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Re: Schock: Ex-CompuServe-Chef verurteilt



Rigo wrote:
> Kristian wrote:
> > Leute, vergesst nicht: Niemand hat Anspruch auf guten Geschmack.
> > Man sollte dringend zwischen (in Deutschland) illegalen Inhalten
> > und (wahrscheinlich weltweit) schlechten, sinnlosen,
> > geschmacklosen oder wertlosen Inhalten unterscheiden.
> 
> die Dinge, um die es hier geht, sind wirklich jenseits dieser Frage.
> Es geht nicht um Geschmack. Ausserdem habe ich via GILC festgestellt, 
> dass fast alle Europäer die Strafbarkeit der Negation des Holocaust 
> haben oder unterstützen. Bei Prono geht die Übereinstimmung noch weiter.
> Gunter Ertl, der Senatsvorsitzende des OLG Wien hat es richtig
> ausgedrückt:
> Es geht bei Somm und dem ganzen Provider-Theater einzig um politische 
> Alibihandlungen, die nichts wirklich bewirken, bewirken können oder 
> bewirken sollen. 
> 
> Panem et circenses.

Kein "Penis et circenses" :-) IMHO. Zwar ist das Somm-Urteil wie schon gesagt
Machwerk eines Ueberzeugungstaeters, welches keinen Bestand haben wird
(hopefully), aber wir haben es hier mit einer bestimmten Geisteshaltung zu
tun, welche immer weiter um sich greift. Allein die Tatsache des Prozesses
allein ist bemerkenswert: genau genommen ein Versuchsballon. Was waere
gewesen, wenn sich die Staatsanwaltschaft nicht umentschieden haette und
so keinen Dissens "alle gegen den Richter" hervorgerufen haette? Dann staende
Somm als gewoehnlicher Krimineller da und, na gut, solche Verbrecher leugnen
ja ueblicherweise die Tat und gehen dann in Berufung, Revision, was auch immer,
um ihrer gerechten Strafe zu entgehen. Jedenfalls so die Auffassung des
sogenannten einfachen Mannes von der Strasse, der, wenn ueberhaupt, bei
Internet lediglich die Assoziation "Pornos frei Haus" hat. Die Provider
als 0190-sex-sex-sex-Anbieter: kein Telefonsex, sondern Modemsex, und demnach
per se unglaubwuerdig.

Ich behaupte eher, dass die Internet-Schmutzdebatte, ausgetragen mit den
plakativen missbrauchten Kindern, eine gesellschaftspolitische
Alibihandlung ist, welche von anderen weitaus uebleren Missstaenden unserer
Gesellschaft ablenkt. Sexuellen Missbrauch von Kindern, oder auch nur
"einfach" (sic!) Ausbeutung durch Kinderarbeit, ob hier oder in der Dritten
Welt, hat es seit jeher gegeben, und wird sich nicht dadurch aendern, dass
man einzelne Vertriebswege, etwa im neuen Medium Internet unterbindet.
Prostitution wird nicht dadurch beseitigt, dass man die Huren in ein
Bahnhofshintereck ghettoisiert und die Freier einlocht. Man kann dann zwar
stolz saubere Strassen als plakativen Erfolg vorweisen, aber das schon
zitierte "RealLife(tm)" findet dann hinter verschlossenen Tueren statt.

Schon mal gesagt: verbinde nicht die Augen, fordere die Verhuellung der Welt!
Das Internet ist vom eher akademischen Uni-Netz mit entsprechend (sollte
man meinen) intellektuellem Auditorium - aber selbst da gab es schon einen
reichhaltigen Fundus an Bildchen, warum wohl? - zu einem vollkommenen
Spiegel der Gesellschaft mutiert. Wer mit dem ausgestreckten Finger auf
das Pfui-Netz zeigt, zeigt damit auf sich und seine eigene Umgebung -
Nachbar Schulze fickt seine Frau: eine entsetzliche Vorstellung! Unglaublich!
Skandaloes! Aber selber laesst man sich die Thailandreise im Sommer nicht
entgehen. Und zu Weihnachten schickt man dann den Ablass-Fuffi an die Caritas.
Da steckt doch die Doppelmoral. So schaebig Kindesmisshandlung und -pornos
auch sind: es ist eine Wahnvorstellung, Waldbraende zu verhindern, indem
man den Wald abholzt. Das ist eine Ersatzhandlung, die das Gewissen beruhigt.
Wenn einem St. Florian dann die Huette in Flammen setzt, war's zumindest
kein Waldbrand. Prima Logik. Warum nicht eher so: sollen sich die Paedos
und Zoos doch an gepixelten Bits einen runterholen; wer die Nacht mit Netscape
und der Suche nach neuen Kicks verbringt, dem fehlt die Zeit, Kinder auf
der Strasse anzufallen. Auch nicht weniger logisch. Aber evoziert weniger
Betroffenheit.

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