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Internet-Protest in Oesterreich



Oesterreichischer Internet Protest 25. Maerz 1997
                                       
Fuer alle, die es noch nicht wissen:
   
   Die Aktion Stop Now laeuft gerade an und das oesterreichische Netz
   wird [angeblich?] am Dienstag, den 25.3.1997 von 16:00 bis 18:00 aus
   Protest gegen die Aktion der Polizei gegen den Provider V.I.P.
   abgeschaltet. Was ViP widerfahren ist, kann jedem Provider drohen...
   ... und jeder Universitaet!
   
   Infos unter:
     * http://www.tripple.at/tripple/stopnow/index.html
     * http://www.internet.at/
       
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Hier ein erster Benutzer-Bericht, der die Problematik aufzeigt:

 > From: mjl@tick.cslab.tuwien.ac.at (Martin J. Laubach)
 > Subject: Hausdurchsuchung bei ISP
 > Date: 21 Mar 1997 11:54:06 GMT
 > Organization: Vienna University of Technology, Austria
 > Summary: Polizei beschlagnahmt saemtliche Rechner bei ISP

   Im Zuge einer vertraglichen Vereinbarung habe ich einen privaten
   Rechner beim Internet-Provider VIP stehen. Besser, ich hatte stehen.
   Bis gestern vormittag.
   
   Gestern, Donnerstag, um 10:45, erschienen neun Beamte der Kriminal-
   polizei in den Raeumen der VIP. Dabei hatten sie einen Durchsuchungs-
   befehl, in dem es hiess, dass aufgrund einer Anzeige gegen
   Unbekannt(!) wegen Verbreitung von Kinderpornographie
   "Computer-Festplatten und der Beweissicherung dienende Ausstattung" zu
   beschlagnahmen waeren.
   
   Anscheinend hat am 10.3.1996 (kein Tippfehler) ein Kunde der VIP gegen
   Paragraph 204a StGB verstossendes Material ins Internet ein- gespeist.
   Wie (Mail, News, oder sonst irgendwie), darueber schweigt sich das
   Dokument aus. Die Staatsanwaltschaft Muenchen hat daraufhin
   Oesterreich um Rechtshilfe ersucht...
   
   ...mit dem Ergebnis, dass die Raeumlichkeiten der Firma, die Privat-
   quartiere der Eigentuemer und der Rest des Hauses durchsucht wurden.
   Alles, das eine Festplatte enthielt, wurde beschlagnahmt. Egal, ob es
   sich um Privatrechner der Mitarbeiter, den Firmenrechner mit der
   gesamten Buchhaltung (der noch nicht einmal im Netz hing), oder eben
   um das Eigentum unbeteiligter Dritter (ich und noch zwei
   "Glueckliche") handelte. [1]
   
   Die Beamten wurden darauf aufmerksam gemacht, dass es sich nicht um
   Eigentum der VIP handelte. Ohne Erfolg. Sie wurden auch darauf auf-
   merksam gemacht, dass "Stecker ziehen" nicht die Methode ist, einen
   Rechner ordnungsgemaess niederzufahren. Ohne Erfolg. Ihnen wurde
   angeboten, die Daten in weniger geschaeftsschaedigender Form zu
   erhalten, etwa ein Backup auf Band. Ohne Erfolg.
   
   Summa summarum -- saemtliche Maschinen sind fort. Noch schlimmer,
   saemtliche Daten sind fort. Sogar Sicherheitskopien auf Band wurden
   mitgenommen. Ich habe den Grossteil der Nacht damit verbracht, einen
   rudimentaeren Notbetrieb auf die Beine zu stellen mitzuhelfen.
   
   Und ich kann nur jedem empfehlen: Macht Backups. Aber nicht lokal,
   denn die werden dann ja auch mitgenommen. [2]
   
   Man koennte fast glauben, jemand versucht fuer das neue Medien-
   gesetzt etwas Stimmung zu machen. Aber wer wuerde so weit gehen, und
   der verantwortlichen Richterin, Dr. Helene Partik-Pable irgendwelche
   Verbindungen zur oesterreichischen Parteienlandschaft nachzusagen...?
   
   Es haette jeden Provider treffen koennen. Wahrscheinlich sind auch
   Universitaeten nicht immun gegen diese Art der Rundumschlag-
   gerichtsbarkeit. Mir macht die Sache jedenfalls Angst.
   
   Die allgemeine Kinderpornohysterie in Verbindung mit dem Internet
   auszunutzen, und die schiere Existenz Dritter (wohlgemerkt, VIP ist
   nicht angeklagt, sondern das Material wird "nur" zur Beweissicherung
   fuer eine Klage gegen Unbekannt gesichtet) durch die Beschlagnahme der
   gesamten Computerausstattung zu riskieren, ist nicht nur grob
   fahrlaessig, sondern skrupellos.
   
   Fuer weitere Informationen stehe ich, oder Peter Wlcek, Mitinhaber der
   VIP (Telephon 257-33-17, unter seiner Email-Adresse ist er momentan
   nicht ganz leicht zu erreichen :^), gerne zur Verfuegung.
   
   Martin Laubach
   
   [1] Wer nun wirklich glaubt, nach einem Jahr auch nur eine Spur einer
   versandten Mail oder eines Newspostings zu finden, der ist nicht nur
   inkompetent, sondern ignorant. Im Zweifelsfall fuer den Angeklagten.
   Denn die andere Alternative -- dass sie wissen, was sie tun --
   gefaellt mir noch viel weniger.
   
   [2] Und weil wir schon dabei sind, verschluesselt die Daten (ich
   jedenfalls werde irgendwie pgp in die Backup-pipeline einbauen). Wenn
   schon jemand an meine Daten will, ohne mich zu fragen, dann sollen sie
   sich auch anstrengen dafuer.
   
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Und hier ein paar weitere Stimmen zu dem Vorfall:

   "Wir sind bestuerzt ueber die Art und Weise, wie die
   Ermittlungsbehoeden gegen elektronische Medien vorgehen. Wir erwarten
   effiziente Aufklaerung und Ahndung von Tatbestaenden wie
   Kinderpornographie, die Vorgangsweise im Fall der VIP ist aber
   dillettantisch.
   
   * Erste Aktionen ein Jahr nach der Tat sind sinnlos
   
   * Provider bzw. Mailboxbetreiber sind als wertvolle, sachverstaendige
   Zeugen zu behandeln
   
   * Das Ermitteln darf nicht den Ruin der Betreiber mit einschliessen.
   Sie sind ja nicht Beschuldigte.
   
   Wir erwarten daher, dass die Behoerden angewiesen werden, die
   beschlagnahmten Geraete umgehend zu untersuchen und
   zurueckzuerstatten. Weiters muss dafuer Sorge getragen werden, dass
   sich derlei hinkuenftig nicht wiederholen kann. Das betrifft die
   Ausbildung der ermittelnden Beamten ebenso wie eine angemessene
   Gesetzgebung, die dem Medium und der Rolle der Systembetreiber gerecht
   wird. Dazu wird ein Dialog mit Systembetreibern sowohl des Internet,
   als auch von Amateurnetzwerken zu fuehren sein.
   
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In Protest: Austria Off the Net
   
   Major Austrian Internet providers ready to pull the plugs on Tuesday
   
   Vienna. In an emergency meeting Sunday afternoon, an ad-hoc-counsel of
   Austria's major internet providers Aconet, Eunet, Vianet & numerous
   others decided to take action against the latest & severest of
   governmental attempts against free flow of information.
   
   On Thursday, a group of secret policemen raided Austrian provider VIP
   (http://www.vip.at/). They pulled the plugs on any machine &
   confiscated every single piece of hardware. 400 vip/customers are up
   to now without connectivity. The search warrant did not include any
   accusations against vip.at. It was based on a request for assistance
   in law enforcement by the public prosecutor's office in Munich, dated
   March 10 1996 (!). There was no official comment on that delay.
   
   As Peter Wlcek, webmaster at vip.at, told quintessenz on Sunday, the
   raid was related to a usenet/posting to pedophile newsgroup by a
   former customer of vip - back in February 1996. "The point is", says
   Wlcek, "Police have been knowing name & address of this man ever
   since, but they raided us nevertheless."
   
   Wlcek would not comment on the fact that the examining magistrate
   Helene Partik-Pable is a prominent partisan of Joerg Haider's
   rightwing Freedom Party and Member of Austrian Parliament. The ruling
   coalition's (social democrats/conservatives) telecom law is after
   several years of fruitless efforts right now under parliamentary
   discussion.
   
   Author: erich-moechel@quintessenz.at (http://www.quintessenz.at/)
   
   A press conference will be held in Vienna, Monday March 24th 1997, at
   the Haas-Haus, 12.30.
   
   Contact: Madeleine Fuchs (fuchs@vianet.at)
   
weitergeleitet von
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Hubert Partl                 partl@mail.boku.ac.at
ZID BOKU Wien                http://www.boku.ac.at/
                             COMPVTOR ERGO SVM :-)