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[FYI] T-Online geht weiter gegen Verbot der IP-Adressenspeicherungvor



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T-Online geht weiter gegen Verbot der IP-Adressenspeicherung vor

T-Online hat im Streit um die Speicherung von IP-Adressen bei Flatrate-Nutzern bis 80 Tage nach Rechnungsstellung Nicht-Zulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) gegen ein Urteil des Landgerichts Darmstadt[1] eingereicht. Dies bestätigte ein Sprecher des Providers gegenüber heise online. Der in Darmstadt angesiedelte Ableger der Deutschen Telekom unternimmt damit gehörige Anstrengungen, um an seiner von Datenschützern kritisierten Praxis der Aufbewahrung von Nutzerdaten festhalten zu können. Denn angesichts des niedrig angesetzten Streitwerts in Höhe von 4000 Euro hatte das Landgericht eine Revision nicht zugelassen. Der Internetanbieter muss daher beim BGH zunächst erreichen, dass die Fortführung der juristischen Auseinandersetzung überhaupt zugelassen wird und dafür etwa den vom Gericht festgelegten Streitwert anfechten.

In dieser Frage hatte T-Online ursprünglich zu Protokoll gegeben, dass eine spezielle Behandlung der Verbindungsdaten nebst IP-Adressen des Klägers nicht möglich sei. Vielmehr müsse kostspielig das gesamte Abrechnungssystem geändert werden. Inzwischen hat T-Online aber anscheinend doch andere Möglichkeiten gefunden. Denn es seien dem Urteil entsprechend nicht nur bereits aufgezeichnete Verbindungsdaten des klagenden Flatrate-Nutzers gelöscht worden, betonte der Unternehmenssprecher. Vielmehr würden "die zukünftig anfallenden Verbindungsdaten des Kunden nach Übermittlung an uns ebenfalls identifiziert und gelöscht". Eine Ausweitung der Datenlöschung auf andere Nutzer sei nicht erforderlich, da der Richterspruch Rechtskraft lediglich zwischen den beiden streitenden Parteien entfalte.

Bei dem Kläger handelt es sich um den Münsteraner Holger Voss, der Anfang 2003 wegen eines satirischen Beitrags in einem Forum des zum Heise Zeitschriften Verlag gehörenden Online-Magazins Telepolis angeklagt[2] und freigesprochen[3] worden war. In diesem Verfahren wurde ihm klar, dass T-Online die Kunden zugewiesenen IP-Adressen bis zu 80 Tage nach Rechnungslegung in Verbindung mit den persönlichen Bestandsdaten der Nutzer speichert. Während dieses Zeitraums können Ermittlungsbehörden mit einem richterlichen Beschluss die Herausgabe dieser Daten erwirken.

T-Online hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Aufbewahrung der Verbindungsdaten für die Abrechnung des Internetzugangs selbst erforderlich sei. Schließlich könnte je nach Wahl der Zugangsart über ein Analog-Modem, einen ISDN-Anschluss oder über Handy beziehungsweise bei der Einrichtung eines weiteren Nutzers ein zusätzliches, zeitabhängiges Entgelt fällig werden. Zum anderen biete man über die eigene Online-Plattform eine Vielzahl weiterer Dienste an, bei denen zusätzliche und zum Teil auch volumenabhängige Kosten anfallen könnten. Voss hatte demgegenüber argumentiert, dass trotzdem die bei der DSL-Einwahl anfallenden Daten nicht gespeichert werden müssten.

Das Landgericht gab dem Kläger größtenteils Recht. Wie aus der inzwischen vorliegenden Begründung des Urteils hervorgeht, hat die Kammer festgestellt, dass IP-Adressen nach Verbindungstrennung zu löschen sind und Volumendaten bei Flatrates erst gar nicht erhoben werden dürfen. Anfangs- und Endzeitpunkt der Verbindungen dürfen nur ausnahmsweise gespeichert werden, wenn -- wie bei T-Online -- "nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zeitabhängige Entgelte entstehen" können. Zudem hat das Gericht klargestellt, dass einschlägige Paragraphen aus dem Telekommunikationsgesetz (TKG) zur "Missbrauchsbekämpfung" nur "vorfallsbezogene Maßnahmen" bei der Archivierung von Nutzerdaten rechtfertigen, aber keine "generelle Speicherung".

Das Urteil arbeitet weiter heraus, dass Zugangsanbieter keinen Teledienst erbringen, sondern einen Telekommunikationsdienst. Das bedeutet laut dem Elmshorner Juristen Patrick Breyer, "dass für Access-Provider der Bundesbeauftragte für Datenschutz zuständig ist und nicht das Regierungspräsidium Darmstadt". Dieses habe seine Zuständigkeit als vermeintliche Aufsichtsbehörde für den Datenschutz bei T-Online zu Unrecht angenommen. Die Behörde hatte die Speicherpraxis des Providers zunächst in vollem Umfang für rechtens erklärt. Breyer hatte daraufhin in einer Eingabe an die EU-Kommission die nach EU-Recht nicht erlaubte direkte Anbindung von Datenschutzstellen an den Staat beklagt. Brüssel reagierte mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens[4] gegen Deutschland, da die "Organisation der für die Überwachung der Datenverarbeitung im nicht-öffentlichen Bereich zuständigen Kontrollstellen nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar" sei.

Zur Erstellung der Begründung für die Nicht-Zulassungsbeschwerde hat sich T-Online laut Voss bis zum 29. Mai Zeit ausbedungen. Die Begründung wäre eigentlich schon am 29. März fällig gewesen, aber der Provider habe eine Fristverlängerung erwirkt. T-Online versucht nach Ansicht Voss' das Verfahren hinauszuzögern, bis Änderungen an der gesetzlichen Lage eine umfassende Vorhaltung von Verbindungsdaten sogar verbindlich machen würden.

In diesem Sinne erinnerte der T-Online-Sprecher an den Beschluss des EU-Parlaments zur Vorratsspeicherung[5] von Telefon- und Internetverbindungsdaten. Gehe man davon aus, dass demnächst eine entsprechende Regelung in deutsches Recht transformiert[6] werde, die eine Speicherung der Zugangs- und Verbindungsdaten der Dienste E-Mail und VoIP vorsieht, ergebe sich ein geradezu konträres Szenario. Voss hält es angesichts der jüngsten Entwicklungen für nötig, dass es zum Schutz der IP-Adressen weitere Prozesse und öffentlichen Druck auf Provider sowie die datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden gibt. Außerdem müsse die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung gerichtlich gestoppt werden.

Siehe dazu auch:

* T-Online darf nur für Rechnung nötige Verbindungsdaten speichern[7]

* Berufungsverhandlung gegen T-Online wegen Speicherung von Kundendaten[8]
* IP-Adressspeicherung wird Gerichte weiter beschäftigen[9]
* Aufbewahrungsverbot[10], Gericht untersagt Speicherung von dynamisch zugewiesenen IP-Adressen, c't 15/05, S. 32
* Gericht: Speicherung von IP-Adressen bei T-Online rechtswidrig[11]
* T-Online wegen Speicherung von Flatrate-Kundendaten verklagt[12]

* Freispruch für Telepolis-Forenteilnehmer Holger Voss[13]
* Auch Online-Diskussionen haben rechtliche Grenzen[14]
* Forumsteilnehmer muss sich vor Gericht verantworten[15]

* Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten in der Telekommunikation[16]

(Stefan Krempl) /

(jk[17]/c't) (jk/c't)

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