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BGHZ 66, 182 (Fernsehen, Newsserver, Schwarze Bretter)



>Gericht: BGH 6. Zivilsenat
>Datum: 1976-04-06
>Az: VI ZR 246/74
>NK: GG Art 5 Abs 1 Fassung: 1949-05-23, BGB  249 Fassung: 1896-08-18,
>BGB  812 Fassung: 1896-08-18, BGB  823 Abs 1 Fassung: 1896-08-18, BGB  1004
>Fassung: 1896-08-18, GVG  13
> 
>Leitsatz
>(Verletzung des Persoenlichkeitsrechts durch unrichtige Darstellung in einer
>Fernsehsendung)
>1. Fuer Ansprueche wegen Verletzung des Persoenlichkeitsrechts durch eine die
> Ehre
>beeintraechtigende Rundfunk- oder Fernsehsendung ist der Zivilrechtsweg, nicht
>der Weg zu den VG eroeffnet.
>2. Das Fernsehen muss sich nicht immer schon dann eine von ihm ausgestrahlte
>ehrverletzende Kritik eines Dritten als eigene zurechnen lassen, wenn es sie in
>seiner Sendung aufgreift, um sich mit dem Gegenstand jener Kritik selbst
>kritisch zu beschaeftigen.
>2.1 Zu den Voraussetzungen, unter denen das Fernsehen wegen solcher AEusserungen
>eines Dritten selbst als "Stoerer" bzw Schaediger auf Unterlassung, Widerruf
> oder
>Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann.
>3. Nur unter besonderen Umstaenden kann der durch eine unrichtige Darstellung im
>Fernsehen in seinem Persoenlichkeitsrecht Verletzte, dem das Recht die
>Moeglichkeit zur Gegendarstellung gibt, von der Fernsehanstalt oder ihren
>Mitarbeitern seine Aufwendungen fuer eine Anzeigenaktion erstattet verlangen,
>mit der er in der Presse eine berichtigende Darstellung anstelle oder neben der
>Gegendarstellung hat veroeffentlichen lassen.
>Orientierungssatz
>1. Das Fernsehen kommt als Stoerer bzw Schaediger in Betracht, wenn kritische
>persoenlichkeitsverletzende AEusserungen Dritter derart in die eigene kritische
>Stellungnahme der Autoren der Sendung eingebettet werden dass die Sendung
>insgesamt als eine sozusagen lediglich mit verteilten Rollen gesprochene eigene
>Kritik des Fernsehens erscheint.
> 
>Fundstelle
>BGHZ 66, 182-198 (LT1-3)
>NJW 1976, 1198-1202 (LT1-3)
>MDR 1976, 749-751 (ST1-3)
>DOEV 1977, 70-70 (ST1-3)
>LM Nr 155a zu  13 GVG (S1-3)
>LM Nr 15 zu  249 BGB (S1-3)
>LM Nr 117 zu  812 BGB (S1-3)
>LM Nr 38 zu Art 5 GrundG (S1-3)
>LM Nr 55 zu  823 BGB (ST1-3)
>LM Nr 140 zu  1004 BGB (S1-3)
> 
>Diese Entscheidung wird zitiert von:
>BGH 1977-11-15 VI ZR 101/76 Ergaenzung
>OLG Stuttgart 1981-12-16 4 U 88/81  Anschluss
>BGH 1982-06-22 VI ZR 251/80 So auch
>BGH 1982-06-22 VI ZR 255/80 Vergleiche
>BGH 1985-12-03 VI ZR 160/84 Fortfuehrung
>OLG Muenchen 1985-04-18 6 U 2385/84 Vergleiche
>OLG Frankfurt 1990-02-02 2 U 172/89 Vergleiche
>BVerwG 1994-06-07 7 B 48/94 Anschluss
>NJW 1976, 1202, Eschenlohr, Harald (Anmerkung)
>AfP 1976, 85-88, Mathy, Klaus (Anmerkung)
>Film und Recht 1976, Nr 9, 581-588, Grossmann, Karl-Heinz
>(Entscheidungsbesprechung)
>GRUR 1976, 656-658, Katzenberger (Anmerkung)
>JA 1976, 507-510, XX (Entscheidungsbesprechung)
> 
>Tatbestand
>I. Der Klaeger wurde im Jahre 1947 aufgrund des Laenderratsgesetzes Nr 48 zur
>Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform (GSB) vom 18. September 1946
>(BayBS IV 336) zur Landabgabe herangezogen. Durch Landabgabebescheid wurde sein
><schnipp>
>oeffentlich-rechtlich ausgestaltet sein sollte. Zumindest jene der Sache nach
>ausgrenzbaren Beziehungen, bei denen es um die Abwaegung der Interessen der
>Sendeanstalten an freier Programmgestaltung gegenueber dem Schutz der
>Individualsphaere geht, sind auf der Ebene privatrechtlichen Miteinanders
>geordnet. Auf solche Fallgestaltung trifft der Grundsatz nicht zu, dass die
><schnipp>
>2. Die Passivlegitimation der Beklagten wird auch nicht dadurch eingeschraenkt,
>dass Vorwuerfe, deren Unterlassung und Widerruf der Klaeger verlangt, in jenem
>Film von interviewten (Drittpersonen) Personen - dem Landtagsabgeordneten K.
>und dem Siedler B. - im Gespraech mit dem Drittbeklagten bzw Viertbeklagten
>erhoben worden sind.
>Freilich sind die Fernsehanstalt und ihre fuer die Sendung verantwortlichen
>Mitarbeiter nicht schon hinsichtlich jeder ehrverletzenden oder rufgefaehrdenden
>AEusserung, die vom Fernsehen aufgezeichnet und ausgestrahlt wird, als "Stoerer"
>oder "Schaediger" fuer Ansprueche des Betroffenen passivlegitimiert. Wo das
>Fernsehen als Veranlasser oder Verbreiter einer AEusserung zuruecktritt und -
> etwa
>im Rahmen einer gar "live" ausgestrahlten Fernsehdiskussion - gewissermassen nur
>als "Markt" der verschiedenen Ansichten und Richtungen in Erscheinung tritt,
>widerspraeche es dem Wesen des Mediums und seiner Funktion, es neben oder gar
>anstelle des eigentlichen Urhebers der AEusserung in Anspruch nehmen zu koennen.
>Eine der wichtigsten Aufgaben von Rundfunk und Fernsehen ist, der
>Meinungsvielfalt die Moeglichkeit zur Darstellung zu geben und gerade auch
>Minderheiten zum Wort zu verhelfen; vornehmlich zur Gewaehrleistung dieser
>Moeglichkeit ist durch Art 5 Abs 1 GG die Rundfunkfreiheit (die auch das
>Fernsehen schuetzt) verfassungsrechtlich garantiert. Das verpflichtet dazu,
>schon bei Beantwortung der Frage, ob das Fernsehen allein wegen des
>Ausstrahlens einer ehrverletzenden AEusserung belangt werden kann, den
>Besonderheiten Rechnung zu tragen, die sich aus seiner Rolle ebenso wie aus den
>Moeglichkeiten und Zwaengen fernsehgerechter Darstellung ergeben, damit nicht
>durch vorschnelle Bejahung solcher "Teilnehmerschaft an der Stoerung" der
>verfassungsrechtlich gewaehrleistete Zugang zu diesem Meinungsmarkt "Markt"
>unzulaessig verengt wird.
>Diese Gesichtspunkte sind ebenso bei der davon zu unterscheidenden Frage zu
>beachten, ob von der Fernsehanstalt selbst die Beseitigung solcher "Stoerung"
>etwa durch Widerruf der ehrverletzenden AEusserung verlangt werden kann, oder
> nur
>die Mitwirkung hieran durch die Erklaerung, dass sie von jener AEusserung
> abruecke,
>oder gar nur die Bereitschaft, dem Beleidiger Moeglichkeiten zum Widerruf mit
>den Mitteln des Fernsehens einzuraeumen. Auch sonst kann von jemandem, der die
>beanstandete AEusserung nicht selbst getan, sondern nur verbreitet oder
>zugelassen hat, ohne sich zu eigen zu machen, in der Regel nur das Abruecken von
>der von einem anderen gemachten AEusserung, nicht aber ein Widerruf verlangt
>werden, da er selbst nicht zu widerrufen hat, der Widerruf zudem als letzter
>Rechtsbehelf nur dort eingesetzt werden darf, wo dem Interesse des Betroffenen
>auf anderen Wegen nicht hinreichend entsprochen werden kann (vgl BGHZ 14, 163,
>176; Helle, Der Schutz der Persoenlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen
>Rufes im Privatrecht, 2. Aufl S 34ff; 185). Etwas anderes gilt dann, wenn sich
>der Verbreiter mit der AEusserung des Dritten identifiziert hat, so dass sie als
>seine eigene AEusserung erscheint. Doch ist auch in der Bejahung der
>Voraussetzungen fuer solche Identifikation des Fernsehens mit der von ihm
>ausgestrahlten AEusserung eines Dritten Zurueckhaltung geboten; insbesondere
> darf
>dies nicht ohne Wuerdigung des Rahmens, in den die AEusserung gestellt war, der
>Art der Sendung und ihres Anliegens, der vom Medium und der Technik
>vorgegebenen Verhaeltnisse geschehen. Dadurch allein, dass das Fernsehen
>AEusserungen Dritter ausstrahlt, ohne sich zugleich ausdruecklich von ihnen zu
>distanzieren, identifiziert es sich regelmaessig noch nicht mit ihnen - auch im
>Verstaendnis des Fernsehzuschauers nicht. Ebensowenig wird eine solche
> AEusserung
>schon dadurch zu derjenigen des Fernsehens, weil sie innerhalb der Sendung
>besonderes Gewicht erhaelt, etwa weil die Kritik wegen ihres Gegenstandes oder
>Inhaltes besonderes Interesse weckt. Auch der Umstand, dass vorwiegend aus
>sendetechnischen Ruecksichten die AEusserung nicht "live", sondern als
>Aufzeichnung ausgestrahlt wird, kann hierfuer nicht immer ausschlaggebend sein.
>Heraushebungen, die die AEusserung eines Dritten etwa durch den Schnitt, die
>Musikuntermalung erfaehrt, sind vielfach durch das Medium, nicht durch die
>kritische Einstellung der Verantwortlichen bedingt. In aller Regel sieht das
>auch der Zuschauer so; indem sich ihm die Person, die zu Wort kommt, zugleich
>bildlich darstellt, ordnet er die kundgegebene Meinung zunaechst dieser Person
>und im allgemeinen nicht der Fernsehredaktion zu.
>Eine Identifikation des Fernsehens mit der kritischen AEusserung eines Dritten
>ist dem Grundsatz nach auch nicht schon deshalb zu bejahen, weil ein sich
>selbst als kritisch verstehendes Fernsehmagazin wie "PANORAMA" sie in seiner
>Sendung aufgreift, um sich mit dem Gegenstand jener Kritik selbst ebenfalls
>kritisch zu beschaeftigen, mag die Tendenz jener Sendung auch in aehnliche
>Richtung wie die AEusserung des Dritten zielen. Im allgemeinen erscheint auch in
>diesem Rahmen, insbesondere im Licht der mit solchen Sendungen vom Fernsehen
>legitim beanspruchten Kontrollaufgaben und Informationsaufgaben die Erklaerung
>etwa eines Diskussionsteilnehmers oder einer interviewten Person als "fremde"
>Kritik, der mit der Sendung lediglich als solcher zum Wort verholfen wird. Dass
>sie das Engagement des Fernsehmagazins zu dessen eigener Kritik ausloest, liegt
>in der dem Zuschauer bekannten Aufgabenstellung der Sendung begruendet und
>aendert hieran nichts.
>b) Indes bedarf es im Streitfall keiner abschliessenden Untersuchung, wo im
>einzelnen die Grenze zwischen der Verbreitung einer "fremden" und einer sich
>"zu eigen" gemachten AEusserung eines Dritten durch das Fernsehen verlaeuft,
> wann
>vom Fernsehen wegen Verbreitung einer "fremden" AEusserung von einem durch sie
> in
>seiner Ehre Betroffenen wenn schon nicht Widerruf, so doch ein "Abruecken" von
>ihr verlangt werden kann und unter welchen Umstaenden das Fernsehen trotz
>Ausstrahlung solcher "fremden" AEusserung nicht als "Stoerer" oder "Schaediger"
> in
>Betracht kommt. Jedenfalls wenn solche kritische AEusserungen derart in die
>eigene kritische Stellungnahme der Autoren der Sendung eingebettet werden, dass
>die Sendung insgesamt als eine sozusagen lediglich mit verteilten Rollen
>gesprochene eigene Kritik des Fernsehens erscheint, in dem Einsatz solcher
>Drittbeitraege geradezu eine Dramaturgie sichtbar wird, kann sich das Fernsehen
>nicht darauf berufen, dass die AEusserungen keine "eigenen" gewesen sind. So
> aber
>liegt es nach den Feststellungen, die das Berufungsgericht, das sich den Film
>hat vorfuehren lassen, aus eigener Anschauung getroffen hat, hier. Zu der
>Befuerchtung, das Berufungsgericht habe jene medialen Moeglichkeiten und
> Aufgaben
>des Fernsehens nur verkuerzt gesehen, besteht kein Anlass. Sind danach die
>AEusserungen des Diskussionsteilnehmers K. und des interviewten B. zugleich
>solche der Beklagten, so ist auch unter diesem Gesichtspunkt ihre
>Passivlegitimation fuer die geltendgemachten Widerrufsansprueche und
>Unterlassungsansprueche weder beschraenkt noch modifiziert.
									
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>In my experience with birthday parties for children, a game of musical
>chairs is elevated to musical ecstasy when the accompaniment is "What I Say"
>from Live-Evil.