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Re: Auswertung von Web-Seiten gerichtlich eingeschränkt



* Thomas Stadler:

> Die Frage ist also erneut - wie bei Paperboy auch - auf welche Art
> und Weise Daten, die im Web allgemein zugaenglich sind, ausgewertet
> werden duerfen.

"Web"? Das ist doch wesentlich allgemeiner. Im Netz gibt es
haufenweise Datenbanken, die zwar öffentlich abfragbar sind, aber nur
in bestimmten, vom Betreiber vorgegebenen Weisen. Es besteht teilweise
ein erhebliches Interesse an anderen Abfragemöglichkeiten (z.B. statt
"IP-Adresse für www.heise.de" "alle Domains, die 'heise' oder eine
ähnlichen Zeichenkette enthalten).

> Das LG Berlin hat sich mit dieser Frage leider nur sehr kurz 
> auseinandergesetzt und insoweit die nicht naeher begruendete These 
> aufgestellt, dass Bettercom anders als Paperboy nicht lediglich die 
> Benutzung einer Datenbank anrege, sondern sie ersetze.

In vielen Fällen kommt ein Ersetzen bereits aus Gründen der Aktualität
und Verbindlichkeit nicht in Frage. Das gilt selbst für den Fall, daß
die Datenbank komplett dupliziert wird. Angebote wie Ebay oder Debian
leben nicht nur von den Daten als solchen, sondern auch von der ganzen
Infrastruktur dahinter und vor allem von ihrem Nutzerstamm, der dafür
sorgt, daß sich die Daten fortwährend ändern.

> Wenn ja, dann wird sich die Frage anschliessen muessen, weshalb man
> dann Suchmaschinen nicht generell als Verletzung der Rechte von
> Datenbankherstellern ansehen muss.

Viele übers WWW verfügbaren Datenbanken sind technisch so ausgelegt,
daß sie von Suchmaschinen nicht erfaßt werden. Eine direkte Erhebung
beim Datenbankanbieter scheidet in vielen Fällen aus. Wenn sie doch
möglich ist, halte ich es zumindest für moralisch bedenklich, sich
über den erklärten Willen des Betreibers hinwegzusetzen. Anders sehe
ich das bei nicht beabsichtigten, protokollgegebenen Einschränkungen
(vgl. das erwähnte Beispiel zu DNS).

Ebay verhindert aber kurioserweise gar nicht die Katalogisierung ihres
Datenbestandes, sondern scheint sie sogar ausdrücklich gutzuheißen:

| The use of robots or other automated means to access the eBay site
| without the express permission of eBay is strictly prohibited.
| Notwithstanding the foregoing, eBay may permit automated access to
| access certain eBay pages but soley for the limited purpose of
| including content in publicly available search engines.

<http://cgi.ebay.de/robots.txt>

In dieser Datei werden allerdings keine wesentlichen technischen
Einschränkungen für die Erhebung durch Suchmaschinen festgelegt.

> Der BGH hat dieses Problem und auch seine Tragweite erkannt und
> deshalb in der Paperboy-Entscheidung - fuer viele ueberraschend -
> einen sehr grosszuegigen Eingriff in ueber das WWW abrufbare
> "Datenbanken" gestattet.

Nicht nur über das WWW abrufbare Datenbanken. Der BGH scheint eine
extrem restriktive Ansicht zu vertreten, was Handlungen sind, die
"einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen" (§87b UrhG).
Mir scheint, man hat das "oder" in "einer normalen Auswertung der
Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des
Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen" als "und" gelesen.
Ich interpretiere den Wortlaut des §87b UrhG jedenfalls so, daß der
Gesetzgeber damit sicherstellen wollte, daß allein der
Datenbankhersteller darüber entscheidet, welche Abfragemethoden er zu
welchen Bedingungen bereitstellt. Wenn die Datenbank also eine große
Tabelle mit mehreren Spalten A, B, C, ... ist, und der Betreiber nur
eine Suche nach Werten in der Spalte A anbietet, dann sollte man sich
nicht dabei erwischen lassen, wenn man eine Suche über Spalte C
ermöglicht -- egal wie das technisch umgesetzt wird.

Das soll aber nicht heißen, daß ich die BGH-Interpretation nicht aus
vollem Herzen gutheißen würde. Wir haben doch allerortens die
Situation, daß Datenbankbetreiber sich weigern, Abfragen zu
ermöglichen, an denen ein erhebliches öffentliches Interesse besteht,
sei es aus mangelndem Interesse, fehlendem technischen Sachverstand,
zwecks Vermeidung rechtlicher Risiken, oder um bestimmte Interessen zu
schützen (ganz abgesehen von der Datenschutzproblematik, die in diesem
Zusammenhang häufig aber nur vorgeschoben ist). Ein Verbot von
Fremdauswertungen von Datenbeständen führt in eine ganz falsche
Richtung.

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