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Re: Virendownload ?



> 
> Hallo Holger!
> 
> > Wie ist denn eigentlich der rechtliche Status solcher Download-Moeglichkeiten?
> > Analuegieschluss hin oder her: ich biete z.B. in der Auslage meines
> > Kaufmannsladens auch Kostproben weicher Drogen zum freien Mitnehmen an, 
> > obwohl ich mir denken kann, dass vielleicht das eine oder andere Tuetchen
> > auch strafbarerweise in Umlauf gebracht wird und nicht selbst im stillen
> > Kaemmerlein konsumiert wird. Oder ich biete zip-Tuetchen mit Michelangelo-
> > oder 1704-Stuff an
> 
> Das ist kein Analogieschluss:
> 
> Die Substanz, von welcher Du eine Kostprobe verteilst, ist entweder
> verkehrsfaehig oder nicht (das Apothekergesetz sowie die EG-Richtlinien
> fuer Nahrungsmittel als weitere "Stolpersteine" mal aussen vorgelassen).
> Wenn Du in Deinem Laden etwas legal anbieten kannst (gegen Geld oder
> als Kosteprobe), dann darf derjenige, der es von Dir bekommt/erwirbt,
> auch an Dritte weitergeben.
> 
> Das ZIP-Tuetchen mit Michelangelo oder anderen Nettigkeiten bist Du recht-
> lich doch auf einer ganz anderen Baustelle. Aus dem Bauch heraus faellt
> mir dabei erstmal ein:
> 
> - dem Verbreitenden koennte unterstellt werden, dass er billigend in Kauf
>   genommen hat, dass die von ihm vertriebene "Ware" Schaeden anrichtet
>   -> Produkthaftungsgesetz
> - man koennte sogar unterstellen, dass eine Aenderung von (Firmen-)Daten
>   Intention der Verbreitung war -> Strafrecht, Manipulation von Daten
> 
> Das IMHO interessante bei dem ganzen Themenkomplex ist, dass - egal wie
> man's dreht oder wendet - die *Absicht* bei einer juristischen Einordnung
> immer eine Rolle spielt. Mir faellt zumindest umgekehrt kein Grund ein,
> warum das Verbreiten von Viren *grundsaetzlich* strafbar waere, d. h. wenn

Genau das wollte ich ausloten: an diser Stelle liegt m.E. eine Luecke im
Gesetz, oder eine Inkonsequenz. Ueblicherweise sind Waren, welche einem
eindeutig schadensverursachenden Zweck dienen, durch geeignete Gesetze
in der Anwendung oder in der Weitergabe eingeschraenkt; als Beispiel fallen
mir etwa Waffen, Pornographie, Giftstoffe, Medikamente direkt ein, wobei
in letzten beiden Faellen sogar noch ein Dual-Use gegeben sein mag: man
kann mit Arsen etwa Ratten vergiften (okay) oder es in bestimmten technischen
Prozessen einsetzen (okay), aber es auch seiner Oma in die Suppe tun (wird
allgemein als weniger okay betrachtet :-) ). Bei einem Computervirus ist,
vergleichbar mit biologischen Kampfstoffen, eindeutig eine zerstoererische
Wirkung beabsichtigt (nur das Zielobjekt ist ein anderes), unabhaengig,
ob man da nun - Virus-Datei oder Giftfass - einen symbolischen
Totenkopfaufkleber draufpappt: wer's einsetzt, weiss was es ist und wofuer
er es einsetzt (selbst wenn er sich der vollen Wirkung nicht bewusst ist).

> ich eine Diskette mit Viren-Images erstelle, einen deutlichen Hinweis auf
> Diskette und Dokumentation anbringe und auch sonst technische Schutzmass-
> nahmen ergreife, die ein unbeabsichtiges Installieren/Aktivieren der Soft-
> ware verhindern, dann bin ich als Anbieter einer solchen Virensammlung
> erstmal auf der sicheren Seite.

Die Warnung vor dem Gift in der Art des Beipackzettels eines Medikaments?
Wenn Sie dieses Mittel schlucken, koennten Folgen wie Herzinfarkt, Impotenz,
Blindheit, Blutverlust auftreten? Doch sicher nicht. Mit derselben Argumentation
duerfte ich auch scharfe Kriegswaffen verhoekern, aber bitte, bitte, nur fuer
die Vitrine, und keinem damit wehtun... Dass der Handel damit hierzulande
Beschraenkungen unterliegt, ist bekannt und dem stimme ich auch voll zu
(wenn die Amis mit dem Recht auf die eigene Wumme Cowboy und Indianer spielen
wollen, ist das deren Sache).

Dem Virensammler glaube ich jedenfalls in den seltensten Faellen, dass er
da nur mal sehen wollte, wie sowas funktioniert: *das* knowledge hat sogar
kaum noch akademische Bedeutung (etwa entsprechend der Idee eines 
selbstreplizierenden Programms, welches im Netz irgendwelche nuetzlichen
Sachen macht), und wir haben es in den Zeiten, wo das gemeine Volk zu den
bunten WWW-Buttons ins Internet draengt, es wohl vorwiegend mit Zauberlehr-
lingen zu tun, die weder die Feinheiten der Assemblerprogrammierung eines
DOS-Virus verstehen koennen, noch es ueberhaupt wollen. Gib' mal hypothetisch
Heroin zum Verkauf frei bei Aldi, und es werden binnen kuerzester Zeit
die Krankenhaeuser voll mit Dummkoepfen sein, die das nur mal probieren
wollten, und einfach nicht geglaubt haben, das *das* so schlimm ist, wie
auf der Packung stand. 
Ein Computervirus erzeugt zunaechst mal wohl nur unmittelbar materielle
Schaeden, und dass ein Virus durch Befall der Elektronik einen Baby-Benz
zum Umkippen (und Plaetten der Insassen) bringen koennte, gehoert wohl
auch eher in die urben legends-Sammlung der Bloed-Zeitung. Das heisst
aber jetzt noch lange nicht, dass man sie jedem in die Hand geben sollte.
Sicherlich ist auch der Eisenwarenhaendler nicht zu belangen, von dem ich
den Hammer gekauft habe, mit dem ich nachher auf den Firmen-PC eindresche,
selbst wenn ich dem Haendler gegenueber gross und breit toene, dass ich damit
den Hardwareschrott alle machen werde. Nur sind die Grenzen ziemlich fliessend.

> Und das unterscheidet die Geschichte von dem von Dir als Analogie angedach-
> ten BtmG, wo es eine klare Klassifizierung nach "verkehrsfaehigen" und
> "nicht verkehrsfaehigen" Substanzen gibt, wobei jede Weitergabe nicht ver-
> kehrsfaehiger Substanzen einen Straftatbestand vollendet (die Frage, ob das
> Weitergeben in Gewinnerzielungsabsicht erfolgte mag sich auf das Strafmass
> auswirken, nicht aber auf die Grundfrage der Legalitaet).

Um die Gewinnerzielungsabsicht geht es ja auch gar nicht, sondern die 
Frage, ob jemand nur fahrlaessig oder sogar vorsaetzlich handelt, der jemand 
anderem ein Werkzeug in die Hand gibt, welches fast ausschliesslich nur
boeswillig zur Ausfuehrung von Straftaten (oder nennen wir es vielleicht 
euphemistisch Dumme-Jungen-Streiche) einsetzbar ist.

-- 
         Dr.-Ing. Holger Veit             | INTERNET: Holger.Veit"at"gmd.de
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