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BMJ Schmitt-Jortzig zur Providerverantwortung
- To: debate@fitug.de
- Subject: BMJ Schmitt-Jortzig zur Providerverantwortung
- From: Horns@t-online.de (Axel H. Horns)
- Date: Mon, 21 Apr 1997 17:53:07 +0100
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Aus dem Redebeitrag von BMJ Schmitt-Jortzig (F.D.P.) in der
Bundestagsdebatte zur 1. Lesung des IuKDG-Gesetzes:
" Ein mir persoenlich wichtiger Punkt -- da sind wir bei einem der
Punkte, die schon angesprochen wurden -- ist die Verantwortung der
Diensteanbieter, also der Provider, zum Beispiel im Internet.
Deutschland darf kein digitales Entwicklungsland werden, nur weil wir
aus Angst vor strafbaren Inhalten und/oder zivilrechtlichen Schaeden
als erstes Land einen Cyber-Sheriff installieren. Deshalb enthaelt
dieser Gesetzentwurf einen klaren Rahmen, aber keine zu stringenten
Vorschriften. Erstens. Grundsaetzlich soll derjenige fuer
Kommunikationsinhalte einstehen, der Straftaten begeht oder durch
eigenes Verschulden einen Schaden verursacht. Anbieter, die Inhalte
nur transportieren, koennen fuer diese fremden Inhalte nicht haftbar
gemacht werden. Das ist konsequent; denn wir bestrafen auch die Post
nicht, wenn sie Briefe mit Bauanleitungen fuer Molotowcocktails etc.
transportiert. Strafbar sind die Absender -- im Internet wie beim
Brief.
Vizepraesident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Professor Schmidt-Jortzig,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss? Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Gerne,
selbstverstaendlich. Joerg Tauss (SPD): Herr Bundesminister, wir haben
in dieser Frage keinen Dissens. Aber wie beurteilen Sie in diesem
Zusammenhang beispielsweise die Auffassung des Generalbundesanwalts,
der sagt, eine einfache Mitteilung, dass irgendwo ein rechtswidriger
Inhalt sei, genuege, um all die Folgen fuer die Provider einzuleiten,
die wir hier gemeinsam beklagen. Die haben dann naemlich Kenntnis von
den Inhalten und sind gehalten, dafuer Sorge zu tragen, dass die
Inhalte geloescht werden. Wenn sie es nicht tun, werden sie mit
Ordnungsgeld und Strafen belegt. Aber wenn sie es tun, sperren sie
gleichzeitig den Zugang zum Surfen in weiten Teilen der Welt. Das ist
doch das Problem. Wie beurteilen Sie diese Auffassung der
Generalbundesanwaltschaft? Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister
der Justiz: Was dazu genuegt, um jemanden boesglaeubig zu machen, das
will ich ueberhaupt nicht entscheiden. Da kann ich mir alle moeglichen
Dinge vorstellen. Aber wenn er denn boesglaeubig ist und trotz
Kenntnis davon weiter transportiert, dann ist er auch verantwortlich.
Das ist das Prinzip, das in der gesamten Rechtsordnung besteht. (Joerg
Tauss [SPD]: Wie soll er das machen? Jetzt sind wir beim Problem!)
Ob Sie wirklich boesglaeubig werden, schlicht und ergreifend dadurch,
dass Sie eine Meldung in der Zeitung lesen, Ihnen jemand einen
freundlichen Brief schreibt oder aehnliches, das will ich gar nicht
entscheiden. An dem Prinzip wird sich jedenfalls nichts aendern.
(Joerg Tauss [SPD]: Na ja!)
Also: Strafbar sind die Absender. Das gilt im Internet wie beim
Briefverkehr, auch wenn der mitunter ziemlich lange dauert. Um dies
in vollem Umfang zu gewaehrleisten, praezisiert das vorliegende
Gesetz den Schriftenbegriff im Strafgesetzbuch, im Gesetz ueber
Ordnungswidrigkeiten und auch im Gesetz ueber die Verbreitung
jugendgefaehrdender Schriften. Es wird mit Hilfe dieser Passage des
neuen Gesetzes sichergestellt, dass auch solche kriminellen Inhalte
verfolgt werden, die nur fluechtig im Datenspeicher zugaenglich sind.
Das ist nach unserem geltenden Strafrecht auch dann der Fall, wenn
zum Beispiel kinderpornographische Darstellungen vom Ausland aus in
Deutschland verbreitet werden. Ich lege Wert auf die Feststellung,
die schon von einigen heute von diesem Platze aus getroffen worden
ist, dass nicht ein rechtsfreier Raum besteht, nur weil das
Kommunikationsmedium neu ist. Es gelten die allgemeinen Prinzipien
auch fuer das Internet.
(Joerg Tauss [SPD]: Auch heute schon!)
-- Voellig richtig. Aber es ist wichtig, das zu unterstreichen, weil
es da, wie im uebrigen in anderen Richtungen auch, mangels technischer
Kenntnisse manche Missverstaendnisse gibt. (Joerg Tauss [SPD]: Es wird
ein falscher Eindruck erweckt!)
Das Problem ist, dass die Strafverfolgungsbehoerden --
schlagwortartig gesprochen: die Polizei -- naturgemaess an Grenzen
stossen. Das Internet und, wenn ich die Zeichen der CeBIT richtig
gedeutet habe, in absehbarer Zukunft auch das Cyberspace koennen
nicht dazu dienen, das Aktionsfeld nationaler Polizeien auf die ganze
Welt auszudehnen. Dass ein Staatsanwalt alles, auch wenn es von den
Fidschiinseln kommt, auf dem Bildschirm kontrolliert, das ist
selbstverstaendlich. Aber ob dann konkrete Ermittlungsmassnahmen
getroffen werden koennen, ist schon rein technisch eine zweite Frage.
Hier muessen wir neue Wege der Zusammenarbeit insgesamt und nicht
speziell fuer die Kommunikationsnetze finden. Das im Aufbau
begriffene europaeische Polizeiamt Europol weist in die richtige
Richtung. Internet, internationaler Drogenhandel oder die
weltumspannende Verschiebung von Waffen zeigen deutlich: Wir werden
bei der Strafverfolgung in absehbarer Zeit ueber die nationale und
kontinentale Ebene hinaus verlaessliche Instrumente fuer eine globale
Zusammenarbeit benoetigen. Ich stimme ausdruecklich zu, dass wir in
diesem speziellen Bereich -- ich bleibe der Anschaulichkeit halber
beim Internet -- noch vieles mit den "Netiketten", mit freiwilligen
Uebereinkuenften, machen koennen. Aber bei harter Strafverfolgung
wird es dabei nicht sein Bewenden haben koennen. Meine Damen und
Herren, die klare Regelung der Verantwortlichkeit fuer straf- und
zivilrechtliche Inhalte schafft Vertrauen in den Informationsstandort
Deutschland. "