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Re: Dem Internet ist es egal, wie man es speichert



Holger Veit schrob:

> > Problem sind tatsaechlich die technischen Formate der Archive
> > (physikalische Datentraeger und Speicherformate). Hier koennte sich aber
> > auch eine kleine Organisation einen Namen machen.

> Kleinere Organisationen haben kein technisches, sondern ein rechtliches
> Problem.

Ich habe mich undeutlich ausgedrueckt: Kleine Organisationen koennen
zwar keine Archive erstellen, sie koennen aber Archivformate
dokumentieren.

> Wer das Word-Format knackt und dokumentiert, so dass irgendjemand einen
> Konverter ins Zielformat eines Konkurrenzproduktes schreiben kann, wird
> mit einem inkompatiblen Word{Jahr+1}-Format bestraft.

Die Formatdokumentation bleibt eine Daueraufgabe, das sollte eigentlich
klar sein. Knacken von Formaten ist gar nicht notwendig. Es reicht, ein
paar ausgewaehlte Dokumente in mehreren Formaten abzuspeichern. Knacken
darf das dann die Nachwelt - bei Bedarf.

Offene Formate sind natuerlich trotzdem vorzuziehen und zu propagieren.
Wenn ich mir anschaue, wieviele inzwischen das Web als Abladeplatz fuer
Word-Dateien benutzen, koennte ich kotzen. Dabei bieten neuere
Word-Versionen AFAIK doch einen HTML-Export an.

> Das Interessante an einer Bibel, die von Moenchen im Mittelalter handkopiert
> wurde, ist nicht der Inhalt, sondern die Form.

Weil der Urtext nicht mehr bekannt ist. Weil einige Leute glauben, es
seien "heilige" Texte. Weil die Bibeln illustriert waren. Weil das
Umkopieren sehr verrauscht war. Fuer heutige Dokumente duerfte sowas
nicht mehr allzu relevant sein, wenn man vollstaendig und im
Ursprungsformat archiviert.

> Davon abgesehen: das Soft-Format laesst sich noch nach Jahrzehnten zurueck-
> verfolgen, sofern nicht Daten verschluesselt wurden.

Da waere ich mir nicht so sicher. Du musst hier in Jahrhunderten denken.
Es gibt viele ausgezeichnet konservierte Dokumente (z.B. auf Kreta), die
unleserlich sind, weil wir die Schrift nicht kennen. Das Problem ist
also nicht neu, aber wir kennen Loesungswege.

> CD-Roms haben nach derzeitigem
> Wissensstand auch nicht die Lebensdauer von babylonischen Keilschrifttafeln
> oder Rosettas Stein.
> 
> Willkommen zum permanenten umkopieren des Wissens der Welt in jeder
> Generation.

Das ist doch auch nix neues. Wieviele Leute haben den Rosetta-Stein "in
echt" gesehen? Wieviele Leute eine Fotografie davon? Wieviel Leute haben
schon mal Tondokumente von einer Sprechwalze gehoert? Wieviele Leute
haben die gleichen Tondokumente via Radio, Fernsehen oder RealAudio
gehoert?

Zu jeder professionellen Archivierung gehoeren Redundanz (Stichwort:
Alexandria) und regelmaessiges, moeglichst rauschfreies Umkopieren auf
neue Medien (Stichwort: Bibel). Die Techniken dafuer haben sich in den
letzten Jahrzehnten rasant verbessert.

Aus genau diesen Gruenden ist das auch nix fuer irgendeinen
Freiwilligenverein (Stichwort: Projekt Gutenberg), sondern etwas fuer
eine gesellschaftlich finanzierte, professionell ausgestattete
Institution mit definiertem Auftrag (Stichwort: Die Deutsche
Bibliothek).

MfG, Roland

-- 
Roland Dieterich 	Uni Koblenz/GMD St. Augustin FIT.MMK
Fon: +49-2241-14-2829   Fax: +49-2241-14-2065
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