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Re: Untergrundzeitschrift Z - oder: Hard Stuff.
- To: Horns@t-online.de (Axel H. Horns)
- Subject: Re: Untergrundzeitschrift Z - oder: Hard Stuff.
- From: Rigo Wenning <wenning2@rz.uni-sb.de>
- Date: Mon, 23 Feb 1998 21:45:26 +0100
- Cc: debate@fitug.de
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- In-Reply-To: <m0y69Ok-0007s0C@fwd00.btx.dtag.de>
- Sender: owner-debate@fitug.de
At 08:30 21.02.98 +0100, Axel H. Horns wrote:
>In MMR 02/1998, Seiten 93 bis 98, ist der Wortlaut
>der Einstellungsverfuegung des Generalbundesanwaltes vom 26.11.1997 -
>BJs 104/96-4 mit einer Bemerkung von Prof. Hoeren abgedruckt.
>
>Sehr lesenswert! Viele Gedanken des Generalbundesanwaltes zur
>Zensurierung des Internet via WebBlock uvm. Rosige Zeiten ;-(
>
>Zu der Begruendung der Einstellungsverfuegung schreibt Hoeren in
>seinen Anmerkungen u.a.:
>
>"Selten hat man je von einer Gehorsamsverweigerung der
>Strafverfolgungsbehoerden gegenueber dem Gesetzgeber gehoert. Doch
>der hier vorliegende Fall gehoert nicht zu den Seltenheiten, sondern
>eher zu den Skurilitaeten des Strafrechtes [...] Zur Begruendung wird
>auf den Begriff der allgemeinen Gesetze in Art 5 Abs. 2 GG verwiesen,
>der ebenfalls strafrechtliche Vorschriften einbeziehe. Dies ist nun
>der deutlichste Fall eines Fehlschlusses, den ich in meiner
>juristischen Laufbahn gelesen habe [...]
>
Ich hoffe, das Ganze ist kein Faschingsscherz.
Der Fall ist die schlecht anonymisierte Einstellungsverfügung
der BAW gegen den DFN im Falle xs4all. Sie haben anscheinend
in der Zwischenzeit nichts dazu gelernt.
Danke. Das Beispiel brauche ich für den Aufsatz, den ich gerade
schreibe. Mir ist, abgesehen von einer Konferenz am 15.01.97 bei
Tauss, auf der ein Bundesanwalt ähnlich Schlimmes erzählt hat
(es wäre ihm egal, wie die Provider den Zugang verhindern, wenn der
Zugang da sei, werde verfolgt) nichts vergleichbar ignorantes begegnet.
Nun hat er von Prof. Hoeren schriftlich, dass seine Argumentation
auf Sand gebaut ist.
Die Begründung in BGHSt 30, 31 ist genau entgegengesetzt zu der
hier in Frage stehenden Belegstelle. Es wurde eine Haftung des
Wohnungsinhabers abgelehnt. (Heroinspritzenfall)
Die Begründung von Sieber ist ebenfalls genau entgegengesetzt
zu der Stelle, für die sie als Beleg gebraucht wird.
Und dann die allgemeinen Gesetze.....
Hier braucht es wirklich Pressearbeit zur Bändigung des Tigers.
Stehen wir vor einer neuen Affäre vom Ausmass der "Spiegel-Affäre"?
Leider kam das jetzt erst hier vorbei. Schade, daß wir es nicht frisch
erfahren haben. Der GILC - Brief an Kohl ist scheinbar auch schon
vergessen. Es wird Zeit für ein neues Statement der GILC. Ich werde
bis Ende der Woche etwas vorbereiten. Ausserdem müsste die
Verfügung ins englische übersetzt werden. Freiwillige vor.
Der Mensch schadet der Multimedia - Industrie mehr, als Rüttgers
mit 10 IuKDG's und 500 Mio. gut machen kann.
Die Begründung deutet auf zukünftige Verfahren hin.
Insbesondere ins Auge gefallen ist mir:
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[Sperrung] technisch generell möglich
gewesen wäre, ergibt sich aus dem im vorliegenden
Ermittlungsverfahren erstatteten Gutachten des
Sachverständigen S vom Bundesamt für Sicherheit in
der Informationstechnik vom 25.8.1997 und dem am
4.11.1997 eingegangenen Gutachten des auf Probleme
der EDV-Sicherheit spezialisierten Sachverständigen
T:
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Entweder der Sachverständige hat was falsches erzählt, oder es
wurde vollkommen falsch interpretiert, wie so vieles in dieser
Verfügung.
Kommentare der Techniker ?
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Anders ist die dem V-Verein ebenfalls mögliche
Installation und Nutzung von Proxyservern mit
Filterprogrammen zu beurteilen. Da der V-Verein über
derartige Rechner bislang nicht verfügt, hätte deren
Anschaffung und Installation nach den Schätzungen
des Sachverständigen F allerdings zunächst einen
Aufwand von mehreren hunderttausend DM erforderlich
gemacht. Die Filterung aller eingehenden Abfragen
hätte, wie sich insbesondere aus dem Gutachten des
Sachverständigen S ergibt, darüber hinaus zu einer
Verlangsamung des Datendurchflusses geführt.
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Nach Spiegelung kommt dann folgendes:
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All diese Erwägungen können jedoch nicht dazu
führen, die Installation von Proxyservern mit
entsprechenden Filterprogrammen von vornherein als
unzumutbar erscheinen zu lassen.
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Dann kommt ein ausgedehntes Plädoyer für
'Web-Block'.
Schliesslich wird aufgrund § 153 StPO, also trotz
einer grundsätzlichen Strafbarkeit aber wegen
geringer Schuld eingestellt. Juristisch ist es
unfassbar.
Wer war wohl der Gutachter S? Die Anbringung von
Proxyservern stellt eine Vorzensur sogar im Einzelfall
dar. Darüber hinaus ist sie mit den elementaren Grundsätzen
der Rezipientenfreiheit (auch passive Informationsfreiheit)
nicht mehr vereinbar. Der Bundesanwalt muss sich fast
fragen lassen, ob er noch auf dem Boden der freiheitlich -
demokratischen Grundordnung steht. Der fällt fast unter
den Radikalen- Erlaß. (leider kein smiley)
Hier könnte man schon fast an ein Verfahren wegen
Rechtsbeugung denken. Die hohe Schwelle, die § 336 StGB
setzt (Vorsatz und unvertretbare Auslegung) ist hier wohl
mangels Vorsatz nicht erreicht. Ausserdem steht entgegen,
dass niemand ein solches Verfahren nach Einstellung
anstrengen wird.
Kennt jemand den Anwalt des DFN? Man muss an die
Gutachten kommen.
Rigo
Rigo Wenning (wenning2@rz.uni-sb.de)
Förderkreis Informationstechnik und Gesellschaft - FITUG
http://www.fitug.de/