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Re: Schulen ans Netz



Moin,

Neko wrote:
> Was hindert die daran, von ihren 20 Windows-PCs im Computer-Raum einen zu
> nehmen, dem ein Linux mit Samba zuu verpassen und den anderen 19 Windosen
> (wenns schon unbedingt windows sein muss) IP-Adressen aus diesem nicht
> geroutetetn Netzen zu geben und dann die Linux-Kiste Name-Server, Proxy,
> Mailserver und Router spielen zu lassen und wenns sein muss auch eine
> Firewall? Weil wo windows drauf laeuft, damit kommt ein Linux locker aus.

So einfach ist das dummerweise nicht. Es gibt einige dutzend Probleme,
die den grossflaechigen Einsatz von Computern (mit Netzanbindung) in
Schulen verhinden:

- Mangel an Kompetenz, Mangel an Interesse, Technik-Furcht (bei Lehrern, zum
  Grossteil aber auch bei Schuelern nach meiner Erfahrung, YMMV)
  Nicht zuletzt durch die idiotische Berichterstattung in den althergebrachten
  Medien herrschen Meinungen a la "Also von dem Internet hab ich bisher nur
  Negatives gelesen" vor.

- Mangel an Geld: die Schulen sind idR bettelarm. Die sind schon froh, wenn
  sie einen Raum mit XTs einrichten koennen. Schulen mit moderner Hardware,
  d.h. >= 486er sind relativ selten. Neben den Rechnern muss natuerlich auch
  fuer die entsprechende Software bezahlt werden, bei einem Internetanschluss
  kommen freilich noch die entsprechenden Gebuehren fuer Telefon bzw. Stand-
  leitung (sowas hab ich an einer Schule noch nie gesehen), ggf. Gebuehren
  fuer den Provider.
  Ein paar Firmen (AOL, Telekom et al) sponsorn das Schulen ans Netz Projekt
  mit Sachspenden (wenig Geldspenden), in Form von eigenen Produkten (z.B.
  Zugaengen bei AOL). Die Schulen haben idR gar keine andere Wahl als AOL,
  weil fuer alles andere kein Geld da ist.
  Das einzige Bundesland, dass es sich m.W. leisten kann, relativ gross-
  zuegig Geld fuer die Vernetzung von Schulen auszugeben, ist Bayern.

- Diverse formale Argumente, wie z.B.: die Lehrer haften voll, wenn was in
  die Hose geht. Wenn sich bspw. ein Schueler in den einschlaegigen News-
  groups und von den einschlaegigen Websites `explicit material' saugt, und
  die Eltern das mitkriegen, koennen sie den Lehrer verklagen. Der kriegt
  dann in jedem Fall eine deftige Ruege wg. Verletzung der Aufsichtspflicht,
  evtl. fliegt er gar raus oder muss mit Freiheitsstrafe rechnen. Das alte
  Problem der mangelnden Rechtssicherheit. Ich hab hier noch einen schoenen
  Flame War von Anfang 94 auf der Platte, als jemand in seiner .sig den
  Spruch "frauen sind gut zu voegeln" hatte (als Anspielung auf die geplante
  Rechtschreibreform). Daraufhin kamen von diversen Lehrern Reaktionen wie:
  - "Das ist eine Beleidigung gegen unsere Frauen UND unsere Toechter!
     Das ist sexuelle Diskriminierung!"
  - "Ich fordere sofort, dass dieser Benutzer bestraft wird, zur Abschreckung
     aller anderen! Lasst es uns nicht bei Lippenbekenntnissen belassen!"
  - "Kriegsgreuel, Neo-Nazi-Terror und Kinderpornos sind fuer mich Folge-
     erscheinungen von menschen- und frauenverachtender Haltung, wie sie bei
     diesem Footer zum Ausdruck kam"
  (der betreffende Lehrer, von dem diese Aeusserungen stammen, ist uebrigens
  inzwischen Vorsitzender des Baden-Wuerttembergischen (Fido-) Schulnetzes.)
  Aus dieser Hysterie wird glaub ich deutlich genug, a) dass die Lehrer in
  diesem Punkt (eigentlich zu Recht) ziemliches Muffensausen haben, und b)
  dass die noetige liberale Grundeinstellung dem Netz gegenueber in Schulen
  voellig fehlt. (systembedingt, weil Schulen voellig anders organisiert sind)
  Noch ein Zitat aus der aktuellen c't: "Der Bezug von News mittels UUCP hat
  den Vorteil, dass sich der Provider beim Zusammenpackern der News auf die
  von der Lehrerschaft gewuenschten News-Grupen beschraenken kann. Der Bezug
  von `Schmuddelgruppen' in der Schule wird so wirksam unterbunden."
  M.a.W., die *wollen* gar keinen vollen IP-Zugang, weil versierte Schueler
  dann ja z.B. direkt per NNTP auf die sog. "Schmuddelgruppen" zugreifen
  koennten.

Es gibt noch ein paar andere Gruende, die i.W. schon im Thread genannt wurden.
Alles in allem muss man idR erstmal irrsinnig Ueberzeugungsarbeit leisten,
um ueberhaupt einen Internetzugang an einer Schule aufbauen zu *duerfen*,
vom konsequenten Einsatz der neuen Medien im Unterricht mal ganz zu schweigen.
An der Tatsache, dass in schule.* Monat fuer Monat der alte "Ist Internet in
der Schule ueberhaupt sinnvoll?" Thread aufgerollt wird, kann man sehen, dass
ueber die Thematik mehr geredet, denn etwas getan wird. Von Lutz Donnerhacke
hoert man Traumszenarios, wie die Schueler in Zusammenarbeit mit den Lehrern
ein LAN mit Netzanbindung an Jenaer Schulen aufbauen; aber m.W. ist das bislang
leider die Ausnahme. Ich habe selbst mal an einem Projekt mitgearbeitet, das
den Einsatz von Internet-Diensten im Unterricht demonstrieren sollte. Die
Resonanz war lim -> 0.

Was das Schulen ans Netz Projekt betrifft: man lesen die Berichte hierzu in
den letzten c't Ausgaben (von Karl Sarnow). Die Schulen erhalten m.W. kostenlos
nur 1 (in Worten: einen) PC mit ISDN-Karte, AOL-Zugang und Telekom-Gebuehren-
guthaben, und mehr nicht. Einige auserwaehlte Schulen erhalten eine bessere
Ausstattung. Die Moeglichkeiten mit so einer Ausstattung sind freilich
relativ beschraenkt.

Holger wrote:
> DAS ist doch eine alte Erfahrung, gelle? Wenn ich da noch an die Pauker
> denke, die ploetzlich "Informatik" machen sollten, sich mit Pascal auf dem
> Apple 2 rumplagten und sich dann von den SCHUELERN erklaeren lassen mussten,
> was ein "Pointer" ist ... die Lehrer muessen doch Blamagen dieser Art schon
> lange kennen und gut gewohnt sein.

Die Situation hat sich stellenweise etwas gebessert. In NRW wird bspw.
Informatik als Leistungskurs angeboten. Eine bessere Vorbereitung auf
ein Informatik-Studium gibt es nicht: der Stoff umfasst praktisch das
gesamte Grundstudium. Eine hands-on Ausbildung z.B. zu Architektur und
Bedienung von Unix, TCP/IP etc. erhaelt man dort freilich (leider) nicht,
aber sowas muss man sich an Unis idR auch nebenher aneignen.

Ciao,
	Lukas.