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News im Mittelalter (was: Re:http://www.spiegel.de/netzwelt/aktuell/somm_leeb.html)



Holger:
(...)
kopp:
>> Der einzige Unterschied, den ich wirklich sehen kann, ist der, daß es
>> bei News - anders als im Web - kein "Original" gibt. Damit gibt es auch
>> keinen "Bereitstellter" im Sinne des Abs. 2, der die weitere Verbreitung
>> verhindern könnte. Sollen aber deshalb _alle_ Provider in die Pflicht
>
>Ich haette eigentlich angenommen, dass der User bzw. Host, der am Ende
>des Paths ange-bang-t ist, das urspruengliche Posting, d.h. das Original

<vbg>
Genau hier danke ich Kris (naja, u.a.m.-) dafuer, "damals" von denen gelernt zu
haben, was der Unterschied ist zwischen Tiernetzen und Zweiklassenprotokollen
mit Sysop-Berechtigung und den Lusern auf der einen Seite und UUCP auf der
anderen.
Es gibt einige, die ganz bewusst mehrere Originale erzeugen, indem sie ihre
Artikel an verschiedene Netzknoten zugleich posten. Aufgrund der eindeutigen
MsgID ist das ja per definitionem erlaubt :-)

Wer begriffen hat, das das eine "elementare Eigenschaft" ist von NewsTausch,
mindestens mit UUCP, in der Regel mit moderneren Varianten, der kommt mit dem
dahinterliegenden Konzept klar: es handelt sich "letztlich" um eine einzige
weltweit
verteilt in Kopien vorhandene fette Festplatte von zZ vielleicht Dutzenden
GB, auf
der die ganze Welt zugleich rumwarzt. Das Update erfolgt, vereinfacht
formuliert,
mit Unix to Unix Copy nach einem  Verfahren, das ich "DoBestMode"  nenne.
Schmutzig formuliert, ist es das Gegenteil des linearen "Stille-Post-Prinzips",
wo man schon als kleines Kind lernt, wie sich "Befehle" durch  einfaches
Weitersagen in einer Nachrichtenkette veraendern. Die "schmutzige", nicht
lineare Verbreitung erhaelt den Inhalt  besser und verteilt sicherer.

Historisch gewachsene Kastratensoftware wie Kreuzpunkt hat zwar nicht die
"sauber" implementierte Moeglichkeit des aktiven beidseitigen Austausches,
ist dafuer aber auf einem ollen  286er mit 8 MHz und 40 MB Platte lauffaehig,
vernuenftig lauffaehig, incl. UUCP-Verkehr als Endsystem, aber nicht als
Netzknoten.

>entgegengenommen hat, von Pathfaelscherei, remailing und anderem Kram
>mal abgesehen. Der Rest des Paths zeigt einen von mehreren moeglichen
>Wegen, die eine Kopie gelaufen ist, an. Ich weiss allerdings nicht, ob
>die automatische Entgegennahme eine Postings bereits eine Art redaktionelle
>Taetigkeit konstituiert, naemlich dadurch, dass bei den meisten Newsservern

Wenn ich beim Axel Springer Verlag beim Pfoertner eine Diskette abgebe, kann
der im Zweifel dafuer erschossen werden, weil er eine redaktionelle Taetigkeit
uebernommen hat. Das mag im Notstandsfall, den wir dank SPD im GG haben,
zutreffen; im Normalfall  trifft das nicht zu.

Ich schreibe das mal ganz pragmatisch: wenn ich irgendwo ein Urteil sehe, dass
ein ASV-Pfoertner von Amts wegen erpresst werden kann zu einer Zeugenaussage,
weil er - mangels journalistischer Taetigkeit - kein Zeugnisverweigerungsrecht
geltend machen durfte, dann hat er auch bei Entgegennahme der Diskette keine
redaktionelle Taetigkeit ausgeuebt und ist dafuer nicht haftbar, IMHO.
Oder anders: wenn die mir bei journalistischen Rechten in die Fresse hauen,
dann argumentiere ich im gleichen Stil zurueck.

>nur bestimmte Personen- oder Rechnergruppen das Recht haben, ein Posting
>einzuschicken. Mein gesunder Menschenverstand (den man aber wohl in der
>Juristerei abschalten sollte) sagt mir eigentlich nein.

Beim Posten handelt es sich IMHO ganz klar um ein "jedermannrecht". News ist
kein GBG-Dienst, um es mal so abzugrenzen. In der "Fruehzeit" gab es da
furchtbare
Debatten und ein Stueck weit hat diese damalige Angst "der" Akademiker die
Spaltung
der Netze geschaffen (ohne "der" jetzt definieren oder beschimpfen zu
wollen, es hat
sich einfach so entwickelt).

>Die Verantwortung liegt klar beim Absender, nicht beim Postboten, obwohl es ja
>jahrhundertelange Tradition ist, im Zweifelsfall den Ueberbringer zu
>erschiessen.

Jahrhundertelange Tradition war es, dass die privilegierten
Universitaetsbuchhandlungen
nur staatlich genehme Handschriften handelten und die "anderen"
Buchhandlungen die
"anderen" Handschriften. Fuer mich stellen News die Wiederaufnahme  einer
fuer mehrere
hundert Jahre unterbrochene Tradition des Handschriftenhandels dar. Auch
damals waren
die Handschriften vom Autor selbst mehr wert als das, was ein Zeitungsherr
gnaediglich
gekuerzt von ihm abzudrucken beliebte. Sie wurden gelesen, kommentiert
(Quoting des
Mittelalters), beim Haendler vorbeigebracht und kamen wieder in den Handel.
Heute machen das die Newsserver.

Ich bin schlichtweg GLUECKLICH ueber die elegante Kopierbarkeit und die
Unmoeglichkeit,
das Original zu definieren. Leider wusste ich das noch nicht, als ich
mithalf, den "ersten
Computer" bei Joseph Beuys (Data General Nova, 5 MB Festplatte, 5 MB
Wechselplatte,
1600 bpi Tapelaufwerk) in seinem Raum mit der Fettecke aufzustellen. Viele
Gruene von
"damals" waren gegen das Projekt und wollten fuer die Mitgliederverwaltung
in NRW einen
Tandy TRS80 mit Cassettenrecorder einsetzen - wenn ueberhaupt Computer.
Diese Erinnerung ist koestlich und bitter zugleich.

An gewisse Obernasen von der TRS80-Fraktion erinnere ich mich noch heute mit
Abscheu;  einige sitzen noch immer "ziemlich oben" in der NRW-Hierarchie...

Beuys war einer der wenigen Menschen, die keine Angst vor der Freiheit hatten.
Zu Josephs "jeder Mensch ein Kuenstler" gehoert selbstverfreilich das
Brechtsche,
aus seiner Radiotheorie herleitbare "jeder Mensch ein Sender".
Und Maulaffenfeilhalten ist die stumme Vorlaeufervariante des "me too".

Soviel als "nichtjuristische" Begruendung fuer das "Jedermannrecht".

wau

--
So daemlich kann doch nicht mal ein bayerischer Richter sein. Wenn doch,
dann sollten wir den Laden hier zu machen, die Auslaender nach Hause
schicken, die Staedte aufloesen und wieder auf die Baeume klettern.
                       (muenchner Webmistress zum Prozess gegen Felix Somm)