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AP: "mit Bankvorstaenden einfacher ueber Linux reden als mit Gewerkschaftsbonzen"



Naja, "hierarchen" war nur schoengeschrieben ;-)
Anderes fehlt mir.
wau
---schnippp---
Berliner Tagesspiegel, 17.06.1998

Die Linke steht mit dem Rücken zum Netz

                      Sorge vor Abbau von sozialen Rechten /
                      "Frankfurter Erklärung" zur
                      Informationsgesellschaft

                      VON PETER ZSCHUNKE (AP)

                      Die traditionelle Linke steht den neuen Computernetzen
                      bislang eher reserviert gegenüber. Nun wollten sich
                      rund 300 Sozialdemokraten, Grüne und
                      Gewerkschafter auf einem Kongreß, der vom 12. bis
                      13. Juni in Frankfurt am Main stattfand, offen den
                      "Machtfragen der Informationsgesellschaft" stellen.
                      Doch in der zum Abschluß vorgelegten "Frankfurter
                      Erklärung" überwiegen die konservativen Forderungen
                      nach Erhaltung von sozialen Errungenschaften in einer
                      durch die neue Technik veränderten Welt.

                      "Das Internet ist eine Rationalisierungsmaßnahme",
                      sagte der Bundestagsabgeordnete Manuel Kiper,
                      Vertreter der Grünen auf der abschließenden
                      Podiumsdiskussion im Hörsaal VI der
                      Goethe-Universität. "Wenn wir das fördern,
                      beschleunigen wir die Rationalisierung." Neue Formen
                      der Arbeit wie Telearbeit oder virtuelle Unternehmen
                      erforderten "einen geregelten Rahmen mit neuen
                      sozialen Mindeststandards", heißt es in der
                      Abschlußerklärung der zweitägigen Veranstaltung. Den
                      neuen "atypischen Arbeitsformen" wird die Forderung
                      nach Sicherung von "stabilen,
                      sozialversicherungspflichtigen und existenzsichernden
                      Arbeitsplätzen" entgegengesetzt.

                      Es seien aber nicht die Veränderungen im Arbeitsleben
                      und die technische Entwicklung, die den Sozialstaat in
                      Frage stellten, erklärte die Vorsitzende der
                      Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen
                      (HBV), Margret Mönig-Raane. Vielmehr nutzten "die
                      neoliberalen Deregulierer den Umbruch, um breite
                      Schneisen für sozial ungeschützte und schlecht
                      bezahlte Arbeitsverhältnisse in bisher gesicherte,
                      funktionierende Arbeitsbereiche zu schlagen". Kritik
                      an der Haltung der Gewerkschaften kam nur vom
                      Hamburger Chaos Computer Club (CCC), dessen
                      Vertreter Wau Holland zu "einer Ehrenrettung der
                      CDU" ansetzte, die schon frühzeitig sehr viel offener
                      mit der neuen Technik umgegangen sei. Auch könne
                      man sich "inzwischen mit Bankvorständen einfacher
                      über freie Software wie Linux unterhalten als mit
                      Gewerkschaftshierarchen", monierte Holland. Dabei
                      sei der Umgang mit dem Internet eine Kulturtechnik
                      geworden, die jeder Erstklässler lernen müsse. Doch
                      der Bremer Wissenschaftler Herbert Kubicek, Mitglied
                      der Enquetekommission des Bundestags zur
                      Informationsgesellschaft, kritisierte in seiner Bilanz zur
                      Medienpolitik der "Ära Kohl", daß Deutschland auf
                      dem Weg in die Informationsgesellschaft hinter den
                      USA zurückgeblieben sei. Frühere Prognosen einer
                      rasanten Zunahme der Online-Anschlüsse in
                      Deutschland hätten sich nicht erfüllt.

                      Allein durch die Abschaffung staatlicher Regelungen
                      wie bei der Liberalisierung des
                      Telekommunikationsmarkts entstehe noch kein
                      Massenbedarf nach Nutzung der neuen Online-Medien.
                      Wenn jetzt die EU nationale Förderprogramme für den
                      Zugang zum Internet empfehle, so "wäre es eine
                      schöne Aufgabe für eine neue Bundesregierung, diesen
                      Ball aufzunehmen", sagte der Professor für
                      Angewandte Informatik in seinem Vortrag.

                      Die Forderung nach einem "Zugang für alle", in
                      Frankfurt am entschiedensten von dem
                      SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss vertreten,
                      zog bei manchen Kongreßteilnehmern den Verdacht
                      auf sich, es gehe dabei nur um die Erschließung neuer
                      kapitalistischer Märkte für den Vertriebskanal Internet.
                      Tauss jedoch träumt von einer "Bürgernetzbewegung",
                      die von unten wächst und neue Chancen für mehr
                      aktive Beteiligung in der Demokratie mit sich bringt.
                      Dazu gehört dann auch eine größere Offenheit von
                      Politik und Verwaltung.

                      Dem Bundestagsabgeordneten schwebt dabei ein
                      umfassendes Stadtinformationssystem vor Augen, wie
                      es zurzeit auch in Berlin Gestalt annimmt. "Meine
                      Einkommensteuererklärung finden Sie im Internet",
                      sagt Tauss den Anwesenden. "Das ist für mich eine
                      Vorstufe für mehr Transparenz in der Politik."

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Diese rufen Dich zur Heimat, jene zeigen Dir die Welt.
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Dieser will die Welt umspannen, Jenem ist sie viel zu weit. AvH 1924