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(fwd) Re: CIX-DE: "Freiwillige Selbstkontrolle"



Hier die erste Reaktion von M. S. auf unsere Pressemeldung. 
Die Profis moegen mir vergeben, dass beim Posten vom fitug-Server
aus, sich noch eine Konfigurations-Variable der Aufsicht entzogen
hat (normalerweise poste ich von woanders).

Gruss, Juergen


Path: news.cube.net!stasys!sungy!news2me.EBay.Sun.COM!venus.sun.com!ames!nntp-server.caltech.edu!vixen.cso.uiuc.edu!howland.reston.ans.net!Germany.EU.net!main.Germany.EU.net!Dortmund.Germany.EU.net!news-intern
From: sastre@Anwalt.DE (Michael Schneider)
Newsgroups: de.soc.netzwesen,de.soc.zensur
Subject: Re: CIX-DE: "Freiwillige Selbstkontrolle"
Date: Wed, 26 Jun 1996 23:31:50 GMT
Organization: Customer of EUnet Germany; Info: info@Germany.EU.net
Lines: 225
Distribution: world
Message-ID: <4qsh68$i3f@news.Dortmund.Germany.EU.net>
References: <834345987.256@ulf.mali.sub.org> <4qs7ld$caa@sparcserver.lrz-muenchen.de>
NNTP-Posting-Host: alcazaba.euroconnect.de
X-Newsreader: Forte Free Agent 1.0.82
Xref: news.cube.net de.soc.netzwesen:16053 de.soc.zensur:64

plate@PROBLEM_WITH_INEWS_DOMAIN_FILE (Juergen Plate) wrote:

>Stellungnahme des Foerdervereins Informationstechnik und
>Gesellschaft (FITUG e. V.) zur Pressemitteilung vom 5. Juni 1996
>des Zusammenschlusses ECO e. V. von privaten Internet - Service -
>Providern (ISP).

Die Pressemitteilung ist so lang, daß ich dazu nicht spontan Stellung nehmen
will und - da es einer Abstimmung im ECO-Vorstand bedarf - auch nicht kann.
Allerdings möchte ich feststellen, daß die Mitteilung meinen "Glauben an die
Ausgewogenheit von Reaktionen auf die ICTF" in wesentlichen Teilen
wiederhergestellt hat (ich darf die Verfasser der FITUG-Stellungnahme darum
bitten, dieses Posting als eine erste spontan verfaßte Stellungnahme, die aber
nur meine persönliche Ansicht darstellt, in dieselben Kanäle zu geben, wie
ihre Pressemitteilung).

Wenn es den Beteiligten jetzt noch gelingt, einige (wenige) Mißverständnisse
auszuräumen, die der Pressemitteilung wohl noch zugrunde liegen und einige
Fehlinformationen im Dialog zu eliminieren, halte ich einen sehr weitgehenden
Konsens für möglich. Das wird bereits jetzt in den Schlußfolgerungen deutlich,
die am Ende gezogen werden. Dort heißt es:

>FITUG unterstuetzt den Grundgedanken, eine Moeglichkeit zu finden,
>international Illegales soweit wie moeglich aus dem Netz
>herauszuhalten. Jedoch sollte ein anderer Weg beschritten werden:

Der hier vorgeschlagene Weg unterscheidet sich im Grunde kaum von dem
vorliegenen ECO-Konzept. Allenfalls der Ausgangspunkt (Usenet-typischer
Meinungsfindungsprozeß über Wege und Maßnahmen) ist ein anderer. Wir waren und
sind der Ansicht, daß Lösungen für komplexe Probleme, die technisches und
juristisches Expertenwissen voraussetzen, nicht völlig basisdemokratisch
entwickelt werden können. Es ist vielmehr erforderlich, die Phasen, in denen
Konzepte ratifiziert werden sollen, interaktiv und in überschaubaren Gruppen
durchzuführen. In diese Gruppen können und sollen Repräsentanten des Netzes
entsandt werden. Das Netz an die Stelle von Gruppen im "realen Leben" zu
setzen, halten wir jedoch für nicht sachgerecht.

>* Lokales Loeschen zur Verhinderung der Zugaenglichmachung ist bei
>Kenntnis der Strafbarkeit eines einzelnen Artikels dem Admin
>zuzumuten, jede darueber hinausgehende Taetigkeit jedoch nicht. Die
>Verteilung ist ein Automatismus, der mit menschenmoeglichen Mittel
>nicht einzuschraenken ist.

An dieser Stelle besteht völlige Übereinstimmung.

>* FITUG unterstuetzt die Gruendung eines Medienrates fuer ganz
>offensichtlich ungesetzliche Inhalte, denn es besteht ein Bedarf
>an Schutz vor solchen Inhalten. Es geht vornehmlich darum, dass
>bestimmte Artikel in Deutschland nicht wochenlang abrufbereit
>sind.

Auch hier besteht offensichtlich bereits vollständiger Konsens.

> Wer etwas derartiges entdeckt, kann eine Mail an diesen
>Medienrat schicken, der es nach Pruefung auf Berechtigung an die
>Newsadministratoren weiterleitet.

Auch hier sind wir uns im wesentlichen einig. Das ECO-Konzept unterscheidet
sich davon bereits jetzt nur in einem unwesentlichen Punkt: Da der "Medienrat"
keine operative Instanz ist sondern ein turnusmäßig zusammentretendes
"Diskussions- und Beschlußgremium", ist eine Einzelfallprüfung durch ihn nicht
praktizierbar. Eine solche Prüfung kann nur von einer Entität vorgenommen
werden, die schnell handlungsfähig ist - genau diese Funktion hat ICTF. Die
ICTF ist quasi "der ausführende Arm" des Medienrates und sie hat sich, zur
Gewährleistung weitestgehender Objektivität bei der Einzelfallentscheidung -
an Richtlinien des Medienrates zu orientieren.

> Die Loeschung steht dann in deren
>Verantwortung.

Im Prinzip ist das auch der von uns vertretene Ansatz. Allerdings sind wir der
Ansicht, daß hier differenziert werden muß: Bei eilbedürftigen Aktionen - und
dies ist die Löschung offensichtlich rechtswidriger Artikel (insbesondere
dann, wenn dadurch nicht nur ein staatlicher Strafanspruch verwirkt, sondern
Rechte Dritter verletzt werden) - ist eine zusätzliche Iteration nicht
verantwortbar.

> Eine Loeschung muss zudem auf Ausnahmefaelle
>beschraenkt bleiben.

Auch darüber herrscht Konsens.

>* Der Referenzserver sollte als normaler News-Server betrieben
>werden und von einer weiteren Speicherung und den angestrebten
>Datenbankfunktionen aus datenschutzrechtlichen Gruenden ist
>abzusehen.

Hier gibt es ein offensichtliches Mißverständnis, welches aus dem Umstand
resultiert, daß die ECO-Pressemitteilung für ein nur bedingt fachkundiges
Publikum geschrieben wurde. Ein moderner News-Server ist längst keine
sequentielle Aneinanderreihung von Daten mehr. Er _ist_ eine Datenbank, oder
besser: Er beinhaltet eine Datenbank. Die im Rahmen der eco-Pressemitteilung
gemachte Aussage würde ich daher auch weiterhin wiederholen, um die Funktion
des Systems kurz und allgemeinverständlich zu beschreiben.

Der Referenzserver wird aber im Prinzip als gewöhnlicher News-Server
betrieben. Die geplanten Modifikationen sind mit Rücksicht auf den Zweck des
Servers nur an wenigen Stellen erforderlich. Insbesondere sollen die
Informationen in zusätzlichen Feldern gespeichert werden, in denen die
Artikel, die von den angeschlossenen ISPs zugeliefert werden, von einander
abweichen - d.i. im wesentlichen das "Path"-Feld. Weiterhin sollen einige
Informationen nicht gespeichert werden, die für den konkreten Zweck nicht
erforderlich sind - d.i. im wesentlichen der Body der meisten Nachrichten.
Eine Retrievalkomponente, die mächtiger ist, als die Werkzeuge, die heute von
News-Administratoren verwendet werden, ist ebenfalls nicht vorgesehen. Sofern
hier überhaupt ein besonderes Werkzeug benutzt wird, dann nur ein in der
Bedienbarkeit für die Zwecker der ICTF optimiertes, in der Funktionalität aber
nicht erweitertes Produkt.

Was die Speicherung der _personenbezogenen_ Bestandteile Daten ergibt, haben
wir übrigens nie eine Aussage gemacht, welche die im oberen Teil der
FITUG-Stellungnahme gemachte Aussage rechtfertigt, es sei eine "unlimitierte"
Speicherung geplant. Wer die in der Diskussion der vergangenen zwei Wochen
gemachten Aussagen (das sind nicht Zitate, sondern nur authentische
schriftliche Darstellungen) fair auswertet, kann eine derartige Ansicht nicht
ernsthaft vertreten.

Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von ISPs vor strafrechtlicher Verfolgung
haben die personenbezogenen Daten ihren Zweck erfüllt, sobald eine Nachricht
auf dem letzten angeschlossenen Server expired ist. Es mag sein, daß es
darüber hinaus sinnvoll sein könnte, eine längere Speicherung - d.h. bis zum
Ablauf der in den bereichsspezifischen Datenschutzverordnungen vorgesehenen
Fristen - vorzunehmen. In jedem Fall halten wir es aber weder für geboten noch
für sinnvoll, die personenbezogenen Bestandteile der News auf Dauer
unanonymisiert vorzuhalten. Es könnte aber sinnvoll sein - und dies ziehen wir
derzeit ernsthaft in Erwägung - ein Archiv einzurichten, aus dem sich
jederzeit bestimmte statistische Aussagen gewinnen lassen (etwa über den
prozentualen Anteil "kritischer" Nachrichten am Gesamtaufkommen der im
Wirkungsbereich der ICTF übermittelten News). Dafür genügen aber Auszüge aus
den Headern und Auswertungen der Bodies (Länge/ enthält encodete Bestandteile
etc.).

>* Das Gebot der Meinungs- und Informationsfreiheit sollte man
>staerker als bisher in den Mittelpunkt der Ueberlegungen stellen, um
>dem Medienrat und der ICTF jeden repressiven Charakter zu nehmen.

Der repressive Charakter wurde der ICTF nur angedichtet. Das Projekt wurde -
leider - von vornherein in eine Ecke gedrängt, in die es nicht gehört.

>Diese Institutionen duerfen keine Hilfsbehoerde der
>Staatsanwaltschaft sein.

Daran haben wir nie einen Zweifel gelassen. Die Tätigkeit von Medienrat und
ICTF können aber, so hoffen wir, Aktivitäten der Staatsanwaltschaften durch
Prävention überflüssig machen.

>* Weiterhin sollte man auch beruecksichtigen, dass die ueberwiegende
>Mehrheit der Usenet-Teilnehmer sich nicht nur an die auf
>freiwilliger Basis im Konsens geschaffenen Regeln (Netikette,
>etc.) halten, sondern diese ethischen Grundregeln aktiv
>verteidigen.

Man darf aber auch nicht aus den Augen verlieren, daß gerade diejenigen, die
mit besonders hoher krimineller Energie handeln, die
Selbstregulierungsmechanismen des Netzes aushebeln.

Und auch die "Selbstverteidigung" des Netzes ist nicht völlig unkritisch zu
sehen. n*X11 ist keine Lösung. Im Gegenteil: Es handelt sich dabei im Grunde
um nichts anderes, als eine Aushebelung des staatlichen Gewaltmonopols von
unten. Der Rechtsweg steht dem zu Unrecht Betroffenen nicht offen. Er hat
faktisch nicht einmal mehr die Möglichkeit zur Rechtfertigung seiner selbst,
weil ihm die Anbindung an das Netz durch Mailing-Aktionen faktisch
abgeschnitten wird. Schlimmer noch: Es wird auch in die Rechte ganz
unbeteiligter Dritter eingegriffen: Service-Provider erleben die
"Selbstverteidigungsmaßnahme" als Angriff auf ihre eigene Infrastruktur und
die Kunden die sie versorgen leiden unter einer sich erheblich
verschlechternden Quality of Service oder gar an Denial of Service.

>* Bei elektronischer Post (E-Mail) und allen anderen Diensten, die
>einen direkten Datentransport zwischen zwei Netzteilnehmern
>beinhalten, ist eine Kontrolle abzulehnen.

Eine deartige Kontrolle ist nicht nur abzulehen, sondern nach unserer
Auffassung eindeutig rechtswidrig. Die Notwendigkeit einer Kontrolle von
E-Mails kann auch nicht mit angeblichen Kontrollpflichten begründet werden,
die sich "als Reflex" aus Strafrechtsnormen ergeben.

News sind jedoch keine privaten Nachrichten, sondern öffentliche multilaterale
Kommunikation.

>Abschliessend sei betont, dass FITUG den Dialog mit den im ECO
>zusammengeschlossenen Providern moechte - und keine Konfrontation.

Es freut mich, festzustellen, daß sich die Auffassung einiger "Scharfmacher"
insoweit nicht durchgesetzt hat. An einem Dialog mit allen relevanten Gruppen
war ECO seit jeher interessiert.

>FITUG setzt jedoch auf politisch vorsichtige und moderate
>Vorgehensweise und in grossen Masse auch auf die Aufklaerung ueber die
>Funktionsweise des Mediums. Eine spezielle
>Informationsveranstaltung fuer Behoerdenvertreter, Staatsanwaelte,
>Ermittler der Polizei und nicht zuletzt auch fuer die Vertreter der
>Tages- und Publikumspresse 

Das ist sicher hilfreich und wird auch von ECO angestrebt. Allerdings ist eine
gewisse Skepsis hinsichtlich der Wirksamkeit solcher Maßnahmen angebracht.
Eine mir vorliegende Pressemitteilung des LKA Bayern, in dem eine
"Netpatrouille" angekündigt und die Öffentlichkeit zur Mitarbeit aufgerufen
wird, zeigt (Authentizität vorausgesetzt) jedenfalls, daß ein Wissen um die
Funktionsweise des Netzes nicht notwendigerweise ein moderates Handeln nach
sich zieht.

>koennte nach unserer Meinung mehr fuer
>das Netz tun als Massnahmen, die an Zensur erinnern.

Wir bedauern, daß unsere Maßnahmen mit dem Begriff "Zensur" in Zusammenhang
gebracht wurden. Richtig ist jedoch, daß es aktive Maßnahmen zur Eindämmung
des Mißbrauches im Internet geben muß, die über ein bloßes Wissen der
Beteiligten und Behörden um den Mißbrauch hinausgehen. Diese Ansicht entnehme
ich auch der Pressemitteilung von FITUG.

> Nicht zuletzt
>sollte das Ziel aller ISP sein, auf den Gesetzgeber dahingehend
>einzuwirken, eine "Lex Provider" zu schaffen und so
>Rechtssicherheit zu schaffen.

Genau das ist unsere Absicht. Öffentlich gemachte Aussagen, die offensichtlich
von Falken aus dem Umfeld der Bundes- und einiger Landesregierungen stammen,
waren für uns jedoch Anlaß, die Ebene der reinen Diskussion und Aufklärung zu
verlassen.

M.S.




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