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Re: Kanther´s Rede zum Kryptoverbot



andy@ccc.de (Andy Mueller-Maguhn) wrote:

>                 Rede von Bundesinnenminister Manfred Kanther
>          anlaesslich der Eroeffnung des 5. IT-Sicherheitskongresses
>                           am 28. April 1997 in Bonn
>               "Mit Sicherheit in die Informationsgesellschaft"

Dazu:

>Subject: PM Tauss: Kanther kuendigt Krypto-Regulierung an
>From: "Moenikes@mdb5.bn.eunet.de" <Moenikes@mdb5.bn.eunet.de>
>To: ;@Vitueller Presseverteiler
>Date: Sun, 27 Apr 1997 19:51:15 +0000
>
>Wir bitten um Verzeihung, falls Sie folgende Pressemitteilung bereits
>erhalten haben. Herzlichen Dank fuer Ihr Verstaendnis!
>
>- Sperrfrist: Montag, 28.4.97, 10.00 Uhr -
>
>Kanther blaest zum Halali:
>Tod einer Zukunftsbranche Regierungsziel?
>
>Anlaesslich der Eroeffnungsrede von Bundesinnenminister Manfred
>Kanther zum 5. Deutschen IT-Sicherheitskongress in Bad Godesberg
>erklaert der Experte fuer Informations- und Kommunikationstechnologie
>der SPD-Bundestagsfraktion, Joerg Tauss, MdB:
>
>Mit der heutigen Rede von Bundesinnenminister Kanther wird zur
>Gewissheit, was bisher schon vermutet, von Regierungsseite aber stets
>bestritten wurde: Die Bundesregierung beabsichtigt, mit einer
>restriktiven Regulierung des Einsatzes von Verschluesselungstechnik
>die Grundlagen jeglicher Datensicherheit in Deutschland zu zerstoeren
>und die Anwender sicherer Krypto-Produkte in die Naehe von Kriminellen
>zu ruecken. Den heimischen Informationsunternehmen versetzt sie damit
>einen Tiefschlag. Eine weitere Zukunftsbranche mit grossen
>Wachstumschancen ist akut gefaehrdet.
>
>Mit seiner Forderung, bei der Anwendung von Verschluesselungstechnik
>muesste ein digitaler "Nachschluessel" bei staatlichen Stellen
>hinterlegt werden, hat sich der Minister die sachlich falschen
>Vorschlaege von CSU und Geheimdiensten auf die Fahnen geschrieben.
>Diese fordern schon lange eine Beschraenkung des Einsatzes
>kryptographischer Verfahren, aus Angst, ihre Abhoermoeglichkeiten
>koennten bei zunehmender Anwendung dieser Technik schwinden.
>
>Eine Krypto-Regulierung, wie sie der Minister vorschlaegt, waere im
>Kampf gegen Kriminelle jedoch eine Stumpfe Waffe: Nicht nur, dass sich
>beliebig Daten in unverfaenglichen Dateien verstecken lassen
>(Steganographie), viel leichter waere es fuer "schlaue Gangster", wenn
>sie ihre Informationen zunaechst mit illegalen Methoden sicher
>verschluesseln, um sie dann noch nach aussen hin mit einem unsicheren,
>staatlich zugelassenen "Krypto-Umschlag" zu tarnen. Im Strom der immer
>gleich aussehenden digitalen Daten koennten solche Manipulationen nur
>entdeckt werden, wenn man alle Kommunikationsvorgaenge prophylaktisch
>ueberwacht. Ein Ueberwachungstaat Orwell'schen Ausmasses wuerde
>entstehen. Verstaendlich, dass das, was Kanther heute vorgeschlagen
>hat, der Alptraum aller Unternehmer, Datenschuetzer und
>Sicherheitsexperten ist und auf ihre einhellige Ablehnung stoesst.
>
>Kanthers Rede ist zugleich ein Symbol fuer tiefe Zerrissenheit in der
>Bundesregierung: Noch am vergangenen Freitag hatte sich Justizminister
>Schmidt-Jortzig in der Bundestagsdebatte zum Multimediagesetz IuKDG
>klar gegen eine Krypto-Regulierung ausgesprochen, der zustaendige
>Berichterstatter der FDP, Karl-Hans Laermann, versicherte sogar
>"unmissverstaendlich", es werde keine Kryptographieverbote oder
>-Beschraenkungen geben. Die Halbwertzeit solch liberaler Maskerade
>laeuft im Bundeskabinett aber offensichtlich immer schneller ab. Oder
>aber es versteckt sich hier eine Unstimmigkeit in der Koalition, die
>sich - wie so oft in der Vergangenheit - am fehlenden Rueckgrat der
>FDP entscheiden wird.
>
>Nach der Devise "Wo ein Gangster, da ist Kanther", will der Minister
>durch eine Kombination von personellen, technischen und juristischen
>Massnahmen den Sicherheitsbehoerden das uneinge-schraenkte Ueberwachen
>jeglicher Kommunikation ermoeglichen. Ob sensibelste medizinische,
>persoenliche oder geschaeftliche Informationen, mit der Hinterle-gung
>eines "Nachschluessels" eroeffnen sich fuer seine Geheimdienste
>ungeahnt neue Moeglichkeiten: Die Daten lassen sich nicht nur
>"mithoeren" sondern zugleich auch perfekt manipulieren.
>
>Den (un)heimlichen Wettbewerb mit Forschungsminister Ruettgers unter
>dem Motto: "Wer zerstoert die Konkurrenzfaehigkeit deutscher
>Zukunftsunternehmen am Besten" gewinnt er damit klar nach Punkten.
>Pech fuer Ruettgers, dass er seinem Konkurrenten Kanther diesmal auch
>noch die Steilvorlage geliefert hat, in Form seiner Vorschlaege fuer
>ein Signaturgesetz, das die kuenftigen Überwachungsstrukturen schon
>vorzeichnet:
>
>Die privaten Unternehmen, bei denen man kuenftig seinen Schluessel
>fuer die digitale Signatur beantragen kann, koennten kuenftig
>diejenigen sein, die fuer die Hinterlegung eines "Nachschluessels" zu
>sorgen haben. Diese Unternehmen werden so zum Hauptangriffsziel aller
>Kriminellen und Wirtschaftsspione der Welt, denn einmal im Besitz
>eines "Nachschluessels" koennen auch andere als die Berechtigten
>hineinschauen und manipulieren! Aber, selbst wenn Verfahren und
>Technik wirklich sicher waeren: Mit welcher Begruendung koennte nach
>Einfuehrung der Kantherschen Regelung ein deutsches Unternehmen
>auslaendischen Behoerden noch die Aushaendigung eines
>"Nachschluessels" verweigern, wenn es z.B. mit seiner chinesischen
>Filiale kommunizieren will? Ausgerechnet den gesetzestreuen Anwendern
>wuerde durch den Innenminister also Datenschutz und Datensicherheit
>verweigert.
>
>International operierende Unternehmer, aber auch auf Vertraulichkeit
>und Sicherheit bedachte Privatleute, sind heute auf wirksame,
>teilnehmerautonome Verschluesselungsverfahren angewiesen. In offenen
>Datennetzen wie dem Internet besteht dafuer sogar ein legitimes, ja
>vitales Interesse. Zudem ist sichere Verschluesselung die
>unverzichtbare Grundvoraussetzung fuer jede ernsthafte geschaeftliche
>oder behoerdliche Anwendung der Informationstechnik. Die Vorschlaege
>Kanthers, die an eine Kopie des in den USA laengst ueberwundenen
>"Key-Escrow"-Konzepts erinnern, werden dem nicht gerecht.
>
>Effektive Verbrechensbekaempfung auch in einer globalen
>Informationsgesellschaft zu gewaehrleisten, bleibt eines der
>wichtigsten Ziele verantwortungsvoller Politik. Wenn aber Kanthers
>Stammtischgeschwaetz in Deutschland Gesetz wird, ist lediglich eine
>weitere Chance vertan, unserem Land den Anschluss an die
>Zukunftstechnologie zu ermoeglichen: Echte "Gangster" wird Minister
>Kanther mit seinen Vorschlaegen jedenfalls keine fassen.
>
>27.04.97/moe
-- 
Yogi Berra said:
>When you come to a fork in the road, take it.