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Re: http://www.spiegel.de/netzwelt/aktuell/somm_leeb.html



> 
> Holger Veit <Holger.Veit@gmd.de> at 1998.06.02 09:22:
> 
> >Der Newsserver ist nur der 
> >erste Teil. Dann geht es prinzipiell weiter: Ein WWW-Proxy muss her, und
> >alles, was irgendwie die Buchstaben "S", "E", "X" oder "N", "A", "Z", "I"
> >enthalten koennte, muss gefiltert werden
> 
> Lies doch bitte mal das TDG, bevor Du sowas sagst. Newsserver = "fremde 
> Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten", Proxy = "fremde Inhalte, zu 
> denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln". Hubbert != BAW, 
> btw.

Das Thema *kann* nicht auf einer technischen Ebene behandelt werden, soviel
sollte doch wohl mittlerweile klar sein. Es interessiert in den Kreisen, die
fuer eine, vorsichtigausgedrueckt, "Aenderung" des Netzes sind, KEINE SAU,
was News sind, was ein Proxy tut, und wer die Inhalte bereitstellt, downloadet,
cached, abspeichert, transferiert, whatever!

Das rote Tuch ist die Tatsache, dass man es mit einem neuen Medium zu tun hat,
welches nicht in die klassische Medienlandschaft passt (wie etwa Fernsehen,
welches "man " mittlerweile recht gut unter Kontrolle hat - nein, wir werden
nicht von schwarzen Hubschraubern verfolgt :-) )

> >TDG ist bei einem auf Robustheit ausgelegten Netz ein stumpfes Schwert.
> >Und deswegen wird man es verschaerfen.
> 
> Was wäre denn ein scharfes Schwert? Wie sollte eine Verschärfung aussehen?

Das kann ich Dir nicht sagen, das wird die Entwicklung schon automatisch
ergeben. Die Erfahrung der Vergangenheit hat gezeigt, dass man nach Terroristen-
gesetzen geschriehen hat, um den Staat zu schutzen. Folge: man hat die Personen
welche man erfassen wollte, erst jahre spaeter nach der Wende zufaellig in
der ex-DDR aufgetrieben. Aber die entsprechenden Gesetze hat man noch immer.
Dann wurde gefordert, etwas gegen organisierte Kriminalitaet zu tun, hat man
auch, nur die Fahndungserfolge sind nicht so spektakulaer - und noch schlimmer,
eher auf solide Polizeiarbeit, oder gar auf Zufaelle zurueckzufuehren, denn
auf Abhoeren. Jetzt ist der Buhmann das Netz: alle kriminellen Elemente sind
jetzt im Internet zu finden. Da wir alle (i.S. des Otto Wohlstandsbuergers,
der staendig Anschlaege auf Haus, Hof, und Kinder befuerchten muss, insbesondere
in "solchen Zeiten wie diesen") ja gegen Kriminalitaet (was auch immer da
getrieben werden mag) sind, sind wir ja wohl auch bereit, dafuer Ein-
schraenkungen in Kauf zu nehmen, oder? Mit einem solchen Kunstgriff lassen
sich publikumswirksam alle "notwendigen Massnahmen" rechtfertigen, wobei
eigentlich die Verbrecherjagd nur ein vermittelbarer Nebeneffekt ist. 
Dual-Use. Und die Presse und Boulevard-Journaille der Fernsehsender tanzt 
diesen Tango ebenfalls nach besten Kraeften mit, sehen sie doch auch hier 
ihre Felle ins Netz davonschwimmen.

> Wir sprechen immer wieder über das gleiche Thema, hier oder ganz ähnlich 
> bei der Kryptofrage: Natürlich hat das Netz technische Eigenschaften, die 
> es ermöglichen, staatliche Regelungen zu umgehen. Das ist gut so, aber 
> das ist in der Realität nur für Nischenanbieter eine Option.

Wie gesagt, die Technik ist bei gesellschaftlichen Problemen irrelevant.

> Die große Mehrheit der Firmen wird sich gesetzeskonform verhalten, egal 
> welche Gesetze kommen, und auch wenn man die prinzipiell durch technisch 
> mögliche Konstruktionen unterlaufen kann. Das Setzen auf die Industrie in 
> Fragen der Netzpolitik ist zwar taktisch angebracht, aber man sollte nie 
> vergessen, daß deren Interessen nur sehr partiell mit unseren identisch 
> sind (was auch immer "unsere" wären).

Die Industrie hat sogar diametral entgegengesetzte Interessen, wenn es "uns"
darum geht, mehr Freiheit, Autonomie, Information, Muendigkeit in der
Gesellschaft zu erreichen. Ideal waere der dumme Konsumroboter, der auf
das Stichwort "Kaufe" die Laeden stuermt. Zum Aerger der Wirtschaft gibt
es so ein Ideal leider nicht, und noch uebler, das Kaufvieh entwickelt sich
sogar weiter und will staendig den neuen Kick. Jetzt ist das Internet der
Kick; die klassischen Massenmedien sind out, outer gehts garnicht. Wenn
das Internet unattraktiv wird, weil *die Inhalte* wegfallen oder schwerer
zugaenglich werden oder jeder, der sich ein Bild runterlaedt, diese Aktion
irgendwann in einem Dossier wiederfindet, geht die Industrie auch den Bach
runter. Deshalb muss das Internet weiterhin den Ruch des etwas Anarchischen
und die damit verbundenen Freiraeume haben. Die Industrie bildet mit "uns"
da eine recht merkwuerdige Allianz, die ich nicht in den Endzielen vertrete,
aber ich bin da mittlerweile Pragmatiker geworden. Besser als keine Allianz.

-- 
         Dr.-Ing. Holger Veit             | INTERNET: Holger.Veit"at"gmd.de
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