (also dass dieser üble Entwurf auf Ratsebene
durchgeht) hat danach immer noch das Europaparlament die Möglichkeit, das
Ganze zu kippen.  Im September 2003 stimmte in einer Ersten Lesung bereits
eine Mehrheit für eine ganze Reihe von Änderungen an einem ursprünglichen
Entwurf und machte damit aus einer Legalisierung ein Verbot von
Softwarepatenten.  Danach ging der (aus unserer Sicht sehr begrüßenswerte)
Vorschlag des Parlaments an den EU-Rat, der sich in der beschriebenen Weise
verhielt.

Der Einfluss der Patentbürokratie, die ihren Machtbereich und ihre
Einnahmebasis möglichst ausweiten will, und der Großindustrie, die mit dem
Mittelstand lieber hinsichtlich der Zahl der gehaltenen Patente als über
Qualität und Preis konkurrieren würde, ist auf EU-Ratsebene größer als im
Parlament.  Im Großen und Ganzen ist unsere Demokratie zwar intakt, aber es
gibt eben auch Schwachstellen.

Florian


-----Original Message-----
From: Daniel Koerner [mailto:daniel.koerner@freenet.de] 
Sent: Monday, July 26, 2004 7:55 AM
To: debate@lists.fitug.de
Subject: Frage des konkreten Fortschritts der Verhandlungen
Importance: High

Hallo Leute,

jetzt habe ich eine aktuelle politische Sachfrage. Was genau ist
Inhalt dieses genannten "Richtlinien-Entwurfs" und welche konkrete
Situation ergibt sich daraus ?
(Interview von c't mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Link: http://www.heise.de/ct/04/16/158/ )


c't: Die Bundesregierung hat in Brüssel dem Vorschlag des Rates der
EU zu ?computer-implementierten Erfindungen? zugestimmt. Wird damit
das Regelungsziel erreicht, US-amerikanische Verhältnisse im
Patentwesen zu verhindern - also keine Trivialpatente und keine
Patente auf Computerprogramme und Geschäftsmethoden in Europa
zuzulassen?

Zypries: Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen; wie es mit
diesem Richtlinien-Entwurf weitergeht, ist ja offen. Das Europäische
Parlament ist jetzt am Zuge. Entweder das EP nimmt diesen gemeinsamen
Standpunkt an oder es lässt die Äußerungsfrist verstreichen, dann
würde diese Richtlinie als erlassen gelten. Dann könnte sich die Frage
anschließen, die Sie eben gestellt haben.

Daniel Koerner

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Daniel Koerner
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