[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Polizei und Internet



Hallo Leute, 

folgendes koennte Euch vielleicht interessieren:

                    Hilflose Fahnder im Internet - 
      Nicht Meinungsfreiheit, sondern Kapitalverbrechen verfolgen!

Zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage erklaert der 
forschungs- und postpolitische Sprecher von Buendnis 90/Die Gruenen im 
Bundestag, Dr. Manuel Kiper:

Wie wenig die Exekutive (noch) darauf vorbereitet ist, die Urheber der im 
Internet georteten Gesetzeswidrigkeiten aufzuspueren, zeigt die Antwort der 
Bundesregierung auf eine kleine Anfrage (Bt.-Drs. 13/6042).

Nach Reden und Handeln der Bundesregierung gilt das Internet mittlerweile als 
Hort von Pornographie und Extremismus. Ein Grund also, um die Exekutive 
entsprechend auszuruesten, statt nach neuen Gesetzen zu rufen. Doch die 
Institutionen, die sich mit ungesetzlichen Inhalten auf dem Internet befassen 
muessten, sind kaum entsprechend ausgeruestet:

*   Die Bundespruefstelle fuer jugendgefaehrdende Schriften (BPS) als 
zustaendige Stelle zur Indizierung von Material verfuegt gerade mal ueber einen 
Zugang zur weiten Welt unterschiedlichster Datennetze und Diensteangebote. Es 
ist erst zwei Monate her, dass sie erstmals Internet-Seiten indizierte.

*   Beim Bundesbeauftragten fuer den Datenschutz (BfD) sieht die 
Bundesregierung nicht einmal eine echte Zustaendigkeit fuer netzbasierte 
Datendienste. Die vom BfD zu kontrollierenden Anbieter aus dem oeffentlichen 
Bereich wuerden schliesslich keine personenbezogenen Daten anbieten. 
Handlungsbedarf bestehe also nicht. Lediglich der Datenschutz in der 
Telekommunikation sei nach Inkrafttreten des TKG Sache des BfD. Damit offenbart 
die Bundesregierung, dass Buergerinnen und Buerger, die sich vom deutschen 
Datenschutzrecht Hilfe gegen missbraeuchliche Nutzung ihrer Daten in Netzen 
erhoffen, solche Hilfe nicht erwarten koennen. Die vom Bundesdatenschutzgesetz 
vorgegebene Beschraenkung effektiver Datenschutzkontrolle auf oeffentliche 
Stellen fuehrt im Zeitalter des Internets zum rapiden Verschwinden des 
Datenschutzes.

Das ist ein schwacher Trost fuer jene, die beispielsweise etwas dagegen haben, 
dass ihre Telefonnummer auch unter Verletzung des TKG im Internet abrufbar ist. 
Leider hat die Bundesregierung nicht einmal begriffen, wo Datenschutz im 
Internet ansetzen muss. Denn natuerlich darf der BfD kontrollieren: Auch, wenn 
oeffentliche Stellen Daten mit Personenbezug gar nicht im Internet anbieten, 
werden solche bei der Nutzung erzeugt. Jedes Ministerium, das WWW-Dienste 
anbietet, sammelt von seinen Nutzern in der Regel durchaus personenbeziehbare 
Daten. Dennoch bleibt solche Datenschutzkontrolle Kosmetik.

*   Wesentlich intensivere Aktivitaeten hat das BKA entfaltet. Das Internet 
wurde hier laut Auskunft der Bundesregierung vielfach zur Ermittlung und 
UEberpruefung eingehender Hinweise genutzt. BKA-Beamte nahmen 1995 und 96 an 
Tagungen zu Computerkriminalitaet - mit und ohne Nutzung des Internets - teil. 
Schon seit 1991 befasst sich die Interpol "European Working Group on 
Information Technology Crime" dreimal jaehrlich mit Computerkriminalitaet in 
Datennetzen. Auch Generalbundesanwaltschaft (GBA) und Verfassungsschutz 
arbeiten mit dem BKA in der AG Internet zusammen zur Bekaempfung 
rechtsextremistischer Aktivitaeten und Propaganda auf dem Netz.

Dass nun mit dem "Radikal"-Server XS4ALL ausgerechnet eine linksextreme 
Publikation zum Testfall einer Sperrung wurde, ist ein besonders ironischer 
Zug. Laut Antwort der Bundesregierung handelte die GBA dabei auf eigene Faust 
und ohne Weisung. 

Die GBA haette sich vielleicht besser vorher Rat eingeholt, bevor sie zu der 
Rechtsauffassung gelangte, Internet-Provider seien zwar fuer Inhalte anderer 
Anbieter nicht verantwortlich, machten sich aber strafbar, wenn sie weiter 
Zugriff auf Daten erlauben, ueber deren Rechtswidrigkeit sie informiert seien.

Auf der Suche nach neuen Wegen bei der Verfolgung von Internet-Kriminalitaet, 
ueber die Generalbundesanwalt Nehm im Spiegel 46/96 berichtete, sind die 
Pfadfinder nicht fuendig geworden. Sollte sich Nehm mit der Ansicht weltweit 
durchsetzen, all jene zur Fahndung auszuschreiben, die nach einzelstaatlichem 
Recht strafbare Inhalte ins Netz stellen, dann brechen fuer viele unangenehme 
Zeiten an. Wer hier per Internet auf indonesische Oppositionelle hinweist oder 
in einem anderen Land verbotenes Gluecksspiel anbietet, fuellt die weltweiten 
Fahndungslisten. Die polizeiliche Fahndung nach Verstoessen gegen 
einzelstaatliche Gesetze im Internet ersetzte so die politische Einigung auf 
international einheitliche Rechtsstandards, um die es beim Internet als dem 
elektronischen Kurzschluss der daran angeschlossenen Rechtssysteme eigentlich 
gehen muesste. Das Internet a la Nehm waere wieder eine nationalstaatliche 
Angelegenheit.

Diese strafrechtlichen Aktivitaeten erfolgen wegen unter 1% gesetzwidriger 
Inhalte auf dem Netz, wie die Bundesregierung erklaert. Die internationale 
polizeiliche Zusammenarbeit gegen Kriminalitaet, die mit Hilfe von Netzen 
begangen wird, ist ja ein Indiz dafuer, dass offenbar durchaus zwischen 
wichtigen Kriminalitaetsbereichen und uebernormierten Tatbestaenden der 
Meinungsaeusserung differenziert werden kann. Hier weiterzugehen, waere der Weg 
der Vernunft. Das Internet wieder auf nationalstaatliches Niveau der 
Meinungsfreiheit zu bringen, ist so unvernuenftig wie aussichtslos.



Den Text der Antwort gibt es bei:

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
Dr. Manuel Kiper Mdb
Buendnis 90/Die Gruenen
Bundeshaus HT 404
D-53113 Bonn
Tel:xx49-228-16 81547, Fax:xx49-228-16 86515
E-Mail: manuel@kiper.bn.eunet.de
* * * * * * * * * * PGP Key on request  * * * * * * * * * *