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Re: Blumentritt und kein Ende



Hallo Heiko,

Du meintest am 10.02.97 um 14:48 zum Thema "Re: Blumentritt und kein Ende":

> Sinne zu tun. Lies mal die franz. Verfassung, dann weisst Du worum
> es bei der Meinungsfreiheit geht, naemlich um Politik. Abgesehen

Dann haben die Franzosen einfach einen sehr engen Begriff von  
Meinungsfreiheit, sogar einen noch engeren als wir.

Natürlich geht es bei der Meinungsfreiheit hauptsächlich um politische  
Willensbildung. Aber *wodurch* sich Meinungen bilden, die vielleicht  
auch mal für politische Entscheidungen ausschlaggebend sein werden, das  
vermag doch im voraus wirklich niemand zu sagen.

Ja, auch all die Dinge, die man täglich sieht und über die man  
vielleicht nur lächelt oder gar nicht bewußt nachdenkt - jeder  
Klospruch, jede abwegige Behauptung, jede Beleidigung, jeder dümmliche  
Kommentar eines Radiomoderators, jeder schöne und jeder noch so  
bescheuerte Liedtext, jede *Melodie* -, all das trägt täglich dazu bei,  
*Dein* Bild von der Welt zu formen, Meinungen in Deinen Kopf zu setzen,  
und Dich zum braven XYZ-Wähler zu machen - oder zum Nazi. Weil wir es  
uns nicht leisten können, Menschen zu haben, die bestimmen, was wir  
sehen und hören dürfen und was nicht, ist der grundgesetzliche Begriff  
von Meinungsfreiheit das minderste, wofür wir uns einsetzen müssen. Und  
dieser Begriff differenziert nicht. Geschützt ist, was zur  
Meinungsbildung beiträgt - egal ob zur politischen oder zu sonst  
irgendeiner.

Und bevor jemand behauptet, Werbung wäre nicht von Art. 5 GG erfaßt: Daß  
es ein Konkurrenzproblem zu Art. 12 I (Berufsfreiheit) gibt heißt nicht,  
daß die Werbung weniger geschützt wäre. Wenn man genau darüber  
nachdenkt, erkennt man sogar, daß sie als Grundlage der Gewerbeausübung  
in vielen Bereichen von essentieller Bedeutung für die Verwirklichung  
der Berufsfreiheit ist und damit sicher auch schutzwürdig ist.

Ich will hier natürlich kein Plädoyer für Werbespam halten - Freiheit  
hat ihre Grenzen. Aber es geht einfach nicht an, politischen  
Informationen im Vergleich zu Werbung mehr Freiraum beim Mißbrauch  
technischer Infrastrukturen und bei der Verletzung grundsätzlicher  
sozialer Spielregeln zu geben. Wer sich als politisch informiert ansieht  
und andere überzeugen will, sollte eher darauf achten, nicht durch  
solche Spielchen selbst in ein schlechtes Licht zu kommen - er sollte es  
besser wissen.

-- 
Wolfgang Kopp, Buchenstr 28, D-85716 Unterschleissheim, VF+49-89-3211439
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