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Pressespiegel /FRR (fwd)





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Date: 12 Oct 96 11:32:00 +0200
From: Juergen Wieckmann <J.WIECKMANN@NADESHDA.gun.de>
To: WAU@OLN-273.OLN.comlink.apc.org
Subject: Pressespiegel /FRR

## Nachricht vom 11.10.96 weitergeleitet
## Ursprung : WAU@OLN-273.OLN.comlink.apc.org
## Ersteller: J.WIECKMANN@NADESHDA.gun.de

Quelle=FRR-Frankfurter-Rundschau; Seite=9;
Autor:  Helmut Lölhöffel 

Perverser Mißbrauch des Internet / Bundestagsanhörung: 
Parlamentarier zeigen sich entsetzt 

Wie schwierig es ist, gesetzwidrige oder jugendgefährdende 
Veröffentlichungen in offenen Mediensystemen zu entdecken und zu 
ahnden, erlebten Bundestagsabgeordnete, die sich darüber 
informierten. Zunächst wühlte ein Fachmann der Münchner Polizei 
emsig im Internet herum, fand aber keine aktuellen Beispiele. 
Wenig später kam heraus, daß es eine Zeitschrift gibt, die für 
ganz besonders üble Porno-Programme wirbt, aber dafür nicht 
belangt werden kann. 

+Jugendschutz und neue Medien- Nutzen und Risiken der 
neuen Medien für Kinder+ war der Titel einer Anhörung, zu der 
das Bonner Parlament am Mittwoch 17 Sachverständige eingeladen 
hattevom Verband der Unterhaltungssoftware bis zur Freiwilligen 
Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, von Pädagogen und Juristen 
bis zu Jugend- und Datenschützern, vom Chaos Computer Club bis 
Terre des femmes. 

Vor Beginn der öffentlichen Befragung wollten sich 
Mitglieder des Ausschusses für Jugend, Familie und Frauen sowie 
der Enquetekommission +Neue Medien+ hinter verschlossenen Türen 
zeigen lassen, worüber sie reden. Denn die Mehrzahl der 
Abgeordneten ist ungeübt im Umgang mit Computern und weiß nur 
vom Hörensagen oder aus der Fachliteratur, worum es geht. Doch 
die geplante Vorführung brachte kaum praxisnahen 
Anschauungsunterricht. Als ein Experte aus der +Arbeitsgruppe 
Beweismittelsicherung+ des Münchner Polizeipräsidiums ihm 
bekannte Adressen anklickte, erschien zweimal der Hinweis +Your 
request does not appear+ auf dem Bildschirm, und er mußte teils 
bedauernd, teils erfreut - mitteilen, +daß die Seiten gesperrt 
sind+. 

Immerhin konnte der polizeiliche Computerfachmann den 
Volksvertretern anhand von Inhaltsverzeichnissen nahebringen, 
daß es ein reichhaltiges Angebot an Pornographie schlimmster 
Sorte (+Erotic bestiality+), gewaltverherrlichendem 
Rechtsextremismus und Propaganda abseitiger Sekten gibt. Was der 
Fahnder aus seinem Konservenkoffer vorführte, war zum 
Erschrecken: Kinder, die von Erwachsenen und Apparaten gequält 
werden. +Das ist nicht Kinderpornographie, sondern Folter+, 
sagte die Abgeordnete Edith Niehuis (SPD), Vorsitzende des 
Jugendausschusses. +Ein perverser Mißbrauch des Netzes+, 
kommentierte der Abgeordnete Siegmar Mosdorf (SPD), Vorsitzender 
der Medien-Enquetekommission. 

Ein Beispiel für die Ohnmacht der Behörden und der Politik 
gegenüber solchen Auswüchsen ungefilterter Informationsfreiheit 
kam zur Sprache, als Elke Monssen-Engberding, die Vorsitzende 
der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, über 
Werbung für abseitige Angebote berichtete. Sie zitierte aus 
einem Blatt namens Pizza, das Internetadressen nennt, wo unter 
Schlag- und Stichwörtern wie +Hart, gefesselt, Lederlust, autsch 
das tut weh+ oder +Monika hat gar ein Loch im Po+ abnorme Bilder 
oder Texte zu finden sind. Diese Zeitschrift enthält nach ihren 
Angaben auch Zugangshinweise zu abscheulichen Informationen über 
Nekrophilie, Katastrophenopfer, mißhandelte Tiere oder 
Mißgeburten. 

Als der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss darauf hinwies, +daß es 
dieses Heft am Bonner Bahnhof zu kaufen gibt+, waren Erstaunen 
und Entsetzen groß: Kann das denn nicht verboten werden? fragten 
manche. Doch Monssen-Engberding machte sie mit einem unerkannten 
Problem vertraut: Pizza könne nicht auf den Index 
jugendgefährdender Schriften gesetzt werden, weil der Inhalt der 
Anzeigen selbst nicht jugendgefährdend sei. +Nur wenn die 
Angebote im Internet indiziert sind, darf dafür auch nicht 
geworben werden.+ Vor dem Hintergrund solcher Informationen 
sahen die Abgeordneten Maria Böhmer (CDU) und Johannes 
Singhammer (CSU) nur einen Ausweg: +Gesetzeslücken müssen 
geschlossen werden.

10.10.1996