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Re: Nulla Poena Sine Lege



At 21:56 Uhr +0200 04.10.1996, Holger Veit wrote:

>> Auf der anderen Seite ist der Newsserver des ISP schlicht "weniger"
>> automatisch als ein proxyserver.
>>
>> [...]
>>
>> Die Einrichtung von newsgroups jedoch erfordert eine in irgendeinem Sinne
>> aktive Handlung des ISPs. Hierauf -- auf die _Einrichtung_ -- könnte also
>> durchaus eine Arumentation nach (2) stützen. Das oberflächliche (durch den
>> Titel) Bewerten von newsgroups ist doch auch die gängige Praxis bei
>> T-Online und AOL (weniger restriktiv bei CIS).
>
>Das stimmt aber technisch nicht. Du kannst z.B. cnews und inn so
>konfigurieren,
>dass sie alle create-/remove-/etc. group-Messages automatisch ausfuehren,
>ohne dass du irgendetwas zu tun brauchst.
>
>[...]
>
>Und BTW: wo steht geschrieben, dass ich mein System so wie T-Noline oder
>AssOL zu managen habe?

Das steht nirgendswo geschrieben, aber es ist doch absolut denkbar, daß das
irgendwann mal von Dir gefordert wird. Natürlich _kannst_ Du news
vollautomatisieren. Aber vielleicht verbietet man Dir das irgendwann und
verpflichtet Dich zu irgendeinem Vorauswahlverfahren, das ja im übrigen
auch an den Unis gängig ist.

Du machst Dir Deine Argumentation zu einfach. Hier zeichnet sich doch eine
klare Kompromißlinie zwischen Schneiders Truppe und der "besonnenen"
Fraktion der Gesetzgebung ab, an der man nicht einfach vorbeisehen kann.
(Nochmal der Disclaimer: Ich finde dieses Szenario keineswegs positiv. Bloß
realistisch.)

Diese Kompromißlinie für einen modifizierten Carrierstatus von Providern
(hier jetzt nur für news, aber man kann das unproblematisch ausweiten)
könnte ungefähr so aussehen:

-- Es gibt einen Haufen newsserver außerhalb Deutschlands und der EU, auf
deren Inhalt und Erreichbarkeit ein deutscher ISP keinen Einfluß hat. Wenn
darüber strafbare Inhalte nach Deutschland geraten, kann man den ISP dafür
nicht verantwortlich machen (also kommt @ 5 (3) zur Anwendung). Damit
finden wir (= Gesetzgeber, Staatsanwaltschaft) uns jetzt vorläufig mal ab.

-- Es gibt einen Haufen postings in einen Haufen newsgroups. Darunter
können auch illegale Sachen sein. Man kann vom ISP nicht verlangen, daß er
alle postings vorher prüft. Auch damit finden wir uns erstmal ab. Er kann
sie aber immerhin von _seinem_ Server im Nachhinein löschen, wenn er auf
sie hingewiesen wird (also kommt @ 5 (2) zur Anwendung).

-- Es gibt zwar einen Haufen newsgroups, aber es gibt einige wenige, wo der
Titel absolut eindeutig ist. Damit finden wir uns nicht ab. Hier kann man
etwas unternehmen. Man kann vom ISP verlangen, daß er sich die Titel vorher
anschaut, bevor er diese newsgroups bei sich einrichtet.

Und das wird auch einen Effekt haben. Einfach deshalb, weil ein paar Hürden
errichtet werden. Das ist wie mit Fahrradschlössern: Natürlich ist ein
Schloß für einen überzeugten Fahrraddieb kein Problem. Aber trotzdem ist
die Wahrscheinlichkeit, daß Dein Rad geklaut wird, geringer, wenn Du
_irgendein_ Schloß verwendest.

Was ich, glaube ich, letztlich sagen will, ist folgendes. Im Moment sind
die Maßnahmen, die von Staatsanwaltschaften und Politikern gefordert oder
angeregt werden, so dermaßen ahnungslos und idiotisch, daß es verdammt
einfach ist, dagegen zu argumentieren.

Aber das Vorpreschen von Schneider ist mE ein erstes Anzeichen für das, was
uns in den nächsten Jahren blühen wird. Wir haben im Moment noch einen
Wissensvorsprung und können die Leute schnell alt aussehen lassen. Das wird
sich ändern!

Es ändert sich schon mit dem IuKDG in seinem jetzigen Entwurf. Sieber sagt,
im Moment sei die Frage offen, ob ein ISP für das verantwortlich ist, was
auf _seinem_ Server angeboten wird (also etwa xs4all für radikal). Nach dem
Entwurf des IuKDG ist diese Frage nicht mehr offen, sondern entschieden:
Wenn es für ihn technisch möglich ist, es zu verhindern (was es im Fall
xs4all/radikal ja eindeutig ist), dann _ist_ er dafür verantwortlich --
sobald er darauf hingewiesen wird.

Gruß, Boris.

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