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Re: Untergrundzeitschrift Z - oder: Hard Stuff.



At 08:30 21.02.98 +0100, Axel H. Horns wrote:
>In MMR 02/1998, Seiten 93 bis 98, ist der Wortlaut 
>der Einstellungsverfuegung des Generalbundesanwaltes vom 26.11.1997 -
>BJs 104/96-4 mit einer Bemerkung von Prof. Hoeren abgedruckt.
>
>Sehr lesenswert! Viele Gedanken des Generalbundesanwaltes zur 
>Zensurierung des Internet via WebBlock uvm. Rosige Zeiten ;-(
>
>Zu der Begruendung der Einstellungsverfuegung schreibt Hoeren in 
>seinen Anmerkungen u.a.:
>
>"Selten hat man je von einer Gehorsamsverweigerung der 
>Strafverfolgungsbehoerden gegenueber dem Gesetzgeber gehoert. Doch 
>der hier vorliegende Fall gehoert nicht zu den Seltenheiten, sondern 
>eher zu den Skurilitaeten des Strafrechtes [...] Zur Begruendung wird 
>auf den Begriff der allgemeinen Gesetze in Art 5 Abs. 2 GG verwiesen, 
>der ebenfalls strafrechtliche Vorschriften einbeziehe. Dies ist nun 
>der deutlichste Fall eines Fehlschlusses, den ich in meiner 
>juristischen Laufbahn gelesen habe [...]
>
Ich hoffe, das Ganze ist kein Faschingsscherz.

Der Fall ist die schlecht anonymisierte Einstellungsverfügung 
der BAW gegen den DFN im Falle xs4all. Sie haben anscheinend 
in der Zwischenzeit nichts dazu gelernt.
Danke. Das Beispiel brauche ich für den Aufsatz, den ich gerade 
schreibe. Mir ist, abgesehen von einer Konferenz am 15.01.97 bei 
Tauss, auf der ein Bundesanwalt ähnlich Schlimmes erzählt hat 
(es wäre ihm egal, wie die Provider den Zugang verhindern, wenn der 
Zugang da sei, werde verfolgt) nichts vergleichbar ignorantes begegnet. 
Nun hat er von Prof. Hoeren schriftlich, dass seine Argumentation 
auf Sand gebaut ist.
Die Begründung in BGHSt 30, 31 ist genau entgegengesetzt zu der 
hier in Frage stehenden Belegstelle. Es wurde eine Haftung des 
Wohnungsinhabers abgelehnt. (Heroinspritzenfall)
Die Begründung von Sieber ist ebenfalls genau entgegengesetzt
zu der Stelle, für die sie als Beleg gebraucht wird. 
Und dann die allgemeinen Gesetze..... 

Hier braucht es wirklich Pressearbeit zur Bändigung des Tigers. 
Stehen wir vor einer neuen Affäre vom Ausmass der "Spiegel-Affäre"?
Leider kam das jetzt erst hier vorbei. Schade, daß wir es nicht frisch 
erfahren haben. Der GILC - Brief an Kohl ist scheinbar auch schon 
vergessen. Es wird Zeit für ein neues Statement der GILC. Ich werde 
bis Ende der Woche etwas vorbereiten. Ausserdem müsste die 
Verfügung ins englische übersetzt werden. Freiwillige vor.
Der Mensch schadet der Multimedia - Industrie mehr, als Rüttgers 
mit 10 IuKDG's und 500 Mio. gut machen kann. 

Die Begründung deutet auf zukünftige Verfahren hin.

Insbesondere ins Auge gefallen ist mir:
--------------
[Sperrung] technisch generell möglich 
gewesen wäre, ergibt sich aus dem im vorliegenden 
Ermittlungsverfahren erstatteten Gutachten des 
Sachverständigen S vom Bundesamt für Sicherheit in 
der Informationstechnik vom 25.8.1997 und dem am 
4.11.1997 eingegangenen Gutachten des auf Probleme 
der EDV-Sicherheit spezialisierten Sachverständigen 
T: 
-----------------
Entweder der Sachverständige hat was falsches erzählt, oder es 
wurde vollkommen falsch interpretiert, wie so vieles in dieser 
Verfügung. 
Kommentare der Techniker ?

-------------------
Anders ist die dem V-Verein ebenfalls mögliche 
Installation und Nutzung von Proxyservern mit 
Filterprogrammen zu beurteilen. Da der V-Verein über 
derartige Rechner bislang nicht verfügt, hätte deren 
Anschaffung und Installation nach den Schätzungen 
des Sachverständigen F allerdings zunächst einen 
Aufwand von mehreren hunderttausend DM erforderlich 
gemacht. Die Filterung aller eingehenden Abfragen 
hätte, wie sich insbesondere aus dem Gutachten des 
Sachverständigen S ergibt, darüber hinaus zu einer 
Verlangsamung des Datendurchflusses geführt. 
-----------
Nach Spiegelung kommt dann folgendes:
------------
All diese Erwägungen können jedoch nicht dazu 
führen, die Installation von Proxyservern mit 
entsprechenden Filterprogrammen von vornherein als 
unzumutbar erscheinen zu lassen. 
--------------------
Dann kommt ein ausgedehntes Plädoyer für 
'Web-Block'. 

Schliesslich wird aufgrund § 153 StPO, also trotz
einer grundsätzlichen Strafbarkeit aber wegen 
geringer Schuld eingestellt. Juristisch ist es 
unfassbar.

Wer war wohl der Gutachter S? Die Anbringung von 
Proxyservern stellt eine Vorzensur sogar im Einzelfall 
dar. Darüber hinaus ist sie mit den elementaren Grundsätzen 
der Rezipientenfreiheit (auch passive Informationsfreiheit) 
nicht mehr vereinbar. Der Bundesanwalt muss sich fast 
fragen lassen, ob er noch auf dem Boden der freiheitlich - 
demokratischen Grundordnung steht. Der fällt fast unter 
den Radikalen- Erlaß. (leider kein smiley)

Hier könnte man schon fast an ein Verfahren wegen 
Rechtsbeugung denken. Die hohe Schwelle, die § 336 StGB 
setzt (Vorsatz und unvertretbare Auslegung) ist hier wohl 
mangels Vorsatz nicht erreicht. Ausserdem steht entgegen, 
dass niemand ein solches Verfahren nach Einstellung 
anstrengen wird.

Kennt jemand den Anwalt des DFN? Man muss an die 
Gutachten kommen. 

Rigo


Rigo Wenning (wenning2@rz.uni-sb.de)
Förderkreis Informationstechnik und Gesellschaft - FITUG
http://www.fitug.de/