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Re: Zwei Gedanken zu Links



Nils Ketelsen wrote:
> On Mon, Oct 11, 2004 at 10:47:45AM +1000, Peter Ross wrote:
>
> Vielleicht sollte man sich im Rahmen der Globalisierung, auch von
> Informationen, aber mal ueberlegen ob die Idee etwas verbieten zu
> wollen, was in jedem anderen freien Land (und das sind ja so die
> Hauptteilnehmer am Internet) erlaubt ist, nicht einfach an
> Undurchsetzbarkeit scheitert.

Du wirst mit einer Initiative, Art. 86 des StGB zu verbieten, ziemlich gut
scheitern. Das ist "Undurchsetzbarkeit" im Bereich Gesetzgebung.

BTW: Ich lasse den ganzen Artikel hier noch einmal stehen:

§ 86
Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen

(1) Wer Propagandamittel

  	1. 	einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten
Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar
festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist,
  	2. 	einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich
gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der
Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt
ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung
ist,
  	3. 	einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des
räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer
der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen
tätig ist, oder
  	4. 	Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind,
Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation
fortzusetzen,

im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland
herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern
öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften (§
11 Abs. 3), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der
staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger
Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der
Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der
Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.

(4) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach
dieser Vorschrift absehen.

---

Entschuldigung, ich bin Techniker, aber ich sehe eigentlich durch das StGB
den freien Gebrauch gemaess Abs. 3 nicht gefaehrdet.

Abs. 4 sagt auch, dass man Geringfuegigkeit feststellen und auf Bestrafung
verzichten kann. Klingt sehr vernuenftig und laesst Richtern
Ermessensspielraum, um "echte" Hetze von Alvars Intention abzugrenzen.

Auch, wenn man es nicht unterbinden kann, ist es trotzdem m.E. kein
Bagatellfall. Neben der eigentlichen Durchsetzung des Rechts ist auch das
Aussprechen von Grenzen, welches jedem das Illegale seines Tuns vor Augen
fuehrt, ein wichtiger Punkt in der Gesetzgebung. Man schafft Normen, an
die man sich zu halten hat.

Vergleiche es mal mit Schwarzfahren. Allein der Gedanke, etwas Illegales
zu tun, haelt viele davon ab. Fuer die Uneinsichtigen gibt es die
Kontrolleure, die zwar nicht jeden erwischen, aber doch erheblichen Druck
ausueben, um sich im Rahmen des Erlaubten zu bewegen.

Nun, nicht jeder Schwarzfahrer wird bestraft. Willst Du darum das
Schwarzfahren legalisieren?

Man muss sich nur ueberlegen, was zur Durchsetzung eines Gesetzes
angemessen ist. Da scheiden sich die Geister. Fuer mich ist z.B. Filtern
fuer alles wie das flaechendeckende Einfuehren von Strassenkontrollen zur
Eindaemmung der Kriminalitaet. (Ich weiss, alle Vergleiche hinken) Ich
lebe lieber mit dem "Restrisiko".

>> Richter haben einen Ermessensspielraum - und koennen sich auch irren,
>> unbedarft sein etc. Aber vielleicht sollte man auch der Justiz einen
>> gewissen Reifegrad zugestehen, verantwortlich im Sinne der
>> Gesetzgebung zu entscheiden, ohne Grundwerte der Demokratie (wie z.B.
>> Meinungsfreiheit) grundlegend zu beschaedigen.
>
> Ich spreche Richtern (zumindest im Allgemeinen) diese Faehigkeit nicht
> ab. Man muss aber auch bei der juristischen Bewertung von Dingen mal
> mit der Zeit gehen. Das Ausland ist halt nur noch einige Millisekunden
> entfernt, wenn es um Informationen geht. Das muss auch mal den Juristen
> klar werden.

Und? Alvar hat gewissermassen Gedankengut zitiert, welches unter den o.g.
Artikel faellt oder fallen koennte. Wenn sich jemand dran stoert, ist es
rechtens, ihn anzuzeigen, und er hat nun das Recht, sich zu verteidigen,
und den Kontext dazulegen, der seiner Meinung nach sein Tun nicht strafbar
macht.

Das hat alles aeusserst wenig mit Technik zu tun. Das WWW macht
o.g.Artikel des StGB meiner Meinung nicht obsolet.

Ich glaube, diese ganze Diskussion leidet eher daran, dass man fuer alle
Zeiten festklopfen moechte, was dann nun wie unter Verbreitung zu
verstehen ist. Wie schon die technischen Geplaenkel zeigen, (javascript
etc.) ist das kaum moeglich. Ich halte es voellig okay, dass nicht in
Grundsatzurteile zu giessen, sondern im Einzelfall zu entscheiden.

In diesem Punkt empfinde ich uebrigens die Diskussion als "typisch
deutsch".  Es scheint der deutschen Seele vor allem, was nicht endgueltig
geregelt ist, zu grausen;-)

Anyway, alles das findet nicht unter einem "Regime" statt, sondern im
Rahmen demokratischer Rechtssprechung.

Gruss
Peter





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