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Re: Schock: Ex-CompuServe-Chef verurteilt



On 28 May 98 at 17:06, Michael Brunnbauer wrote:

> finden sich noch ein paar entsetzliche Einblicke in die Gedankenwelt
> des Richters, der "falsche Vorstellungen vom Internet in den Köpfen
> aller Beteiligten" sieht.

Ja, ein Ueberzeugungstaeter. Da beim Amtsgericht nur der Amtsrichter
als Einzelrichter waltet, gibt es nicht mehr das Korrektiv des
Richterkollegiums bei Kammern und Senaten in anderen Zweigen der
Gerichtsbarkeit. Dieser Umstand hat schon manchen Amtsrichter zu
richterlicher Hybris verleitet.

Im uebrigen sollte man sich nicht darauf beschraenken, unter Hinweis
auf den Ort des Prozesses die ja an sich richtige Feststellung zu
treffen, in Bayern gingen die Uhren eh anders. Im Vorfeld des
Prozesses gab es eine CSU-Kampagne gegen Schmuddelprogramme im
Fernsehen, und ich habe Aeusserungen von CSU-Politikern gelesen, die
vor dem Prozess sich dahingehend geaeussert haben, dass Bayern ueber
den Bundesrat eine Verschaerfung des TDG anstreben sollte, falls Somm
_nicht_ verurteilt werden sollte. Ist Hubbert eigentlich Mitglied der
CSU?

Mir faellt dazu die Reaktion der CSU auf den Erfolg der DVU in
Sachsen-Anhalt ein, wo CSU-Funktionaere die Parole ausgaben, rechts
von der Partei duerfe kein Gras mehr wachsen. Ich will ja nicht
behaupten, dass Hubbert im formalen Sinne von der CSU ferngesteuert
worden sein koennte. Aber seine Aeusserungen lassen erkennen, dass er
in geradezu klassischer ideologischer Manier die Aengste desjenigen
Teils der Gesellschaft aufnimmt, die bei der Internet-Revolution als
die Loser darstehen und darum versuchen, der Enwicklung Knueppel
zwischen die Beine zu werfen, wo es nur geht. Mit faellt in diesem
Zusammenhang auch das Zitat aus einem anderen Thread ein, in dem ein
Schulleiter mit den Worten widergegeben wird "Sie wissen doch gar nicht,
ob wir das überhaupt wollen!".

Was hier zur Zeit ablaeuft, ist wohl eine Art Kulturkampf.

Das beste was man derzeit tun kann ist wohl, die Ausfuehrungen des
Richters und die Urteilsbegruendung so schnell wie moeglich ins
Englische zu uebersetzen und uebers Netz herumgehgen zu lassen. Nicht
dass das den Amtsrichter oder die Richter der Berufungsinstanz
nennenswert beeindrucken koennte oder auch nur sollte; es geht hierbei
vielmehr darum, durch eine faellige harsche internationale Reaktion auf
die Kraefte in der Gesellschaft einzuwirken, die die Verurteilung von
Somm mit offener oder klammheimlicher Sympathie aufnehmen.

Es ist zwar kein Zufall, dass dieses Trauerspiel auf bajuwarischer Buehne
gegeben wurde, aber man sollte sich ueber die Geistesverfassung
bestimmter Teile des Buergertums in den anderen Bundeslaendern keine
Illusionen machen.

Axel H. Horns