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p960912d.htm
- To: debate@fitug.de
- Subject: p960912d.htm
- From: Thomas Roessler <roessler@sobolev.rhein.de>
- Date: Fri, 13 Sep 1996 00:32:45 +0200
- Comment: This Message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
[INLINE]
Mitteilung der Internet Content Task Force (ICTF) vom 12.09.96
RA Michael Schneider, eco e.V.
Betrifft: Ermittlungsverfahren wegen "Kinderpornographie"
Am 10.09. wurde die ICTF von einer nordrhein-westfälischen
Ermittlungsbehörde darüber informiert, daß gegen den Betreiber eines
WWW-Servers, der im außereuropäischen Ausland betrieben wird, ein
Ermittlungsverfahren wegen des Vorwufs des Zugänglichmachens von
Kinderpornographie eingeleitet worden sei. Die ICTF wurde darum
gebeten, den angeschlossenen Providern die Sperrung des Hosts zu
empfehlen.
Da dies der erste Fall dieser Art ist, mit dem die ICTF befaßt wurde,
stellen wir die Vorgänge für die Presse - ähnlich wie im Fall
"Radikal" - ausführlich dar.
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Wir haben unverzüglich damit begonnen, den Inhalt des Servers mit
Hilfe eines sogenannten "WWW-Robots" zu dokumentieren. Das dadurch
gewonnene Material wurde von ICTF gesichtet, wobei folgendes
festgestellt wurde:
* Der Server beherbergt zahlreiche Informationsangebote. Darunter
befindet sich auf der Homepage eine Rubrik "heiße Liebe". Der Link
ist so gesetzt, daß die Bilder für interessierte Teilnehmer des
Internet leicht auffindbar sind.
* Die maßgebliche Rubrik dient offensichtlich zur Verbreitung von
Bildern, wobei Aktfotos ebenso angeboten werden, wie
pornographische Darstellungen. Auslöser für das
Ermittlungsverfahren war die Kategorie "Teenager", unter der 80
Abbildungen zum Abruf bereitgehalten werden.
* Eine Bewertung dieser Abbildungen ergab, daß ein kleiner Teil
davon (höchstens 10) offensichtlich Nacktfotos von Kindern sowie
sexuelle Handlungen von Kindern untereinander oder zwischen
Kindern und Erwachsenen darstellt. Weitere Bilder lassen sich
nicht eindeutig zuordnen und die übrigen Darstellungen fallen
nicht in den Bereich der sogenannten "harten" Pornographie.
Der Inhalt der Kategorie "Teenager" ist damit nach unserer Auffassung
teilweise geeignet, den Tatbestand des § 184 Abs.3 StGB (... wer
pornographische Schriften, ... die ... den sexuellen Mißbrauch von
Kindern ... zum Gegenstand haben, ... öffentlich ... zugänglich macht
...) zu erfüllen. Dies begründen wir wie folgt:
* Bilder, die auf einem WWW-Server hinterlegt werden, sind zwar
keine Schriften im konventionellen Sinne. Sie sind jedoch
„andere Darstellungen" im Sinne des § 11 Abs.3 StGB, auf den
§ 184 StGB ausdrücklich verweist.
* Als Tathandlung kommt ein "zugänglich machen" im Sinne von § 184
Abs.3 Nr. 2 in Betracht. Pornographische Schriften sind
zugänglich, wenn und soweit sie wahrgenommen werden können. Dabei
kommt es nicht auf die konkrete Darstellungsform an, so daß die
Abbildung auf einem Monitor bereits genügt. WWW-Server sind damit
prinzipiell als Plattform für eine Tat nach § 184 Abs.3 StGB
geeignet. Ein strafbares "zugänglich machen" liegt jedoch erst
dann vor, wenn dies "öffentlich" erfolgt. Das ist der Fall, wenn
die Schrift von einer unbestimmten, individuell nicht
feststehenden Anzahl von Personen wahrgenommen werden kann (wobei
streitig ist, ob die Zielgruppe die Schrift gleichzeitig
wahrnehmen können muß, oder ob es genügt, wenn die Schrift in
kurzer Folge sequentiell an die Adressaten gelangt). Auch diese
Voraussetzung ist nach unserer Ansicht bei WWW-Servern erfüllt (zu
den Einzelheiten des konkreten Falles weiter unten).
* Die Frage, wann eine Schrift den sexuellen Mißbrauch von Kindern
zum Gegenstand hat, ist umstritten. Auf der einen Seite wird
vertreten, daß schon Fotos nackter Kinder unter anreißerischer
Hervorhebung des Geschlechtsteils oder sogar zeichnerische
Darstellungen eines Kindesmißbrauchs den Tatbestand des § 184
Abs.3 StGB erfüllen. Auf der anderern Seite wird dargelegt, daß
selbst Abbildungen sexueller Handlungen von Kindern mit Dritten
noch nicht von § 184 Abs.3 StGB erfaßt würden, so lange nicht
feststehe, daß die Handlung stattgefunden und daß das Kind
fremdbestimmt gehandelt habe. Der letztgenannten Ansicht wird aber
- unseres Erachtens zu Recht - entgegengehalten, schon die
Tatsache, daß das Sexualverhalten eines Kindes zum Gegenstand
einer pornographischen Schrift gemacht werde, sei ein Mißbrauch
(im Sinne eines "Angriffs auf die menschliche Würde"), der in den
Anwendungsbereich des § 184 Abs.3 StGB falle.
Die im konkreten Fall festgestellten Bilder, die Personen kindlichen
Alters zeigen, während sie sexuelle Handlungen vornehmen, sind daher
aus unserer Sicht offensichtlich strafrechtswidrig. Gemäß § 6 Nr. 6
StGB ist die Tat auch dann strafbar, wenn sie im Ausland begangen
worden ist.
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Allerdings haben wir festgestellt, daß das Angebot hinter dem Link
"heiße Liebe" durch ein Password geschützt war:
[INLINE]
Über den regulären Pfad, d.h. den gesetzten Hyperlinks (beginnend bei
der Homepage) folgend, erreicht man zwar eine Liste der Bilder, es
werden aber nur genau drei angezeigt, die nicht den Tatbestand des §
184 Abs.3 erfüllen. In allen anderen Fällen wird ein Username und ein
Password abgefragt. Ein direkter Zugriff auf das Directory, in dem die
Bilder hinterlegt sind, wird ebenfalls mit einer Password-Abfrage
quittiert. Auch ein dritter Weg über eine Seite, auf die von anderer
Stelle nach unseren Erkenntnissen nicht referenziert wird, führt vor
der Ausgabe der "kritischen" Bilder zu einer Abfrage.
Damit ist die Frage zu stellen, ob die Bilder tatsächlich "öffentlich"
zugänglich gemacht werden. In diesem Zusammenhang ist darauf
abzustellen, mit welcher Motivation der Täter handelt. Sofern der
Password-Schutz zu dem Zweck erfolgt, den Zugriff auf eine kleine, für
den Täter überschaubare (und ihm bekannte) Gruppe zu beschränken, sind
die Inhalte eines Servers nicht mehr öffentlich zugänglich. Sofern die
Zugriffsbeschränkung allerdings allein dem Zweck dient, die
Interessenten zur Bezahlung der von ihnen abgerufenen Inhalte zu
zwingen, hat das Angebot nach wie vor öffentlichen Charakter.
Im vorliegenden Fall ließen sich die Motive des Betreibers nicht mit
letzter Sicherheit feststellen. Einige Äußerungen, die wir gefunden
haben, deuten darauf hin, daß der Betreiber die Zugangsbeschränkung
zur Vermeidung rechtlicher Probleme eingeführt hat ("In order to avoid
future problems, we're made a user selection". "if you don't have 21
years or older GO OUT ! Or else, if you agree with laws and look for
the hottest pix on the Net ... ENTER"). Andererseits erfolgt die
Registrierung nur gegen die Angabe einer Kreditkartennummer, so daß
pekuniäre Interessen offenkundig sind.
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Aufgrund der nicht eindeutigen tatsächlichen Feststellungen haben wir
entschieden, nicht sogleich die Sperrung des Hosts zu empfehlen.
Stattdessen haben wir dem Betreiber am heutigen Nachmittag um 16:00
Uhr folgendes Ultimatum gestellt:
Dear Sirs and Madams,
I am writing you on behalf of the so-called „Internet Content
Task Force" (ICTF). The ICTF is a working group for a German
affiliation of Internet service providers (ISPs). We have been
assigned the task of promoting the interests of the ISPs affiliated
with us within the framework of criminal investigatory procedures. As
you may know, the question of what responsibility should be imposed on
ISPs for the contents which are distributed over the Internet is being
discussed worldwide, and especially in Germany. Moreover, some of the
authorities in Germany are currently of the view that ISPs can be
prosecuted if they transport contents which violate the criminal code.
In order to avoid criminal prosecution, but also for ethical and moral
reasons, the ICTF is reviewing indications of illegal contents and, if
necessary, is recommending that such contents are no longer
distributed or that access to specific Web servers is blocked.
Therefore I would like to inform you of the following:
1. A German investigative authority has informed us that images can
be called up via your web site, www..., which meet the criteria
constituting child pornography in Germany.
2. Violations of the prohibition against the dissemination of child
pornography can be prosecuted under German law if the perpetrator
is not a German national and has his headquarters or residence
abroad. For this reason, an investigatory procedure has been
initiated against you in Germany. According to our information,
evidence has already been gathered against you and an official
request for assistance has been filed.
3. We have been called upon to block access to your server.
4. A review of the matter has shown that the information provided by
the investigatory authorities is basically accurate. We have been
able to call up several images which obviously portray children
engaging in sexual activities with each other or with adults. We
then subjected your server to a thorough examination, which you
are probably already aware of. It turns out that the pertinent
areas of your computer are protected with a password, but that
this protection can be circumvented by entering strings as user ID
and password which are easy to guess.
We herewith call upon you to do the following within 24 hours of
receiving this letter:
* Delete all images portraying child pornography in the rubric of
.../XXX/
or
* change the password protection in such a manner as to make access
no longer possible,
or
* ensure by means of reconfiguring your routers that access to
penalizable images is not possible for Germans (which in practice
is probably not possible to do).
Should we determine that our demands have not been met, we will
recommend blockage be undertaken without sending an additional
warning. This will block your offering to the vast majority of German
Internet subscribers.
Eine Rückmeldung haben wir daraufhin noch nicht erhalten.
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Kommentare und Anregungen senden Sie bitte an: [3]webmaster@anwalt.de.
Copyright © 1996 Rechtsanwalt Michael Schneider
Letzte Änderung am 12. September 1996
References
1. http://www.anwalt.de/ictf/index.html
2. http://www.anwalt.de/ictf/index.htm
3. mailto:webmaster@anwalt.de