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Re: Es ist kein Kindernet (Meinungsfreiheit)



On Thu, 25 Jun 1998, Melanie Angele wrote:
> Rigo Wenning wrote:
> > 
> > Es wäre schön, wenn Ihr die wesentlichen Dinge diskutiert. Den Weg dahin
> > habt Ihr schon beschritten. Die Frage ist: Welche anderen (Grund)Rechte
> > rechtfertigen eine Einschränkung der Informationsfreiheit, der
> > Meinungsfreiheit
> > (man beachte die Trennung)
> 
> (Meinungsfreiheit, in dem Fall meinst Du Meinungsaeusserungsfreiheit,
> oder ?)

Wo steht die Zensierung nicht geaeusserter Meinungen zur Diskussion?
 
> Informationsfreiheit ist fuer die Meinungsaeusserungsfreiheit
> notwendig, da Informationen zur Meinungsbildung benoetigt werden.
> Sie sollte auf keinen Fall eingeschraenkt werden, weder im Internet
> noch irgendwo anders. 

Zu welcher Meinungsbildung werden z.B. KiPo-Informationen benoetigt?

> (Sag mir ein Grundrecht, dass diese Einschraenkung rechtfertigen
> wuerde ...)

Wie war das bei der Auschwitz-Luege?  Wuerde des Menschen?
Voelkerverstaendigung?   Es gibt wohl einige Werte, von denen man selbst
bei uns glaubt, dass sie eine Einschraenkung rechtfertigen koennen.
 
> Zensur loest Probleme nicht, sie unterdrueckt sie. Und Dinge, die
> unterdrueckt werden, entwickeln oft eine erschreckende Eigendynamik.

Titos harte Hand nuetzte vielleicht am Ende wenig, aber vielleicht waehrte
die Unterdrueckung nur nicht lange genug.   Bei anderen Konflikten wurden
durch zeitweilige Unterdrueckung durchaus Probleme nachhaltig geloest, z.B.
ist als Ergebnis jahrzehntelanger Unterdrueckung die potentiell explosive
Frage der deutschen
Ost-Vertriebenen vom Tisch (biologische Loesung).  Die aufgezwungene
Toleranz in Singapur und Malaysia hat ebenso wie an vielen anderen Orten
einmalige historische Herausforderungen besiegt.  Der Weg der Geschichte
ist von Minen gesaeumt, die nur durch einen chirurgischen Eingriff, nicht
durch eine freie Diskussion zu entschaerfen sind und dann nicht wieder kommen.
Allgemeine Behauptungen ueber die Tauglichkeit von Gewalt sind falsch.
Man kann nur Einzelfaelle beurteilen.
 
> Die einzige Ausnahme sehe ich im Moment bei persoenlichen Daten
> (und Schweigepflicht), d.h. ich will selber bestimmen koennen, 
> wer welche Informationen ueber mich erhalten und veroeffentlichen 
> darf. Sonst geschehen Dinge wie die damalige Darstellung von Marie 
> Curie's Liebesaffaire mit Langevin in der franzoesischen Presse ...).

Warum hier eine Ausnahme?  Ich sehe da keine Logik.  Zaehlen nur 
private Werte etwas und oeffentliche gar nichts?  Wie ist es wenn 
massive Propaganda starker Gruppen (z.B. NSDAP, Islamisten, oder auch
geballte Verdummungspropaganda, hinter der Wirtschaftsinteressen stehen)
Meinungsmache als Waffe zur Erringung diktatorischer Herrschaft einsetzt?
Fuer diesen besonders gefaehrlichen Missbrauch der Meinungsfreiheit ist
uebrigens gerade das Usenet am wenigsten anfaellig.
 
> Jugendschutz gehoert in die Haende der Eltern. Es stimmt - das
> Internet ist kein Kindernet.

D.h. Kinder raus aus dem Internet?  Oder Kinder nur unter Anleitung
zertifizierter Erziehungsberechtigter ins Internet?  Pflichtkurse fuer
Eltern?

> Ausserdem ist es ein Unding, bei allem gleich nach dem Staat
> zu schreien - ein wenig Eigenverantwortung gehoert auch
> dazu (jedenfalls, wenn man erwachsen ist).

Der Staat meldet sich ganz von selbst zu Wort, ohne dass man nach ihm
schreit.  Besonders dann, wenn es mit Eigenverantwortung und Selbstregulierung
allzu lange nicht richtig geklappt hat.

> Wirklich widerliche Dinge sollten sich von selbst erledigen,
> wenn man dem entsprechenden Internetprovider bescheid sagt.

Vielleicht.  Vieles erledigt sich aber nicht von selbst.

Muessen wir auf dieser ML ueberhaupt Einigkeit ueber den Rang der
Meinungsfreiheit erzielen?  Genuegt es nicht zu sagen, dass Gesellschaften
das Recht haben, die Meinungsfreiheit einzuschraenken (wie GG 5.2 das
sagt) und dass sie das manchmal tun, egal was wir davon halten?
Unsere Aufgabe sollte sein, klarzustellen, welche Schwierigkeiten sich
bei der Uebertragung solcher Einschraenkungen auf das Internet ergeben,
wie ernst die Gefahren sind und wie man ihnen am besten begegnen kann.
--
Hartmut Pilch <phm@a2e.de>
a2e Ostasien-Sprachendienste Pilch, Wang & Co 
http://www.a2e.de/oas/, Tel +49891278960-8