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Schulen ans Netz (Goettinger Situation)





Hallo,

nachdem ich hier die Debatte verfolgt habe, moechte ich ein wenig aus der
Praxis erzaehlen. Ich bin Mitglied eines Kreises von Systemadministratoren
der Universitaet Goettingen, die lokal an einer Verbesserung der regionalen
Internetversorgung arbeiten. 

Von Anfang an lagen uns dabei auch die Schulen am Herzen.  Da wir meist alle
Verfechter von Linux (hallo Simone! ;-) ) sind, sollte dies auch
grossflaechig zum Einsatz kommen. Die Windows-PCs sollten mit Samba an die
Linuxrechner gebunden werden. Der Linuxrechner sollte dann Server spielen und
Name-Server, Proxy, Mailserver und Router spielen. Die Goettinger Schulen
sind durch ein stadteigenes Telefonnetz miteinander verbunden. Nach
Gespraechen mit der Stadt wurde erreicht, das sie Leitungen fuer das Netz
freischalten und Standleitungen zwieschen den Schulen aufbauen wuerden. Die
Stadt war eigentlich sehr kooperativ nach mehreren Gespraechen. 

Das erste Problem waren die Lehrer. Unter den Schulen in Goettingen ist ein
starker Konkurrenzkampf um Schueler. Wer Schueler hat, hat auch einen
gesicherten Posten. Deshalb war es schwer, die Informatiklehrer
unterschiedlicher Schule an einen Tisch zu bekommen. Es wurde nicht um die
technisch beste Loesung fuer alle Goettinger Schulen gestritten sondern nur
um Einfluss und das keine Schule zu kurz kam. Aus technischen Gruenden hatten
wir vorgehabt, de Goettinger Schulserver an einer Schule aufzustellen. Dies
war bei den anwesenden Lehrern nicht durchzusetzen. Probleme gab es auch erst
mit Schulen ans Netz. Die Lehrer hofften noch darauf, schoene Windows PCs mit
Novell oder NT zu bekommen. Als sich das immer mehr als Illusion
herausstellte, kamen sie schnell zu uns zurueck.  Lehrer sind insofern eine
schwierige Klientel, da bei ihnen Mangel an Kompetenz und auch einen Mangel
an Interesse herrscht. Viele waren nicht bereit, dafuer noch Zeit zu
investieren, um sich auf diesen Feld weiterzubilden. Desweiteren wollten sie
auch keinen direkten Zugang zum internet oder nur unter Aufsicht. Am liebsten
waere ihnen ein Proxyserver, wo sie die Inhalte bestimmen. Die Schueler
dagegen sind hochmotiviert und wollen den Aufbau eines Schulnetzes. Das
zweite Argument war der Mangel an Geld. Es gibt nur 500 DM pro Jahr fuer
Investionen an den Schulen (kein Witz). 

Wir musten also einen Sponsoren fuer den zentralen Schulserver (Linux)
finden. Die Schulen waren schon einigermassen ausgestattet und die Windosen
wurden von uns mit Linux als Server vernetzt. Als Sponsor fanden wir die
Goettinger Volksbank. Wir hatten sie ueber ein Pilotprojekt des
Technologietransfers ins internet gebracht und sie weitgehend beraten. Sie
stellten uns eine Sachspende von 7000 DM zur Verfuegung um den Server
auszustatten. Somit war das Projekt durch. Die Stadt stellte uns ihr 
Telefonnetz zur Verfuegung, Die Lehrer waren bereit nach ersten Murren 
unser technisches Projekt zu tragen und ihre persoenlichen Interessen 
zurueckzustellen und in der Volksbank hatten wir einen finanzkraeftigen 
Sponsor, der auch zukuenftig weitergesponsert haette.

Jetzt fehlte nur noch die Anbindung an das Netz. Dies sollte die 
Universitaet zur Verfuegung stellen. Innerhalb eines staedtischen 
Gebauede laueft naemlich das Telefonnetz der Stadt mit dem 
universitaetseigenen Glasfaser-Backbone Netz zusammen. Der Schulserver 
haette als Router beides miteinander verbunden. Unser Schulnetz war 
Realitaet geworden. 

Gestern kam die Ernuechterung. Der Kanzler lehnt unser Projekt ab und ist
nicht gewillt, dem Anschluss des Schulservers an das Goenet (Hochschulnetz)
zu dulden. Offizielle Begruendung: Verlust der Gemeinnuetzigkeit. Intern
vermuten wir etwas ganz anderes. Goettingen wird Win Shuttle Knotenpunkt mit
ner 155 Mbit Anbindung. Unser RZ-Leiter moechte natuerlich gerne seinen
Anschluss extrem gut verkaufen und wenn wir die Schulen ueber die Uni
anschliessen, fallen sie als zahlende Kunden weg.

(Frust!)

 =Joerg=