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BMJ Schmitt-Jortzig zur Providerverantwortung



Aus dem Redebeitrag von BMJ Schmitt-Jortzig (F.D.P.) in der 
Bundestagsdebatte zur 1. Lesung des IuKDG-Gesetzes:

" Ein mir persoenlich wichtiger Punkt -- da sind wir bei einem der
 Punkte, die schon angesprochen wurden -- ist die Verantwortung der
 Diensteanbieter, also der Provider, zum Beispiel im Internet.
 Deutschland darf kein digitales Entwicklungsland werden, nur weil wir
 aus Angst vor strafbaren Inhalten und/oder zivilrechtlichen Schaeden
 als erstes Land einen Cyber-Sheriff installieren. Deshalb enthaelt
 dieser Gesetzentwurf einen klaren Rahmen, aber keine zu stringenten
 Vorschriften. Erstens. Grundsaetzlich soll derjenige fuer
 Kommunikationsinhalte einstehen, der Straftaten begeht oder durch
 eigenes Verschulden einen Schaden verursacht. Anbieter, die Inhalte
 nur transportieren, koennen fuer diese fremden Inhalte nicht haftbar
 gemacht werden. Das ist konsequent; denn wir bestrafen auch die Post
 nicht, wenn sie Briefe mit Bauanleitungen fuer Molotowcocktails etc.
 transportiert. Strafbar sind die Absender -- im Internet wie beim
 Brief. 
Vizepraesident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Professor Schmidt-Jortzig,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss? Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: Gerne,
selbstverstaendlich. Joerg Tauss (SPD): Herr Bundesminister, wir haben
in dieser Frage keinen Dissens. Aber wie beurteilen Sie in diesem
Zusammenhang beispielsweise die Auffassung des Generalbundesanwalts,
der sagt, eine einfache Mitteilung, dass irgendwo ein rechtswidriger
Inhalt sei, genuege, um all die Folgen fuer die Provider einzuleiten,
die wir hier gemeinsam beklagen. Die haben dann naemlich Kenntnis von
den Inhalten und sind gehalten, dafuer Sorge zu tragen, dass die
Inhalte geloescht werden. Wenn sie es nicht tun, werden sie mit
Ordnungsgeld und Strafen belegt. Aber wenn sie es tun, sperren sie
gleichzeitig den Zugang zum Surfen in weiten Teilen der Welt. Das ist
doch das Problem. Wie beurteilen Sie diese Auffassung der
Generalbundesanwaltschaft? Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister
der Justiz: Was dazu genuegt, um jemanden boesglaeubig zu machen, das
will ich ueberhaupt nicht entscheiden. Da kann ich mir alle moeglichen
Dinge vorstellen. Aber wenn er denn boesglaeubig ist und trotz
Kenntnis davon weiter transportiert, dann ist er auch verantwortlich.
Das ist das Prinzip, das in der gesamten Rechtsordnung besteht. (Joerg
Tauss [SPD]: Wie soll er das machen? Jetzt sind wir beim Problem!)
 Ob Sie wirklich boesglaeubig werden, schlicht und ergreifend dadurch,
 dass Sie eine Meldung in der Zeitung lesen, Ihnen jemand einen
 freundlichen Brief schreibt oder aehnliches, das will ich gar nicht
 entscheiden. An dem Prinzip wird sich jedenfalls nichts aendern. 
(Joerg Tauss [SPD]: Na ja!)
 Also: Strafbar sind die Absender. Das gilt im Internet wie beim
 Briefverkehr, auch wenn der mitunter ziemlich lange dauert. Um dies
 in vollem Umfang zu gewaehrleisten, praezisiert das vorliegende
 Gesetz den Schriftenbegriff im Strafgesetzbuch, im Gesetz ueber
 Ordnungswidrigkeiten und auch im Gesetz ueber die Verbreitung
 jugendgefaehrdender Schriften. Es wird mit Hilfe dieser Passage des
 neuen Gesetzes sichergestellt, dass auch solche kriminellen Inhalte
 verfolgt werden, die nur fluechtig im Datenspeicher zugaenglich sind.
 Das ist nach unserem geltenden Strafrecht auch dann der Fall, wenn
 zum Beispiel kinderpornographische Darstellungen vom Ausland aus in
 Deutschland verbreitet werden. Ich lege Wert auf die Feststellung,
 die schon von einigen heute von diesem Platze aus getroffen worden
 ist, dass nicht ein rechtsfreier Raum besteht, nur weil das
 Kommunikationsmedium neu ist. Es gelten die allgemeinen Prinzipien
 auch fuer das Internet.
(Joerg Tauss [SPD]: Auch heute schon!)
-- Voellig richtig. Aber es ist wichtig, das zu unterstreichen, weil
es da, wie im uebrigen in anderen Richtungen auch, mangels technischer
Kenntnisse manche Missverstaendnisse gibt. (Joerg Tauss [SPD]: Es wird
ein falscher Eindruck erweckt!)
 Das Problem ist, dass die Strafverfolgungsbehoerden --
 schlagwortartig gesprochen: die Polizei -- naturgemaess an Grenzen
 stossen. Das Internet und, wenn ich die Zeichen der CeBIT richtig
 gedeutet habe, in absehbarer Zukunft auch das Cyberspace koennen
 nicht dazu dienen, das Aktionsfeld nationaler Polizeien auf die ganze
 Welt auszudehnen. Dass ein Staatsanwalt alles, auch wenn es von den
 Fidschiinseln kommt, auf dem Bildschirm kontrolliert, das ist
 selbstverstaendlich. Aber ob dann konkrete Ermittlungsmassnahmen
 getroffen werden koennen, ist schon rein technisch eine zweite Frage.
 Hier muessen wir neue Wege der Zusammenarbeit insgesamt und nicht
 speziell fuer die Kommunikationsnetze finden. Das im Aufbau
 begriffene europaeische Polizeiamt Europol weist in die richtige
 Richtung. Internet, internationaler Drogenhandel oder die
 weltumspannende Verschiebung von Waffen zeigen deutlich: Wir werden
 bei der Strafverfolgung in absehbarer Zeit ueber die nationale und
 kontinentale Ebene hinaus verlaessliche Instrumente fuer eine globale
 Zusammenarbeit benoetigen. Ich stimme ausdruecklich zu, dass wir in
 diesem speziellen Bereich -- ich bleibe der Anschaulichkeit halber
 beim Internet -- noch vieles mit den "Netiketten", mit freiwilligen
 Uebereinkuenften, machen koennen. Aber bei harter Strafverfolgung
 wird es dabei nicht sein Bewenden haben koennen. Meine Damen und
 Herren, die klare Regelung der Verantwortlichkeit fuer straf- und
 zivilrechtliche Inhalte schafft Vertrauen in den Informationsstandort
 Deutschland. "