[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Lesenswert. (2)



Moin allerseits.


In der NJW 45/1997 ist ein Beitrag unter dem Titel
»Teledienste, Mediendienste und Rundfunkbegriff -
Anmerkungen zur praktischen Abgrenzung multimedialer
Erscheinungsformen« erschienen; der Autor Reiner Hochstein
ist Direktor der Landeszentrale für private
Rundfunkveranstalter Rheinland-Pfalz.

Entsprechend ist die Perspektive:  Es geht weniger um die
Abgrenzung von Tele- und Mediendiensten, als um diejenige
zwischen Rundfunk und Mediendiensten.  Oder anders
formuliert:  Wann ist ein Dienst noch Mediendienst, und
wann ist er Rundfunk?

Hochstein beruft sich dabei auf die Begründung des MDStV,
wo es über sogenannte Verteildienste heißt:

	»Hinsichtlich ihrer Verbreitungsform unterscheiden
	sich diese Mediendienste damit nicht vom
	herkömmlichen Rundfunk; wegen ihrer engen
	inhaltlichen Begrenzung auf Angebote, die nur in
	geringem Maße der öffentlichen Meinungsbildung
	dienen (Nummern 1 und 2 [gemeint ist §2 MDStV,
	tlr]) oder denen die Suggestivkraft der bewegten
	Bilder fehlt (Nummer 3), werden diese
	Mediendienste nicht dem Ordnungsrahmen
	unterworfen, den der Rundfunkstaatsvertrag für den
	Rundfunk als klassisches Medium und Faktor der
	öffentlichen Meinungsbildung festlegt.«

Diese Argumentation überträgt er zunächst auf
_Abrufdienste_ wie zum Beispiel www.tagesschau.de, wo man
ja den Inhalt der Rundfunksendung im WWW abrufen kann.
Allerdings könne, so Hochstein, bei einem ruckelnden Bild
auf dem Schirm des Nutzers in Postkartengröße wohl kaum
von der »Suggestivkraft der bewegten Bilder« reden.  Das
heiße jedoch nicht, »daß eine fortschreitende Technik, vor
allem bei hochauflösender, fließender
Bewegtbildübertragung für eine volle Bildschirmgröße,
nicht künftig zu einer durchau anderen Bewertung führen
könnte.« Letztlich werden hier _Abrufdienste_ unter
bestimmten Bedingungen unter dem Rundfunkbegriff
subsummiert, was ich zumindest für zweifelhaft halte.

Es folgt dann eine längere Ausarbeitung zum
Fernseheinkauf, der je nach Fallkonstellation Teledienst,
Mediendienst oder auch Rundfunk sein könne.

Hochsteins Fazit ist, daß sich mit den getroffenen
Regelungen »grosso modo« zurechtkommen lasse.  Als
Schwäche nennt er, daß es sich in einem »erheblich
alltagsrelevanten Bereich« um »Juristenrecht« handle, das
den anbietenden Bürger vor schwierige Abgrenzungsfragen
stelle, die er nicht beantworten könne.  Aus der
Perspektive des Anbieters sei die Sinnhaftigkeit der
Kompetenzzersplitterung zweifelhaft.  »Eine
Grundgesetzänderung aus diesem Anlaß, nämlich die
Einführung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe für Bund und
Länder, dürfte ebenfalls deutlich über das Ziel
hinausschießen.«

Das »alles nicht so schlimm«, das sich durch dieses Fazit
zieht, findet schließlich seinen Gipfel in einem »Videant
consules ne quid res publica detrimenti capiat« - dem
Verweis auf die Exekutive, die die Dinge schon richtig
machen werde, im Rahmen der jetzt existierenden
Regelungen, die sich auf »entwicklungsoffene
Strukturprinzipien« beschränkten.  Der Gesetzgeber sei in
einen »Such- und Lernprozeß eingetreten«.


Mir drängt sich beim Lesen dieses Artikels der Eindruck
auf, daß der Autor versucht, das existierende Chaos
schönzureden.  Interessant ist der rundfunkbezogene
Tunnelblick des Autors, der zwar gelegentlich vom Bürger
als Anbieter spricht, insgesamt allerdings immer noch von
einigen wenigen Anbietern ausgeht.  Er gibt jedenfalls
Aufschluß über die Gedankengänge, die sich zumindest
teilweise hinter dem MDStV verbergen.  Vergleicht man
diese Perspektive mit dem internetbezogenen Tunnelblick,
den zumindest ich selbst bei diesem Thema habe (den ich
auch bei vielen anderen unterstelle), so wird zumindest
ansatzweise klar, wo das Regelungschaos herstammt.


Mit tunnelblickenden Grüßen,

tlr
-- 
Thomas Roessler · 74a353cc0b19 · dg1ktr · http://home.pages.de/~roessler/
   1280/593238E1 · AE 24 38 88 1B 45 E4 C6  03 F5 15 6E 9C CA FD DB