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FWD [IMD-L: fiff@FIFF.GUN.DE: Gedanken_zur_XS4ALL-Sperrung]




>Date:         Sat, 19 Apr 1997 21:08:19 EMT
>From:         "Forum InformatikerInnen f. Frieden" <fiff@FIFF.GUN.DE>
>Subject:      Gedanken_zur_XS4ALL-Sperrung
>To:           IMD-L@VM.GMD.DE
>
>		     nxs4all: No Access for All
>
>Hallo Leute,
>
>
>ein Teil der Netzgemeinde wunderte sich in den letzten Tagen,
>warum die Generalbundesanwaltschaft (GBA) einen uralten Hut aus
>der Mottenkiste holte und das DFN dazu aufforderte, wieder einmal
>den Zugang zur Ausgabe 154 der Zeitschrift "radikal", die unter
>anderem auf dem niederlaendischen Server XS4ALL zu findend ist, zu
>sperren. Das wiederum bedeutet die bekannte Vollsperrung des DFN-
>Zugangs zu XS4ALL.
>
>Dazu ein paar Ueberlegungen.
>
>Dass es wenig Sinn macht, nur XS4ALL, nicht aber die zahlreichen
>Mirrors zu sperren, ist klar. Auch die lange Geschichte von XS4ALL
>und der GBA koennte zu der Schlussfolgerung fuehren, es gibt so
>wenig von dem vielbeschworenen Schmutz und Schund im Internet,
>dass die Bundesanwaltschaft nur einen einzigen Fall zu haben
>scheint, den sie immer wieder breit treten muss.
>
>Man koennte die Aktion nun damit erklaeren, dass da ein
>ordentlicher Beamter bei seinen Streifzuegen durchs Netz per
>Zufall beim DFN fuendig wurde und das DFN pflichtschuldigst auf
>ein Vergehen aufmerksam machte, um es vor Schaden zu behueten.
>
>Man koennte aber auch zwei weitere Punkte in das Kalkuel aufnehmen
>und auf die Idee kommen, dass sich die GBA von dieser Aktion
>Gewinn versprechen kann. Die zwei Punkte sind:
>
>1. Nach einer Abstimmung im CL-Mailboxnetz steht mit dem Brett
>   (=Newsgroup) CL/Magazine/radikal die erste Einrichtung eines
>   elektronischen Verbreitungsweges fuer "radikal" im Inland an.
>   Die Mirrors waren bislang alle ausserhalb der Bundesrepublik
>   und damit nicht von der GBA strafrechtlich zu verfolgen.
>2. Die GBA wartet auf die naechste Ausgabe der "radikal".
>
>Aus der Sicht der GBA kann die erneute Bitte um Sperrung
>(rechtsfoermig ist bisher ja nichts gewesen) von XS4ALL - und nur
>XS4ALL - vier Pluspunkte haben:
>
>1. Sollte die Reaktion im Netz und in den Medien mau sein, kann
>   die GBA ihre neue Sperrungsaufforderung als reine Warnung oder
>   Zeigen der Flagge deklarieren und ihre laufenden Verfahren
>   gegen Provider in aller Ruhe weiterverfolgen, ohne politische
>   und mediale Probleme befuerchten zu muessen.
>
>2. Sollte die Aktion zu einer Solidarisierung im Netz und damit
>   dazu fuehren, dass irgend jemand im Inland "radikal"
>   elektronisch verbreitet, hat die GBA endlich das noetige
>   Futter, um ihren bisher sehr schwachen Fall gegen Internet-
>   Provider aufzupeppen. Selbst die Bundesregierung lehnte letztes
>   Jahr in einer Kleinen Anfrage der Buendnisgruenen - entgegen
>   ueblichen Gepflogenheiten - nicht nur jede Verantwortung fuer
>   die erste Sperrungsaktion ab, sondern sah sich auch zu keiner
>   Rechtfertigung genoetigt.
>
>   Nachdem obendrein das Oberlandesgericht Koblenz am 9.4.97 die
>   Eroeffnung der Hauptverhandlung gegen vier der "radikal"-
>   Urheberschaft beschuldigte Personen abgelehnt hat, geraet die
>   GBA langsam unter Erfolgsdruck in Sachen "radikal". Eine
>   Auseinandersetzung um die elektronische Verbreitung kaeme da
>   gerade recht.
>
>3. Die Vorstellungen der GBA ueber die Verantwortlichkeit fuer
>   Inhalte im Internet und den Zugang dazu und die fuer die
>   Zukunft im Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz
>   (IuKDG) geplante Loesung sind nicht ganz in Uebereinstimmung zu
>   bringen. Die neue Sperrungsaufforderung passt zeitlich gut mit
>   der ersten Lesung des IuKDG im Bundestag am 18.4. zusammen.
>   Vielleicht hofft die GBA auf irgendeine Reaktion, die fuer die
>   Forderung nach einer Gesetzesverschaerfung herhalten koennte.
>
>4. Jegliche Reaktion, die die GBA im Netz nun provoziert, dient
>   ihr vor allem aber als Steilvorlage fuer die eigenen
>   Aktivitaeten, falls die naechste Nummer der "radikal"
>   herauskommt und durchs Netz geistert.
>
>Von diesen Gruenden ist schon einer allein viel zu gut, um es aus
>Sicht der GBA nicht nochmal mit einer Sperrungsaufforderung zu
>versuchen. Ohne Rueckhalt fuer die urspruengliche
>Sperrungsaufforderung durch die Bundesregierung, ohne Erfolg gegen
>"radikal" vor Gericht und ohne Zustimmung in den Medien hat die
>GBA wenig zu verlieren, aber genug zu gewinnen.
>
>Das DFN zu einer Sperrung zu bringen mag daher ruehren, dass es
>frueher einmal an den Unis den sogenannten "linken
>Sympathisantensumpf" trockenzulegen gab. Deswegen koennte die GBA
>heute glauben, dort gaebe es immer noch genug Protestpotential.
>XS4ALL ist ein passendes Opfer, weil seine Gruender einen
>basisbewegten Anspruch haben und aus der Hackerecke kommen. XS4ALL
>und die in der Bundesrepublik vor den Kadi gezogenen Internet-
>Provider werden so zum Spielball einer unendlichen Geschichte aus
>den 70er Jahren, die die GBA verbissen und durchaus nicht immer
>unter Beachtung der Verhaeltnismaessigkeit weiterverfolgt.
>
>
>Allzugerne liesse ich mich davon ueberzeugen, dass diese
>Ueberlegungen falsch sind. Unter Beruecksichtigung der Fakten
>und der bisherigen Entwicklung aber sehe ich nichts, was
>grundsaetzlich dagegen spricht.
>
>Ingo Ruhmann
>
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