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Re: Blumentritt und kein Ende
- To: debate@fitug.de
- Subject: Re: Blumentritt und kein Ende
- From: kopp@naranek.camelot.de (Wolfgang Kopp)
- Date: 10 Feb 1997 19:28:00 +0100
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- In-Reply-To: <199702101417.PAA22537@fitug.fitug.de>
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- Sender: owner-debate@fitug.de
Hallo Heiko,
Du meintest am 10.02.97 um 14:48 zum Thema "Re: Blumentritt und kein Ende":
> Sinne zu tun. Lies mal die franz. Verfassung, dann weisst Du worum
> es bei der Meinungsfreiheit geht, naemlich um Politik. Abgesehen
Dann haben die Franzosen einfach einen sehr engen Begriff von
Meinungsfreiheit, sogar einen noch engeren als wir.
Natürlich geht es bei der Meinungsfreiheit hauptsächlich um politische
Willensbildung. Aber *wodurch* sich Meinungen bilden, die vielleicht
auch mal für politische Entscheidungen ausschlaggebend sein werden, das
vermag doch im voraus wirklich niemand zu sagen.
Ja, auch all die Dinge, die man täglich sieht und über die man
vielleicht nur lächelt oder gar nicht bewußt nachdenkt - jeder
Klospruch, jede abwegige Behauptung, jede Beleidigung, jeder dümmliche
Kommentar eines Radiomoderators, jeder schöne und jeder noch so
bescheuerte Liedtext, jede *Melodie* -, all das trägt täglich dazu bei,
*Dein* Bild von der Welt zu formen, Meinungen in Deinen Kopf zu setzen,
und Dich zum braven XYZ-Wähler zu machen - oder zum Nazi. Weil wir es
uns nicht leisten können, Menschen zu haben, die bestimmen, was wir
sehen und hören dürfen und was nicht, ist der grundgesetzliche Begriff
von Meinungsfreiheit das minderste, wofür wir uns einsetzen müssen. Und
dieser Begriff differenziert nicht. Geschützt ist, was zur
Meinungsbildung beiträgt - egal ob zur politischen oder zu sonst
irgendeiner.
Und bevor jemand behauptet, Werbung wäre nicht von Art. 5 GG erfaßt: Daß
es ein Konkurrenzproblem zu Art. 12 I (Berufsfreiheit) gibt heißt nicht,
daß die Werbung weniger geschützt wäre. Wenn man genau darüber
nachdenkt, erkennt man sogar, daß sie als Grundlage der Gewerbeausübung
in vielen Bereichen von essentieller Bedeutung für die Verwirklichung
der Berufsfreiheit ist und damit sicher auch schutzwürdig ist.
Ich will hier natürlich kein Plädoyer für Werbespam halten - Freiheit
hat ihre Grenzen. Aber es geht einfach nicht an, politischen
Informationen im Vergleich zu Werbung mehr Freiraum beim Mißbrauch
technischer Infrastrukturen und bei der Verletzung grundsätzlicher
sozialer Spielregeln zu geben. Wer sich als politisch informiert ansieht
und andere überzeugen will, sollte eher darauf achten, nicht durch
solche Spielchen selbst in ein schlechtes Licht zu kommen - er sollte es
besser wissen.
--
Wolfgang Kopp, Buchenstr 28, D-85716 Unterschleissheim, VF+49-89-3211439
<kopp@naranek.camelot.de> * http://home.pages.de/~kopp/ * Generation @
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