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Verwertungsgesellschaften (war: Re: [Muc.DE #4247])




Hallo neko,

Du schriebst am 10.11.96:

> Und wer dann, sozusagen widerrechtlich kopiert und veroeffentlicht, ist
> halt dran, da kann man dann nix machen... Ist wie im Buchladen.


:-) Eben nicht. "Im Buchladen" ist das beste Beispiel, um zu zeigen, daß 
dies nicht funktionieren kann. Man war gezwungen, eine pauschale
Kopiererabgabe einzuführen, damit auch weiterhin Bücher geschrieben werden.

Jeder hier weiß, daß die Möglichkeit, Dateien zu kopieren, weit näher liegt
als das Betreten eines Copyshops, und ich glaube Dir nicht eine Sekunde 
lang, daß Du meinst, was Du geschrieben hast - Du bist unredlich in Deiner 
Argumentation.



Natürlich ist die Frage des Urheberrechts eng gekoppelt daran, wie man sich
die vernetzte Weltgesellschaft von morgen vorstellt:

1) Eine Austauschbörse für schnell erstellte, nicht nachrecherchierte
Hobby-Information, die zu überprüfen jedem Nutzer selbst überlassen ist. 
Das wäre eine Beschreibung für das bisherige Usenet, das durch Beiträge 
fest angestelter Akademiker und Bafög- oder Papa-finanzierter Studenten in
seiner Qualität wesentlich aufgewertet wird. Bezahlte Information soll 
draußen bleiben, oder das Risiko eingehen, trotz eifriger Nutzung unbezahlt 
zu bleiben.

2) Professionelle Informationsangebote, zielgruppenspezifisch ausgerichtet,
werden nicht für die Leser im Internet, sondern für Werbeagenturen 
verfaßt, die sie in's Internet einstellen. Diese Angebote ergänzen das 
Usenet-Angebot, und sind ebenfalls kostenfrei zugänglich.

3) Professionelle Informationsangebote werden bezahlt angeboten, die nicht 
vermeidbare Kopiererei wird über Pauschalen und Verwertungsgesellschaften
abgegolten.



Herr Artzt beispielsweise, Werbechef von Procter & Gamble, hat bereits vor 
Jahren sehr deutlich die Risiken und Chancen des Internet analysiert. 
Einerseits wird die bisherige Gießkannen-Werbung nicht mehr möglich sein, 
und die Möglichkeiten für das Anbieten werbefreier Information steigen an. 
Andererseits gibt es ganz neue Möglichkeiten der professionellen 
Integration von zielgruppenspezifischer Werbung und zielgruppenspezifischer
Information. Werbeagenturen träumen davon, daß endlich die letzten 
Schranken der Trennung zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung fallen.

Die Crux ist, daß "free flow of information" und die Interessen der 
Werbewirtschaft derzeit perfekt kompatibel sind. Eine Auseinandersetzung 
gibt es allenfalls um Junkmail, aber das ist sowieso völliger Blödsinn für 
jeden Werbekunden mit nennenswertem Etat, und bietet sich nur für die 
Bachblütentherapisten an. Eine Bereitschaft, für Informationsangebote zu
zahlen (die nicht durch Weiterkopieren die Existenz des Angebotes
gefährdet), ist das größte, schwer berechenbare Risiko für die 
Werbewirtschaft.



Du kannst Dich darauf verlassen, bei Deinem Kampf gegen die 
Verwertungsgesellschaften sehr mächtige Verbündete mit dicken Geldbörsen zu
haben.

hajo