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[FYI] [welt] Linux unter Druck
Hi,
http://www.welt.de/data/2004/08/06/315423.html
Fachlich wertvoller, journalistisch ausgereifter Artikel mit
Fachbeitraegen von Klaus-Urs Frickel und Mausi Mausi.
...ich lass das mal unkommentiert. Viel "Spass" bei der Lektuere:
===[schnipp]===
Linux unter Druck
Das kostenlose Betriebssystem mit dem Pinguin-Maskottchen wollte den
Goliath Microsoft attackieren. Jetzt steht der Angreifer selbst unter
Beschuss
von Hannelore Crolly
Im World Wide Web geht's hoch her, seit München sein verhätscheltes
Pinguin-Projekt auf Eis gelegt hat. Eigentlich wollte die Stadt gerade
imageträchtig damit beginnen, ihre Verwaltung auf das freie
Betriebssystem Linux umzustellen. Jetzt muss der Pinguin, das
Maskottchen von Linux, erst mal draußen bleiben aus dem Rathaus. Denn
durch eine Entscheidung des EU-Wettbewerbsrats, nach der Software
patentierbar werden soll, droht Lebensgefahr für das bei Programmierern
so beliebte Tierchen: Ein Stadtrat hatte gewarnt, dass allein der "Base
Client" von Linux, der auf 14 000 Rechnern installiert werden soll, in
Konflikt mit 50 Softwarepatenten gerate.
In Chats und Foren machen sich seither Fans und Gegner der freien
Software über Münchens Verzagtheit Luft - je nach Lagerzugehörigkeit
empört oder schadenfroh. "Die Linux-Fuzzis machen sich jetzt ins
Höschen. Ich setze auf die Profi-Software aus Redmond, kann mit Windows
& Co. ruhig schlafen und bin stets gut gelaunt", höhnt Nutzer "Klaus-Urs
Frickel". "Mausi Mausi" prophezeit Linux eine Zukunft als
Untergrund-Betriebssystem, "Satiricus" liefert als "IT-Professional" die
kostenlose Analyse: "Linux ist nur was für spielende Kinder." Angesichts
der Attacken hält "Agentneo" tapfer mit Lyrik dagegen. "Wo Dummheit,
Korruption und Gier regiert, der kreative und innovative Bürger nur
verliert", dichtet er. Dann gehen Agentneo zwar die Reime aus, aber
loswerden muss er es dennoch: "Viele haben freiwillig und unentgeltlich
etwas Gutes für alle geschaffen. Ein paar wenige wollen es nun zu ihrem
Vorteil verkapitalisieren."
Der Streit dreht sich nicht zuletzt darum, ob München mit seiner selbst
verordneten Projekt-Pause nicht übereilt gehandelt und der Linux-Welt
unüberlegt schweren Schaden zugefügt habe. Von "Panikreaktion" ist da
die Rede und einem "krachenden Eigentor". Doch die Entscheidung des
IT-Beauftragten ist nachvollziehbar: Auch in den USA glauben Beobachter,
dass Softwarepatente dem freien Betriebssystem - wie überhaupt dem "Open
Source"-Gedanken - das Leben schwer machen werden. Es wird befürchtet,
dass Unternehmen, die Patente auf unzählige Programmcodes halten, zur
Kasse bitten könnten. Für solche Fälle müssten Nutzer mit
unkalkulierbaren Lizenzgebühren rechnen. Der Traum von der freien
Software wäre dann geplatzt.
Nach einer Studie des Unternehmens Open Source Risk Management (OSRM)
werden in Linux 283 geschützte Technologien verwendet, die bislang nicht
gerichtlich überprüft wurden. Allein 60 dieser Patente hält IBM. "Big
Blue" hat zwar gerade angekündigt, nicht gegen die Nutzung dieser
Technologien vorzugehen. Doch das ist kein Wunder: IBM hat schließlich
selbst massiv in die Weiterentwicklung und Anwendung von Linux
investiert. Doch wie sich Microsoft verhalten wird, ist völlig unklar.
Der erklärte Open-Source-Gegner aus Redmond hält laut OSRM-Studie
gesicherte Rechte an 27 Technologien, die im Rahmen von Linux eingesetzt
werden.
Die Unsicherheit greift ausgerechnet in einer Zeit um sich, da sich
Linux langsam aus dem Schattendasein herausarbeiten kann. Immer häufiger
taucht der Pinguin "Tux" in Zeitungen und Magazinen auf, immer öfter
interessieren sich Firmen und Behörden für die Windows-Alternative. Zwar
läuft das Betriebssystem bisher auf nicht einmal fünf Prozent aller
Computer weltweit, und selbst dort, wo es installiert ist, wird es nicht
immer genutzt. Doch die Sympathie ist dem Open-Source-Produkt sicher,
und immer mehr Hersteller wie IBM, Sun oder NEC wenden sich Linux zu. HP
hat sogar gerade das erste Notebook präsentiert.
Doch der wachsende Erfolg bringt auch Gegner und Neider auf den Plan.
Nicht nur, dass Linux-Systeme häufiger als früher von Hackern attackiert
werden. Auch werden die Stimmen jener Kritiker immer lauter, die Linux
als anwenderfeindlich, schwer zu bedienen und überdies nicht in großen
Netzwerken einsetzbar bezeichnen. Dass die größte Gefahr jedoch von den
Patenten droht, zeigen die Klageversuche des US-Softwareunternehmens
SCO. Die Firma wirft IBM vor, geschützte Quellcodes an die
Linux-Gemeinde weitergegeben zu haben und verlangt drei Mrd. Dollar
Schadensersatz.
"Fassen Sie Open-Source-Software nicht an, bevor Sie über ein Team von
Anwälten für geistiges Eigentum verfügen", warnt daher auch Scott
McNealy, Chef von Sun Microsystem. Sun verkauft selbst Linux-basierte
Server und plant, auch Desktop-Systeme mit Linux anzubieten. "Wir bieten
Schadensersatz, aber viele Anbieter tun dies nicht", sagte der
Konzernchef und prophezeit eine "ernsthafte Herausforderung in Sachen
geistiges Eigentum."
Diese Warnung hat München beherzigt. Denn die Stadt will vor allem
kleine und mittlere Firmen beauftragen, Linux-Anwendungen zu schreiben.
Anders als IBM oder Sun können diese Unternehmen ihre Kunden aber nicht
vor Patentrisiken schützen. München begibt sich also mit dem Pinguin
aufs Glatteis - und wartet daher lieber erst mal ab.
Artikel erschienen am Fr, 6. August 2004
(c) WELT.de 1995 - 2004
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Tschuess, Tim.
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'Wenn du den Charakter eines Menschen pruefen willst,
dann gib ihm Macht.' -> Abraham Lincoln
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