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Polizei und Internet
- To: debate@fitug.de
- Subject: Polizei und Internet
- From: <manuel@kiper.bn.eunet.de> (by way of Holger Bruns <holger@deep.hb.provi.de>)
- Date: Thu, 21 Nov 96 15:43 MEZ
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
Hallo Leute,
folgendes koennte Euch vielleicht interessieren:
Hilflose Fahnder im Internet -
Nicht Meinungsfreiheit, sondern Kapitalverbrechen verfolgen!
Zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage erklaert der
forschungs- und postpolitische Sprecher von Buendnis 90/Die Gruenen im
Bundestag, Dr. Manuel Kiper:
Wie wenig die Exekutive (noch) darauf vorbereitet ist, die Urheber der im
Internet georteten Gesetzeswidrigkeiten aufzuspueren, zeigt die Antwort der
Bundesregierung auf eine kleine Anfrage (Bt.-Drs. 13/6042).
Nach Reden und Handeln der Bundesregierung gilt das Internet mittlerweile als
Hort von Pornographie und Extremismus. Ein Grund also, um die Exekutive
entsprechend auszuruesten, statt nach neuen Gesetzen zu rufen. Doch die
Institutionen, die sich mit ungesetzlichen Inhalten auf dem Internet befassen
muessten, sind kaum entsprechend ausgeruestet:
* Die Bundespruefstelle fuer jugendgefaehrdende Schriften (BPS) als
zustaendige Stelle zur Indizierung von Material verfuegt gerade mal ueber einen
Zugang zur weiten Welt unterschiedlichster Datennetze und Diensteangebote. Es
ist erst zwei Monate her, dass sie erstmals Internet-Seiten indizierte.
* Beim Bundesbeauftragten fuer den Datenschutz (BfD) sieht die
Bundesregierung nicht einmal eine echte Zustaendigkeit fuer netzbasierte
Datendienste. Die vom BfD zu kontrollierenden Anbieter aus dem oeffentlichen
Bereich wuerden schliesslich keine personenbezogenen Daten anbieten.
Handlungsbedarf bestehe also nicht. Lediglich der Datenschutz in der
Telekommunikation sei nach Inkrafttreten des TKG Sache des BfD. Damit offenbart
die Bundesregierung, dass Buergerinnen und Buerger, die sich vom deutschen
Datenschutzrecht Hilfe gegen missbraeuchliche Nutzung ihrer Daten in Netzen
erhoffen, solche Hilfe nicht erwarten koennen. Die vom Bundesdatenschutzgesetz
vorgegebene Beschraenkung effektiver Datenschutzkontrolle auf oeffentliche
Stellen fuehrt im Zeitalter des Internets zum rapiden Verschwinden des
Datenschutzes.
Das ist ein schwacher Trost fuer jene, die beispielsweise etwas dagegen haben,
dass ihre Telefonnummer auch unter Verletzung des TKG im Internet abrufbar ist.
Leider hat die Bundesregierung nicht einmal begriffen, wo Datenschutz im
Internet ansetzen muss. Denn natuerlich darf der BfD kontrollieren: Auch, wenn
oeffentliche Stellen Daten mit Personenbezug gar nicht im Internet anbieten,
werden solche bei der Nutzung erzeugt. Jedes Ministerium, das WWW-Dienste
anbietet, sammelt von seinen Nutzern in der Regel durchaus personenbeziehbare
Daten. Dennoch bleibt solche Datenschutzkontrolle Kosmetik.
* Wesentlich intensivere Aktivitaeten hat das BKA entfaltet. Das Internet
wurde hier laut Auskunft der Bundesregierung vielfach zur Ermittlung und
UEberpruefung eingehender Hinweise genutzt. BKA-Beamte nahmen 1995 und 96 an
Tagungen zu Computerkriminalitaet - mit und ohne Nutzung des Internets - teil.
Schon seit 1991 befasst sich die Interpol "European Working Group on
Information Technology Crime" dreimal jaehrlich mit Computerkriminalitaet in
Datennetzen. Auch Generalbundesanwaltschaft (GBA) und Verfassungsschutz
arbeiten mit dem BKA in der AG Internet zusammen zur Bekaempfung
rechtsextremistischer Aktivitaeten und Propaganda auf dem Netz.
Dass nun mit dem "Radikal"-Server XS4ALL ausgerechnet eine linksextreme
Publikation zum Testfall einer Sperrung wurde, ist ein besonders ironischer
Zug. Laut Antwort der Bundesregierung handelte die GBA dabei auf eigene Faust
und ohne Weisung.
Die GBA haette sich vielleicht besser vorher Rat eingeholt, bevor sie zu der
Rechtsauffassung gelangte, Internet-Provider seien zwar fuer Inhalte anderer
Anbieter nicht verantwortlich, machten sich aber strafbar, wenn sie weiter
Zugriff auf Daten erlauben, ueber deren Rechtswidrigkeit sie informiert seien.
Auf der Suche nach neuen Wegen bei der Verfolgung von Internet-Kriminalitaet,
ueber die Generalbundesanwalt Nehm im Spiegel 46/96 berichtete, sind die
Pfadfinder nicht fuendig geworden. Sollte sich Nehm mit der Ansicht weltweit
durchsetzen, all jene zur Fahndung auszuschreiben, die nach einzelstaatlichem
Recht strafbare Inhalte ins Netz stellen, dann brechen fuer viele unangenehme
Zeiten an. Wer hier per Internet auf indonesische Oppositionelle hinweist oder
in einem anderen Land verbotenes Gluecksspiel anbietet, fuellt die weltweiten
Fahndungslisten. Die polizeiliche Fahndung nach Verstoessen gegen
einzelstaatliche Gesetze im Internet ersetzte so die politische Einigung auf
international einheitliche Rechtsstandards, um die es beim Internet als dem
elektronischen Kurzschluss der daran angeschlossenen Rechtssysteme eigentlich
gehen muesste. Das Internet a la Nehm waere wieder eine nationalstaatliche
Angelegenheit.
Diese strafrechtlichen Aktivitaeten erfolgen wegen unter 1% gesetzwidriger
Inhalte auf dem Netz, wie die Bundesregierung erklaert. Die internationale
polizeiliche Zusammenarbeit gegen Kriminalitaet, die mit Hilfe von Netzen
begangen wird, ist ja ein Indiz dafuer, dass offenbar durchaus zwischen
wichtigen Kriminalitaetsbereichen und uebernormierten Tatbestaenden der
Meinungsaeusserung differenziert werden kann. Hier weiterzugehen, waere der Weg
der Vernunft. Das Internet wieder auf nationalstaatliches Niveau der
Meinungsfreiheit zu bringen, ist so unvernuenftig wie aussichtslos.
Den Text der Antwort gibt es bei:
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Dr. Manuel Kiper Mdb
Buendnis 90/Die Gruenen
Bundeshaus HT 404
D-53113 Bonn
Tel:xx49-228-16 81547, Fax:xx49-228-16 86515
E-Mail: manuel@kiper.bn.eunet.de
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