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Stellungnahme zum Medienrat



On Fri, Oct 10, 1997 at 11:56:00AM +0200, Chr. Schulzki-Haddouti wrote:
[http://www.medienrat.de/]
> 1. Verneint das Ergebnis der Studie jegliche technische Machbarkeit?

Es muß zwischen unterschieden werden zwischen:
  - der Studie selbst,
  - den Stellungnahmen von externer Seite,
  - der Zusammenfassung und Bewertung durch den Studienersteller und
  - der zugehörigen Pressemitteilung.

Zur Studie selbst erspare ich mir jede Ausführung.

Die Stellungnahmen sind erstaunlich kurz. IIRC haben die angesprochenen
Personen auch nicht deratig viel Zeit für die Bewertung gehabt. Dies ist
auch an den Abgabedaten zu ersehen. Sie bringen viele wesentliche Einwände
und belegen, daß die Studie ein unzumutbares Explosivpotential für die
Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und Privatinteressen darstellt. In
der Köhntoppstudie ist der wichtige Gedanke enthalten:
  "Wir haben in der Vergangenheit häufig erlebt, daß jeder mögliche
   Datenzugriff Begehrlichkeiten bei diesen Zielgruppen weckte. Dies ist der
   Grund für die sich überall ausweitenden Abhörbefugnisse der
   Sicherheitsbehörden."
Diese Aussage muß auch auf die Studie selbst bezogen werden. Sie erweckt
wider besseres Wissen den Eindruck, bestimmte Kontrollen und technische
Lösungen seien möglich. Wie dies in der Bewertung zum tragen kommt, folgt
unten.

Die rechtliche Stellungnahme kommt zwar zum Schluß, daß das Vorgehen der
Studie nicht haltbar ist. Jedoch ist sie an jeder Stelle von dem
Grundgedanken, eine Sperraufforderung sei rechtens, solange sie nur von
Vater Staat kommt, zu spüren. Dem ist allerdings nicht so. Diese
Stellungnahme schweigt sich auch zum eigentlichen Kernproblem aus, wie denn
eine zentrale Providervereinigung reagieren müßte. Sie behandelt stattdessen
die Fragen, wie und ob ein einzeln agierender Provider reagieren muß und wie
seine Verträge aussehen sollten, damit er sperren kann. Dieser Bias ist
unerträglich. Diese Stellungnahme suggeriert -ohne es zu schreiben- das der
Sperrung nur ein formales gesetzgeberisch lösbares Problem gegenübersteht.

In der Zusammenfassung und Bewertung werden die Grundaussagen der
Stellungnahmen einzeln entwertet und z.g.T. als nichtig abgetan. Ich kann
mich des Eindrucks nicht erwehren, daß (dank an Wau für diese Formulierung)
nun die zweite Runde zum Aufbau einer Kontroll- und Sperrinfrastruktur durch
eine zentrale Providervereinigung eingeleitet wurde. Der entsprechende
Grundgedanke, eine Sperrung überhaupt ernsthaft in Erwägung zu ziehen, ist
nach wie vor präsent. Man dankt den externen Autoren für die Kritik und
verbessert sein Konzept. Ich erwarte nun für nächstes Jahr eine neue Studie,
die etwas fundierter den ersten Angriff überlebt hat.

Was dem eiligen Leser in der Pressemitteilung zu Gesicht gebracht wird, hat
dagegen ein ganz andere Aussage. Es wird vordergründig das Konzept als
solches abgelehnt. Mit dem o.g. im Hinterkopf fällt allerdings auf, daß nur
das vorgestellte Konzept "Webblock" abzulehnen ist. Was aus dem "NewsWatch"
und mit einem "WebBlock II" passieren wird, bleibt offen. Ebenso augenfällig
ist, daß Sperrungen als solche nicht verdammt werden, sondern nur die
Diskussion entschärft werden soll: "Der Internet-Medienrat appelliert daher
dringend an die Politik, aber auch an Staatsanwaltschaften, Polizei- und für
den Jugendschutz verantwortliche Behörden, eine Eskalation der Diskussion um
Sperrungen zu vermeiden. Das Problem des Mißbrauchs muß im Internet auf
anderem Wege als durch technische Eingriffe in die Integrität des Netzes
gelöst werden."

So schön es klingt: Der Nachgeschmack bleibt schal.

>    Was haeltst Du von ihr grundsaetzlich?

Ich halte die bis vor wenigen Monaten nicht öffentlich diskutierte Studie
für einen geschickten Schachzug, bestimmte Begehrlichkeiten zu wecken.

> 2. Der Medienrat fordert, das Problem des Missbrauchs im Internet auf einem
>    anderen Wege als durch technische Eingriffe in die Integritaet des Netzes
>    zu loesen. Welchen gangbaren Weg schlaegst Du vor?

Es muß sowohl der Politik als auch den entsprechenden Behörden klar gemacht
werden, daß sie Ihren Aufgaben nicht auf dem bequemen Weg der Zensur
nachgehen können. Dies ist grundgesetzwidrig. Sie müssen lernen, nicht den
Boten, sondern den Urheber zu bestrafen. Dazu ist es in einem
internationalen Medium notwenig, sich auf internationale Gemeinsamkeiten
zurückzuziehen. Dort hat die Politik ihr Wirkungsfeld auszuüben. Es ist
sicher nicht leicht, international verträgliche Gesetze zu entwickeln. Aber
man kann einem internationalem Medium nicht die verstaubten Gesetzesmützen
irgendwelcher Kämmerchen überstülpen und hoffen, mit etwas Gewalt Freiheiten
beschränken zu können.

Die Strafverfolgungsbehörden haben genügend Mittel, gegen Täter vorzugehen,
die sie ohne Einschränkung der Rechte Dritter wahrnehmen können. Es ist
sicher nicht immer bequem, aber notwendig.

[Dieser Text unterliegt der GPL und ist digital unterzeichnet.]

Lutz Donnerhacke <lutz@fitug.de>

CC: debate@fitug.de

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